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Was ist Open Interest und was bringt es im Optionshandel?

Hallo Leute,
in diesem Beitrag werden wir uns ein wenig mit dem sogenannten Open Interest beschäftigen. Diejenigen, die ihre Erfahrungen an der Börse schon gemacht haben, sind mit diesem Begriff sicherlich schon in Berührung gekommen. Dieses Thema ist jedoch ziemlich speziell, so dass es selbst im angelsächsischen Raum nur ganz wenige Bücher in geringen Auflagen hierzu gibt. Dabei kann das Open Interest ein weiteres wichtiges Puzzle-Steinchen im Trading darstellen, wenn es darum geht, das Gesamtbild zu betrachten und ein besseres Verständnis von den Preisbewegungen zu bekommen.

Was ist Open Interest und wie entsteht es?

Bevor wir uns mit der Bedeutung des Open Interest (auch OI genannt) beschäftigen, sollten wir zunächst erfahren, worum es hierbei geht und wie es entsteht.

Zu verstehen, was das Open Interest ist, ist nicht schwer. Bei diesem Begriff handelt es sich um alle Futures-Kontrakte oder Optionen, die über Nacht offen gehalten werden. Dabei erhöht sich das Open Interest mit jeder Transaktion, welche beim Käufer oder Verkäufer eine neue Position erzeugt und es wird gerne zusammen mit dem gehandelten Volumen betrachtet. Das ist schon das ganze Geheimnis.

Um zu verstehen, wie das OI entsteht und wie das Volumen sich verhält, sehen wir uns ein paar Transaktionsbeispiele an:

Angenommen, Trader A kauft am Tag 1 erstmals eine Option von Trader B. Nach dem Abschluss der Transaktion ist nun folgendes passiert:

Erstens, das Volumen beträgt 1, weil 1 Option gehandelt wurde. Zweitens, das OI beträgt ebenfalls 1, weil hier nur eine Transaktion stattgefunden hat. Bis dahin muss man denke ich, kein Genie sein, um zu verstehen, wie das Open Interest entstanden ist. Doch dies war nur der Anfang und fügt man weitere Teilnehmer hinzu, wird das Ganze schon etwas anspruchsvoller.

Nehmen wir an, es treten zwei weitere Marktteilnehmer auf den Plan, nämlich der Trader C und der Trader D, während die Trader A und B ihre Positionen aus der einen Transaktion weiterhin offen halten. Nehmen wir weiter an, Trader C kauft von Trader D 7 Optionen am Tag 2.

Wie verhält es sich nun? Zum einen, das Volumen am Tag 2 beträgt 7 und das Open Interest steigt von 1 auf insgesamt 8. Wie kommt dies zustande?

Betrachten wir zunächst das Volumen. Das Volumen beträgt deshalb 7 und nicht 8, weil die Transaktionen am Tag 2 stattfanden. Würden sie am Tag 1 stattfinden, dann hätten wir ein Volumen von 8, da wir die Transaktion von A und B zusammenzählen würden.
Das Open Interest steigt dagegen auf 8. Denn zu den 7 Transaktionen von Tag 2 kommt die Transaktion von Tag 1 hinzu. Wie Sie sehen, hier wird nicht nach Tagen unterschieden, sondern es zählt alleine, wie viele Positionen offen sind.

Fügen wir erneut zwei weitere Trader hinzu, den Trader E und den Trader F. Angenommen, es ist der Tag 3. Der Trader E kauft 2 Optionen von Trader C und Trader A kauft 6 Optionen von Trader F.

Wie verhält sich die Situation nun?

Betrachten wir zunächst das Volumen. Hier zählen wir nur das Volumen des dritten Tages zusammen und sehen, es wurden insgesamt 8 Optionen gehandelt.

Wie sieht es mit dem OI aus? Lassen Sie uns dazu die Transaktionen genauer betrachten.

Trader E kauft 2 Optionen von Trader C und dadurch sind 2 neue Positionen entstanden. Trader C hatte seinerzeit 2 Optionen von D gekauft und dadurch, dass er sie an E weiterverkauft hat, hat er 2 Optionspositionen geschlossen bzw. glattgestellt. Somit gibt es zunächst keine Bewegung im Open Interest.

Sehen wir uns nun die Transaktion zwischen dem Trader A und dem Trader F an. Wie viele Positionen besitzt A? Der Trader A hat bereits 1 Option von B gekauft. Nun kauft er noch 6 weitere Optionen von Trader F. Dadurch entstanden 6 neue offene Positionen und dies ergibt die Summe von 14.

Sehen wir uns ein letztes Beispiel an und zwar die Situation, in der das Open Interest abnimmt. Dazu nehmen wir an, dass der Trader D am Tag 4 alle seine 7 Positionen schließt. Dies tut er, indem er die Optionen, die er am Tag 2 verkauft hat, zurückkauft. Kann er sie von C zurückkaufen? Ja und nein. Da C am Tag 3 zwei Optionen an E verkauft hat, hat er nur noch 5 Optionen offen und kann nur diese 5 Optionen an D verkaufen. Nehmen wir an, dass er dies tut. Nun fehlen noch 2 Optionen, damit der Trader D alle Positionen schließen kann und wir nehmen an, dass er sie dem Trader A abkauft.

Wie sieht die Situation nun aus?

Wie kommt nun die Zahl von 7 beim Open Interest zustande? Dadurch, dass der Trader A und der Trader C nur Positionen abgestoßen haben, die sie bereits besaßen, haben sie keine neuen Positionen mehr aufgebaut. Der Trader D hat ebenfalls keine neuen Positionen aufgebaut, sondern alle 7 offenen Positionen geschlossen.

Ich denke, anhand dieses kleinen Beispiels können Sie gut erkennen, wie das Open Interest entsteht. Die Frage, die ich an Sie stelle, lautet: konnten Sie von Anfang an den Überblick behalten und konnten Sie den Erläuterungen folgen ohne, dass Sie sie mehrmals lesen mussten? Wenn nein, dann kann ich Ihnen sagen, dass es völlig okay ist. Denn die Berechnung des Open Interest kann sehr komplex sein und deswegen übernehmen diese Aufgabe leistungsstarke Rechner an den Börsen.

Noch eine wichtige Anmerkung: da das Open Interest immer die Zahl der offenen Positionen angibt, findet die Berechnung erst nach Börsenschluss statt. Denn während der Handelszeit finden sehr viele Transaktionen statt und es macht erst Sinn, das OI zu ermitteln, wenn die Börsen geschlossen haben. Denn erst dann steht es endgültig fest. Dies bedeutet wiederum, dass wir immer die Daten von Gestern sehen.

Wie hilft uns das Open Interest beim Trading?

Da Sie nun wissen, wie das Open Interest entsteht, werden wir uns dessen Sinn im Trading widmen.

Das Open Interest hilft uns insofern beim Trading, dass es uns etwas die Marktmeinung der Teilnehmer mitteilt. Denn hinter jeder offenen Position steht immer ein bestimmtes Interesse. Die einen bauen Positionen auf, indem Sie verkaufen. Diese Gruppe möchte Stillhalterprämien kassieren. Was ist die Schlussfolgerung daraus? Die Stillhalter möchten, dass der Kurs des Basiswertes den Strike NICHT erreicht.

Die anderen, die Optionen gekauft haben, haben natürlich auch bestimmte Ziele. So könnte jemand Optionen kaufen, um sich gegen einen Preisverfall zu schützen. In beiden Fällen rede ich von den großen Marktteilnehmern, von den sogenannten Commercials, den Großspekulanten, den Swap-Dealern und so weiter.

Bei Basiswerten, wie zum Beispiel Erdöl, haben sehr viele Strikes große Zahlen an Open Interest. Manche Basiswerte, die nicht so einen großen Markt darstellen, haben nur bei bestimmten Strikes ein gewisses Open Interest, siehe Abbildung mit dem OI zu Erdgas. Wie können wir es nun für uns nutzen?

Wir tun dies, indem wir nach Strikes Ausschau halten, die besonders viel Open Interest aufweisen. Wenn wir diese Strikes gefunden haben, was sagen sie uns aus? Wie ich bereits erwähnt habe, steckt hinter jedem Open Interest ein bestimmtes Interesse. Ein sehr großes Open Interest kann daher eine natürliche Barriere darstellen.

Optionen auf Erdgas; Quelle: Trader Work Station

Lassen Sie uns das OI anhand eines konkreten Beispiels ein wenig genauer ansehen, indem wir die Abbildung betrachten. Hierbei handelt es sich um die Optionen auf Erdgas (Natural Gas) und der Preis zum Erstellungszeitpunkt des Screenshots betrug ca. 3,20 Dollar. Die Laufzeit der Option beträgt 55 Tage.
Was sehen wir nun bezüglich des OI? Wir sehen, dass es oberhalb der 3,20-er Marke drei auffällige Strikes gibt und unterhalb der 3,20-er Marke ebenfalls drei auffällige Strikes. Wie können wir die Situation nun beurteilen?

Erstens, wir können nicht sagen, ob es sich um gekaufte oder verkaufte Optionen handelt.

Zweitens, wir wissen, dass hinter jedem Open Interest eine gewisse Marktmeinung steht. Was bewegt also jemanden, solch große Optionspositionen aufzubauen? Hinter solchen Zahlen steht wirklich viel Geld und niemand möchte so große Summen aufs Spiel setzen, nur um zu zocken. Somit kann das nur jemand sein, der über gewisse Insiderinformationen verfügt und es kann sich nur um einen institutionellen Trader handeln. Denn die Institutionellen zocken in der Regel nicht, sondern sie verdienen an der Börse Geld. Nicht umsonst werden sie als das “kluge Geld” (engl.: smart money) bezeichnet.

Drittens, aufgrund seiner Marktmeinung fährt dieser Trader (ich bleibe bei der Einzahl) eine gewisse Strategie und er könnte zum Beispiel einen sogenannten Strangle aufsetzen. Bei einem Strangle handelt es sich um verkaufte Optionen oberhalb und unterhalb des Strikes. Wie wir bereits im Beitrag “Was sind Optionen” gelernt haben, MUSS der Optionsverkäufer im “Schadensfall” haften. Und wer so viel Geld in Optionen steckt, der wird dafür sorgen, dass der Preis die beiden Strikes von 3,50 Dollar und 3,- Dollar nicht erreicht. Da die großen Marktteilnehmer über enorme Geldsummen verfügen, könnte dieser eine Trader dafür sorgen, dass der Kurs die Strikes nicht erreicht. Das könnte er in der Tat…

Wie Sie sehen, kann man bereits nur an diesen beiden Open Interests Überlegungen anstellen und ich denke, dass jetzt etwas deutlicher geworden ist, warum ein sehr hohes OI eine gewisse Barriere darstellen kann (aber nicht muss).

Chart von Erdgas, Quelle: Trader Work Station

Ich verzichte an dieser Stelle auf die Analyse der vier weiteren Open Interest-Positionen an den Strikes 3,75 Dollar, 4,- Dollar sowie 2,85 Dollar und 2,75 Dollar, um den Rahmen nicht zu sprengen. Stattdessen möchte ich ein kleines Beobachtungsexperiment durchführen. Ich werde beobachten, wie sich das Open Interest bis zum Verfall in 55 Tagen entwickelt hat und wo der Kurs des Erdgases am Verfallstag schließt. Anschließend werde ich Ihnen die Ergebnisse präsentieren. Dadurch werden wir sehen, ob die Strikes bei 3,50 und 3,- Dollar als eine Mauer gehalten haben. In der Abbildung sehen Sie den aktuellen Kurs zum Erdgas. Und nun zurück zum Kernthema.

Wenn Sie also Optionen verkaufen möchten, dann sollten Sie zu Ihrer Recherche auch das Open Interest einbeziehen. Haben Sie eine ungewöhnlich große Position entdeckt, dann sollten Sie, wenn Sie auf Stillhalterprämien aus sind, Ihren Strike eher hinter dieses Open Interest platzieren, als davor. Denn auch wenn ein ungewöhnlich großes Open Interest als eine Barriere funktionieren kann, ist es möglich, dass der Preis auf seinem Weg bis zu dieser Barriere auf einen geringen Widerstand stößt. Haben Sie Ihren Strike also vor dem großen Open Interest platziert, kann es passieren, dass Ihre Position schnell ins Geld läuft.

Das Open Interest ist kein Heiliger Gral

Beachten Sie bitte, dass das Thema OI nicht das Allheilmittel darstellt (wie alles an der Börse). Es ist vielmehr ein weiteres Puzzle, um das übergeordnete Bild und Ihre Meinung zu ergänzen. Es ist auch nicht gesagt, dass das Platzieren von Positionen (egal ob Call oder Put) hinter einem großen Open Interest immer zum Ziel führt. Denn die Börse funktioniert nur mit statistischen Wahrscheinlichkeiten.
Durch das Eröffnen von Options-Positionen hinter einem großen OI nutzen wir eine statistische Wahrscheinlichkeit aus, dass der Trade sich zu unseren Gunsten entwickeln könnte. Die Betonung liegt wie immer auf “könnte”, denn an der Börse ist nichts zu 100% sicher.

Ferner, ein extremes Open Interest ist nicht statisch. Es kann sich jeden Tag verändern, wenn die Marktteilnehmer ihre Positionen schließen oder verschieben. Aus diesem Grund sollten Sie, wenn Sie eine Option verkauft oder gekauft haben, von da an das Open Interest beobachten, um rechtzeitig zu handeln, wenn Ihre Option unter Druck geraten sollte.
Dies sollten Sie intensiver tun, je näher die Option sich ihrem Verfallsdatum nähert.


Liebe Leser, das war nur ein winziger Einblick in die Welt des Open Interest und betrachtet man das Ganze, so gibt es noch viel darüber zu erfahren. Nehmen Sie meinen Beitrag daher als eine Anregung für weitere Recherchen auf. Das Thema ist sehr speziell und es gibt, wie bereits erwähnt, selbst im englischsprachigen Raum kaum Literatur darüber. Sollte ich auf ein gutes Buch stoßen, werde ich es selbstverständlich in meinen Empfehlungsbereich aufnehmen. Bis dahin kann ich Ihnen beispielsweise alle Videos von Martin Hlouschek auf Youtube empfehlen, der das Thema in einigen seinen Videos bespricht.

Sollten Sie grundsätzlich am Handel mit Optionen interessiert sein, dann kann ich Ihnen das Buch von Jens Rabe “Optionsstrategien für die Praxis” empfehlen.

Zusammenfassung

  • Unter dem Open Interest versteht man alle offenen Positionen in den Futures oder Optionen, die neu erzeugt und offen gehalten werden
  • Das Open Interest spiegelt eine Marktmeinung wieder
  • Besonders große Zahlen des Open Interest können eine bestimmte Marktmeinung stärker verdeutlichen als die restlichen Zahlen des Open Interest
  • Aus diesem Grund kann eine große Zahl zum Open Interest eine natürliche Barriere für die Preisbewegung darstellen
  • Eine Options-Position sollte, wenn möglich, bevorzugt hinter einem großen Open Interest eröffnet werden
  • Nach dem Eröffnen einer Position im Markt sollte die Entwicklung des Open Interest jeden Tag beobachtet werden

Der Beitrag Was ist Open Interest und was bringt es im Optionshandel? erschien zuerst auf Handelszeit.com.



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