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Kampf der neoliberalen Elitendemokratie!

Die destruktiven ökologischen, sozialen und psychischen Folgen der Elitenherrschaft bedrohen unsere Gesellschaft und unsere Lebensgrundlagen. Wahlen spielen für grundlegende politische Fragen praktisch keine Rolle mehr. Die wichtigen politischen Entscheidungen werden von Gruppierungen getroffen, die weder demokratisch legitimiert noch rechenschaftpflichtig sind. In „Warum schweigen die Lämmer?“ beschreibt Rainer Mausfeld brillant, warum wir auch in Deutschland von den Idealen der Demokratie und Freiheit meilenweit entfernt sind und wie wir lernen, die Methoden der Manipulation und Massenpsychologie zu erkennen und uns dagegen zu wehren. Lesen Sie zum Erscheinen des Buches am 2. Oktober den aktuellen Kommentar des Autors.

Seit einiger Zeit beobachten wir ganz offensichtlich eine Transformation von kapitalistischen Elitendemokratien zu autoritären Überwachungs- und Sicherheitsstaaten. Es gilt nun vor allem, zentrale psychologische Herrschaftstechniken eines Demokratie- und Empörungsmanagements zu erläutern. Entlang historischer Linien sowie anhand aktueller Beispiele illustrieren diese Techniken die lange Tradition des Kampfes der jeweiligen Machteliten gegen die Demokratie und die subtilen Methoden, diesen Kampf gegen die Demokratie für die Bevölkerung nahezu unsichtbar zu machen.

Seit mehr als einem halben Jahrhundert prägen zwei Ideologien die gesellschaftlichen Entwicklungen in den westlichen Demokratien: die Ideologie einer Elitendemokratie und die neoliberale Ideologie. Die Idee einer Elitendemokratie, in der politisch kompetente und dem Gemeinwohl verpflichtete Eliten die Geschicke der Gemeinschaft in möglichst effizienter Weise lenken sollen, ist bereits begrifflich ein Widerspruch in sich; sie entlarvt sich in ihrer politischen Praxis als bloße Ideologie zur Rechtfertigung der Herrschaft einer Wahl-Elitenoligarchie.

In kapitalistischen Elitendemokratien spielen, wie empirische Studien zeigen, Parlamentswahlen für alle grundlegenden politischen Entscheidungen Keine Rolle Mehr. Die großen politischen Entscheidungen werden zunehmend von Instanzen und Akteuren bestimmt, die nicht der Kontrolle der Wähler unterliegen. Es ist daher wenig überraschend, dass die von den Vertretern des Volkes betriebene Politik in den meisten Bereichen weit von den Wünschen der Bevölkerungsmehrheit abweicht. Während die Hülse einer repräsentativen Demokratie weitgehend formal intakt erscheint, wurde sie ihres demokratischen Kerns nahezu vollständig entleert. Dadurch birgt Demokratie für die eigentlichen Zentren der Macht keine Risiken mehr und lässt sich sogar zur sozialen Sedierung und zur Revolutionsprophylaxe nutzen. Diese Entwicklung war, wie in “Warum Schweigen der Lämmer“ historisch nachgezeichnet wird, bereits in der Erfindung der repräsentativen Demokratie angelegt und wurde seitdem strukturell und ideologisch systematisch vorangetrieben. In den vergangenen Jahrzehnten findet sie ihren vorläufigen Abschluss im Rahmen der neoliberalen Extremform des Kapitalismus. Die hier entstandenen Organisationsformen eines autoritären Kapitalismus haben sich des Staates, der verbliebenen Hülsen einer repräsentativen Demokratie und aller relevanten Entscheidungsmechanismen des Gemeinwesens in totalitärer Weise bemächtigt. Die demokratisch gewählten Machteliten sind mittlerweile zunehmend überzeugt, dass sie auf die traditionelle Demokratierhetorik verzichten und die Stabilität ihres Status durch autoritäre Maßnahmen sichern können.

Während der vergangenen Jahrzehnte der neoliberalen ‚Revolution von oben‘ wurde die Aushöhlung und Rückbildung demokratischer Strukturen in beispielloser Weise vorangetrieben. Demokratie wurde durch die Illusion von Demokratie ersetzt, die freie öffentliche Debatte durch ein Meinungs- und Empörungsmanagement, das Leitideal des mün­digen Bürgers durch das neoliberale Leitbild des politisch apathischen Konsumenten. Die wichtigen politischen Fragen werden von politisch-ökonomischen Gruppierungen entschie­den, die weder demokratisch legitimiert noch demokratisch rechenschaftspflichtig sind. Die destruktiven ökologischen, sozialen und psychischen Folgen dieser Form der Elitenherr­schaft bedrohen immer mehr unsere Gesellschaft und unsere Lebensgrundlagen.

Nach fast 50 Jahren neoliberaler Elitendemokratien werden die sozialen und ökologischen Zerstörungen, die mit diesen Ideologien einhergehen, der Bevölkerung zunehmend bewusst. Dazu gehören die Zerstörungen mühsam errungener demokratischer Substanz; die Zerstörung ebenso mühsam errungener sozialstaatlicher Strukturen mit allen Folgen wie soziale Ungleichheit, prekäre und unsichere Arbeitsverhältnisse, wachsende Kinderarmut, Angst vor Altersarmut; die alle politischen und ökonomischen Führungsebenen kennzeichnende Kultur der organisierten Verantwortungslosigkeit; das wachsende Ausmaß von institutionalisierter Korruption; die in einem stetigen Strom von Einzelbeispielen sichtbar werdende „Elitenverwahrlosung“ (Gabor Steingart), um nur einige Beispiel zu nennen. All dies führt dazu, dass die Bevölkerung zunehmend die Diskrepanz zwischen Ideologie und Realität erkennt. Die politische Realität ist eine Gesellschaftsordnung, die vorgibt, demokratisch zu sein, deren Volksvertreter jedoch Entscheidungen treffen, die den Interessen der Mehrheit der Bevölkerung massiv zuwider laufen – und dies alles mit Verweis auf die Alternativlosigkeit angeblicher Naturkräfte eines globalisierten Marktes. Von echter demokratischer Partizipation ausgeschlossen, wachsen in der Bevölkerung zwangsläufig Enttäuschung und Empörung. Da jedoch die Empörung und das Veränderungsbedürfnis keine Adressaten mehr in den tatsächlichen Zentren politischer und ökonomischer Macht haben, reagieren viele Menschen mit politischer Resignation und Apathie oder wenden sich rechtspopulistischen Strömungen zu.

Angesicht dieser Entwicklung ist es umso wichtiger aufzuzeigen, dass auch in komplexen global vernetzten Gesellschaften die Leitidee einer demokratischen Gesellschaftsorganisation ihre zivilisatorische Attraktivität nicht verloren hat. Darum geht es in „Warum Schweigen der Lämmer“. Dabei wird aufgezeigt, dass nur demokratische Prozeduren in der Lage sind, zivilisatorische Schutzbalken gegen die Macht des Stärkeren zu errichten und Macht- und Gewaltverhältnisse wirksam einzuhegen. Die Leitidee der Demokratie resultiert also vor allem aus der Hoffnung, auf diese Weise den inneren und äußeren Frieden zu sichern. Nur wenn wir uns wieder an diese zivilisatorische Funktion von Demokratie erinnern und wenn wir die strukturellen und psychologischen Mechanismen der Demokratieverhinderung und des Demokratiemanagements besser verstehen, haben wir eine Chance, die gegenwärtige Phase einer radikalen Gegenaufklärung zu überwinden und wirksamen Widerstand zu leisten gegen den Abbau wichtiger zivilisatorischer Errungenschaften, die in langen und mühsamen kollektiven Kämpfen gewonnen wurden.

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