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Happy Chanukka!

Bei Neumond sind die Nächte dunkel, und im Winter sind die Nächte lang. Passenderweise hat die jüdische Tradition um den Neumond zu Winteranfang herum ein Lichterfest eingeführt: Chanukka = „Einweihung“. Rolf Verleger, ehemaliges Mitglied des Zentralrats der Juden und Autor des Buches „Hundert Jahre Heimatland“, erinnert am letzten Tag des Chanukka-Festes und wenige Tage vor Weihnachten an die ursprüngliche Bedeutung des Lichterfestes.

 An acht aufeinanderfolgenden Abenden werden Kerzen angezündet, am ersten Tag eine, am zweiten Tag zwei, und so fort, bis es am achten Tag acht Kerzen sind. 2017 sind das der 12. bis 20. Dezember. Fast hätte man es andersherum gemacht, am ersten Tag acht, am zweiten Tag sieben, und so fort, bis es am achten Tag nur noch eine Kerze ist. Dies empfahl vor zweitausend Jahren im römischen Judäa das Lehrhaus von Schamai – mit gutem Grund, entsprechend einem bei Opfergaben von der Torah berichteten Brauch. Das konkurrierende Lehrhaus des Hillel setzte diesem formal korrekten Argument ein eigenes gestalterisches Prinzip entgegen: „Steigern muss man bei Heiligem, nicht reduzieren“ (Talmud-Traktat vom Schabbat, Blatt 21b), und so wurde es Dann gemacht. Wenn man annimmt, dass der Brauch der Adventskerzen dem jüdischen Chanukka nachempfunden wurde, dann haben es also die Deutschen dem jüdischen Lehrmeister Hillel zu verdanken, dass sie „erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier“ Adventskerzen anzünden.

Die Lichter zum Chanukka-Fest sollen mehr sein als nur Lichter. Sie sollen etwas symbolisieren. Sie sollen erinnern an Ereignisse während der Revolte der Juden gegen die Seleukiden, Nachfolger Alexander des Großen. Diese wollten die griechische Kultur und Religion verbreiten und drängten die einheimischen Sitten zurück. Juda Makkabi führte den Aufstand und siegte 164 vor Christus. Es entstand aufs Neue ein unabhängiger jüdischer Staat, unter der Führung des Clans des Makkabi, der Hasmonäer.

Lehrreich für das Spannungsverhältnis von Religion und Staat in der jüdischen Tradition ist, dass dieses Ereignis mit diesen Kerzen gefeiert wird statt mit einer Militärparade, und wie fern von kriegerischen Erfolgen die Begründung für diese Kerzen ist: Es habe sich nämlich nach dem Sieg über die Fremdgläubigen nur ein kleines Kännchen reines Olivenöl gefunden, um das Licht im Tempel wieder zu entzünden. Dieses Quäntchen habe dann wunderbarerweise acht Tage lang gereicht, bis neues Öl zubereitet werden konnte.

Und um noch klarer zu machen, was von den kriegerischen Mitteln und Erfolgen der Makkabäer zu halten sei, ordneten die jüdischen Weisen an, dass das Prophetenwort zum Schabbat, der auf Chanukka fällt, ein Abschnitt aus Secharja („Zacharias“) sein solle. Dieser Abschnitt kulminiert in dem Satz „‚nicht mit Gewalt und nicht mit Stärke, sondern mit meinem Geiste‘ spricht der Herr der Heere“ (Secharja 4,6). Als ich an Chanukka Bar-Mizwah wurde, las ich diesen Abschnitt in der Synagoge vor und habe ihn mir für mein Leben gut gemerkt.

Die jüdischen Weisen hatten guten Grund zu dieser Skepsis. Kaum an der Macht, übernahmen die Hasmonäer die bekämpfte griechische Lebensart, brachten sich in Intrigen um die Erbfolge gegenseitig um, führten bewaffnete Auseinandersetzungen gegeneinander und ermöglichten es so im Jahre 63 vor Jesus dem Römischen Reich, Jerusalem zu erobern und sich „Judäa“ als Provinz einzuverleiben. Dies war das Ende eines selbstständigen jüdischen Staats.

Eli’eser Ben-Jehuda aus Weißrussland im Zarenreich hatte 1879 mit 21 Jahren in einem glühend nationalistischen Artikel dargelegt, dass ein Volk Israel im Lande Israel mithilfe der hebräischen Sprache wiederauferstehen werde. Folgerichtig landete er 1881 per Schiff mit seiner frisch angetrauten Ehefrau in Jaffa, lebte in Jerusalem, sprach von Stund an nur noch Hebräisch – immerhin die gemeinsame Sprache der dort aus aller Herren Länder zusammengekommenen religiösen jüdischen Kolonie von circa 12000 Menschen – und dachte sich fast im Alleingang für die von ihm gegründete hebräische Zeitung haZwi („Der Hirsch“) neue Wörter aus. Unter anderen Umständen wäre Ben-Jehuda ein Sonderling geblieben, aber so wie sich die Dinge entwickelten, bekam er einen Resonanzboden aus Gleichgesinnten und wurde zum erfolgreichen Modernisierer des biblischen Hebräisch in eine Alltagssprache. Wie sehr seine „Volk-Israel“-Ideologie vom traditionellen Judentum abwich, trat exemplarisch Ende 1893 zutage, als er einen Artikel seines Schwiegervaters zum Chanukka-Fest veröffentlichte. Dieser legte den Schwerpunkt auf die als heldenhaft empfundenen kriegerischen Aktivitäten des Makkabäer-Clans und rief die Juden heutiger Zeit auf, es den Makkabäern gleichzutun. Unter dem Einfluss des Zionismus ist dies heutzutage die Standardinterpretation des Chanukka-Fests geworden. Die über diese Umdeutung erzürnte Jerusalemer alt-orthodoxe jüdische Gemeinde erstattete Anzeige beim osmanischen Stadtvorsteher wegen Vorbereitung einer Rebellion; dieser ließ Ben-Jehuda in Arrest nehmen, und es folgten selbstverständlich heftige Polemiken zwischen Zionisten und Orthodoxie. Dies trieb im Zarenreich weiter die Trennung der beiden Lager voran, die bisher in den ersten zionistischen Zirkeln der Chibát-Zion (Zionsliebe) eine gemeinsame Organisation gehabt hatten.

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