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Nach Sylt-Gesängen: Klare Kante gegen reiche Rechte

Nach den Sylt-Gesängen regt sich überall Widerstand gegen die Normalisierung des Rechtsrutsches.

Empörung, Entsetzen und tiefe Scham überall, das waren die ersten Reaktionen auf die unsäglichen und ekligen Sylt-Videos. Die kurzen Filmschnipsel markieren einen nationalen Schockmoment, der vielen die Augen geöffnet hat. Selbst viele, die sich zuvor schon klar darüber waren, dass der Rechtsextremismus immer weiter anwächst, schon lange bis in die Mitte eingesickert ist und die führende in Teilen rechtsextreme Partei AfD sogar bei Wahlen antritt, fühlen sich durch die erneuten rechten Ausfälle aufgeschreckt.  

Erste Zählungen der Vorfälle sind gestartet.

Eine breite öffentliche Debatte hatte es zuvor schon häufiger gegeben. Diesmal aber wird darauf offenbar ein echter Aufstand der Mitte. Die Bundestagsvizepräsidentin hat für die höchstmöglichsten harten Strafen plädiert,  Leibwachen der Rechtsstaates wie Correctiv und der Volksverpetzer führen Meldeportale, das Magazin "Der Spiegel" berichtet in einem Liveticker von neuen Vorfällen mit "verbotenen Liedern", die nun offenbar eigens gedeckt bei privaten Feiern gesungen werden, um dem strafrechtlichen Vorwurf des "öffentlichen Zeigens" von volksverhetzenden Symbolen und Parolen und damit langen Haftstrafen zu entgehen.

Die Öffentlichkeit ist aufgeschreckt wie schon seit Januar nicht mehr. Die sektseligen Schnöselpaschas haben der Regenbogennation einen Spiegel vorgehalten, der von  Aperol Spritz angetriebene Aufstand der Reichbürger so kurz vor der Heimat-EM im Fußball lässt für das geplante Sommermärchen Schlimmes erwarten. 

Welches Bild wird Deutschland wohl in die Welt senden, nachdem die Partyszene so deutlich signalisiert bekommen hat, was gesungen werden muss, um die Mehrheitsgesellschaft zu provozieren und die Regierung in Erklärungsnöte zu bringen? 

Doch wo die Bedrohung wächst, wächst das Rettende auch. Überall auf Straßen und Plätzen herrscht in diesen Tagen dichtes Gedränge bei kurzfristige angesetzten und spontanen Demonstrationen für Toleranz und gegen den Rechtsextremismus Sylter Prägung. Beinahe überall kommen viel mehr Menschen, als von Veranstaltern erwartet worden war. Kein Zweifel: Das Thema "reiche Rechte" spaltet nicht nur, es zieht auch viel mehr als die Remigrationsplanungen der Wannsee-Gruppe Anfang des Jahres. 

Von Nord bis Süd und West bis Ost

Vom hohen Norden bis in den tiefen Süden, ganz im Westen oder tief im Osten: In zahlreichen deutschen Städten gehen Menschen für Demokratie und gegen Ausgrenzung, Rechtsextremismus und Luxustourismus auf die Straßen. Vielerorts kommen deutlich mehr Teilnehmende und Teilnehmerer als angemeldet. Demonstrationsareale mussten erweitert und Routen teils an den Stadtrand verlegt werden. 

Die Polizei nennt noch keine Zahlen, geht aber der größten Protestbewegung seit der Wiedervereinigung aus. Weder die Protestwelle gegen rechtsradikale Brandanschläge in den 90ern noch die monatelangen Montagsdemos gegen Schröders "Agenda 2010" oder der Widerstand gegen Deutschlands Beteiligung am Irak-Krieg mobilisierten ähnlich viele Bürgerinnen und Bürger.

Spitzenpolitiker zeigen sich in ersten Reaktionen begeistert davon, wie gut die demokratischen Reflexe immer noch funktionieren. Als "gelebter Verfassungsschutz", der "gemeinsam gegen Menschenfeinde" aufstehe, wurden die Demonstrationszüge gelobt, die sich bundesweit und oft über Stunden durch die Städte schlängelten. Unter dem Motto "Demokratie verteidigen -  gegen AfD und Rechtsruck" hatten überall breite Bündnisse aus Zivilgesellschaft, den demokratischen Parteien, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen dazu aufgerufen, den Menschenfeinden von Sylt zu zeigen, dass auf dem Festland andere, demokratische Regeln gelten.

Ein Zeichen gesetzt

Singverbote für den missbrauchten Nazi-Schlager und die postwendende Bestrafung der Täter*innen tun ein übriges an politischer Hygiene, um die gesellschaftliche Stimmung zu entspannen und Nachahmern zu zeigen: So nicht! Deutschland ist ein tolerantes Land, das viel erduldet und für eine ganze Reihe von Ansichten ein weitgefächertes Spektrum an Meinungsfreiheit bereithält.

Doch irgendwo ist Schluss, bei nationalistischen und rassistischen Parolen endet die Toleranz. Es ist diesmal nicht nur einfach ein weiteres Zeichen, das gesetzt wird. Die Demonstrationszüge unter aufrüttelnden Überschriften wie "Alle zusammen gegen Faschismus", "Keine Handbreit dem Sylter Hopfen" und "Singverbot für braune Brut" knüpfen vielmehr unübersehbar an bei jenem "Nie wieder ist jetzt" vom Jahresanfang, als die Zivilgesellschaft zuletzt klare Kante gegen alle gezeigt hatte, die versuchen, das Gemeinwesen mit den Werten von gestern zu spalten.



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