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Das Ohne-Spitzenkandidat-Prinzip: Die Wahl, die keine ist

Ehrliche Haut: Ursula von der Leyen versucht diesmal nicht einmal mehr, sich als wählbare Spitzenkandidatin auf dem Wahlzettel bei den Bürgern anzubiedern.

Mit dem kleinen, großen Martin Schulz feierte das Spitzenkandidaten-Prinzip der EU ein fröhliches Fest der Demokratie. Endlich wurde Europas Verwaltung bürgernah, es gab Politbürokraten auf offener Bühne zu erleben, wie sie ihre angelernten Rollen spielten und versuchten, aufgeschminktes Bürgermeister-Charisma in einen Karriereturbo zu verwandeln. Die Idee der europäischen  Staatenlenker, aus dem Zettelfalten bei der störrisch als "Europa-Wahl" bezeichneten Abstimmung des kleineren Teils Europas über die Männer und Frauen, die ihr Auskommen in Straßburg und Brüssel finden sollen, hatte sich ausgezahlt.

Akzeptiert werden nur echte Spitzenkandidaten

Schulz verlor, doch die Gemeinschaft gewann, und nicht nur einmal. Nachdem das Europäische Parlament ein für allemal und kategorisch klargestellt hatte, dass es nur Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten akzeptieren werde, "die als Spitzenkandidaten ihrer Parteien in den Europawahlkampf gezogen sind", war der siegreiche Deutsche Manfred Weber schon beinahe Chef in Brüssel. Erst in einer nächtlichen Notoperation, bei der Angela Merkel und Emmanuel Macron die Wertegemeinschaft durch einen kühnen Schnitt quer durchs Personaltableau retten mussten, beförderte der Christdemokraten zurück ins Glied. 

Ursula von der Leyen übernahm. Das EU-Parlament knickte ein. Im Sinne der Sache sollte es nun so sein. Und so wird es nun auch bleiben: Um sich eine zweite Amtszeit zu sichern, von der Leyen ist erst 67 Jahre alt, hat sich die Kommissionspräsidentin zwar den Titel "Spitzenkandidatin" verleihen lassen. Doch sie wird auf keinem Wahlzettel stehen und nirgendwo kandidieren, nicht in Deutschland und auch nicht in einem anderen Mitgliedsstaat, etwa an ihrem Wohnort in Brüssel. Die Frau aus altem hannoverschem Demokratieadel ist damit die erste europäische Politikerin, die sich um ein Amt bewirbt, ohne sich um das Amt zu bewerben. Und die den Ausgang einer Wahl, bei der sie sich den Wählern gezielt nicht stellt, als Vertrauensbeweis der Menschen in ihre bisherige Arbeit anführen wird.   

Therapie gegen Entfremdung

Überall dort, wo das "Spitzenkandidatenprinzip" vor fünf Jahren noch als Therapie gegen die Entfremdung zwischen dem um sich selbst reisenden Raumschiff Brüssel und den von immer neuen Richtlinien geknechteten EU-Europäern galt, taucht nun das Adjektiv "umstritten" als Beschreibung des wahren Charakters der Methode mit den Spitzenkandidaten als Gesicht der Wahlkampagne ihrer Parteien auf. Letztlich sei das Ganze nur eine spleenige "deutsche Idee" (Tagesschau) gewesen, ein Firlefanz, der wegkann, weil die künftige Kommissionspräsidentin eben gar nicht zur Wahl stehen muss, um wie immer im Hinterzimmer gewählt zu werden.

Das war schon immer so, das wurde nur einigermaßen umsichtig bemäntelt durch einen langwierigen Verhandlungsprozess innerhalb der Runde der 27 EU-Staatschefs, an dessen Ende sich die bedeutsameren Mitgliedsstaaten auf ein Paket einigten: Du bekommt den Posten für deinen Mann, ich bekomme diesen für meinen. Das EU-Parlament, das den Entscheidungsprozess deutlich weniger beeinflusst als ein Blinkerhebel im Auto die Stellung der Kurvenlage, kassierte sein Akzeptanzultimatum stillschweigend ein und stimmte zu.

Für Ursula von der Leyen ein klares Signal, dass niemand mehr auch nur so tun muss, als ob. Das neue Ohne-Spitzenkandidat-Prinzip sieht nur noch vor, dass sie den Titel honoris causa trägt, ohne zu sein, was der Name sagt. Der Spitzenplatz auf der Kandidatenliste ihrer CDU bleibt ja nicht leer, sie steht dort trotzdem, nur nicht wirklich, sie kandidiert, ohne zu kandidieren, bei einer Wahl, bei der sie niemand wählen kann. Das ist ohne Zweifel ein bedeutsamer Fortschritt beim Ausbau der Bürgernähe der Union.



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