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Verdachtsfall "Spiegel": Im Streit um das D-Wort

Beleg des sorglosen Umgangs mit Nazi-Parolen: Bis heute wird das D-Wort bedenkenlos verbreitet.

Es waren diese beiden Punkte, die die Brisanz des TV-Duells des thüringischen CDU-Chefs Mario Voigt mit dem AfD-Rechtsaußen Björn Höcke ausmachten. Einmal natürlich der Streit um die Hackepeter-Frage: Mett oder Gehacktes? Dann aber vor allem auch der Zwist über das D-Wort: Nicht einmal  Höcke bestritt, es in einem strafbaren Zusammenhang verwendet zu haben.  

Doch als Kronzeugen für seine Unkenntnis führte der frühere Geschichtslehrer ausgerechnet das Staatsunternehmen Deutsche Telekom an. Der Nachfolger der Bundespost habe die verbo­tene Parole "Alles für D-Wort" als Werbe­spruch verwendet, behauptete Höcke - wenig später musste er zurückrudern, denn tatsächlich hatte die Telekom nicht das strafbare Motto der SA verwendet, sondern nur den Spruch "Jedem das Seine", der im Dritten Reich neue Häftlinge am Tor des KZs Buchenwald begrüßte.

Berufung auf das alte Preußen

Die zynische Verhöhnung der Häftlinge unter Zuhilfenahme einer Sentenz des römischen Philosophen Cato der Ältere, die im lateinischen Original "suum cuique" bis heute als Leitspruch der Feldjäger der Bundeswehr dient. Verboten ist das nicht, nachdem bereits die vorletzte gescheiterte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht nach einer eingehenden Überprüfung der geschmacklosen Tradition "auf dem Prüfstand" ein "wertegebundenes Identitässymbol" mit Bezügen zum alten Preußen entdeckt hatte, das die Alliierten mit dem Kontrollratsgesetz Nr. 46 vom 25. Februar 1947 aufgelöst hatten, weil es "seit jeher Träger des Militarismus und der Reaktion in Deutschland" gewesen sei. 

Die latinisierte Preußenverehrung aber kann wegen des allgemeinen Verfalls von Bildung und Fremdsprachenvielfalt ohnehin kaum noch jemand übersetzen. Anders sieht es mit Höckes "Alles für D-Wort" aus, das auch in der lateinischen Übersetzung keinen Zweifel daran lässt, was es meint: "omnia Germaniae" deutet einerseits auf den bekannten Lastesel des ÖPNV hin, den bekannten "Omnibus", dessen Name sich wörtlich übersetzt "an alle" richtet, weil, jeder mitfahren kann. Andererseits aber steht "omnia" auch für "ganz" und formuliert damit genau den totalitären Anspruch, den Rechtsextreme mit ihrer Ideologie predigen.

Versuche der Re-Integration

Auch im Deutschen kommt eine Verwendung allerdings schon seit vielen Jahren nicht mehr infrage. Zuletzt hatte das ehemalige Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" sich an einer Re-Integration der strafbaren Formel versucht, nach kurzer Zeit aber das Segel gestrichen. Aus "Alles für D-Wort" wurde "Im D-Wort-Tempo", eine rechtssichere Lösung, die den direkten Bruch mit der unheiligen Tradition wagt und bis heute ein deutliches Signal für demokratisches Wertebewusstsein und Verfassungstreue setzt.

Dennoch bleibt der "Spiegel" ein Verdachtsfall. Zwar sind die Spuren des jüngsten Versuchs, den strafbaren Nazi-Spruch zu rehabilitieren, umfassend und vollständig beseitigt worden. Doch im Archiv des Magazins schlummern weitere ernste und akute Fälle, die zeigen, wie sorglos im führendsten Leitmedium der Republik immer wieder mit dem D-Wort umgegangen worden ist. 
 
Mal werden unbesonnen Minister zitiert, deren Rechtsausrichtung wohlbekannt gewesen ist. Oder Stichwortgeber aus dem Ausland müssen herhalten, um den Spruch unterzubringen, über dessen vergifteten Charakter die Redaktion durchaus im Bilde war, wie eine Reportage, quasi unter dem Strang geschrieben, zeigt: "Wilhelm Keitel" heißt es da, der "Chef des Oberkommandos der Wehrmacht" habe "Alles für D-Wort" gerufen, "bevor die Falltür, auf der er steht, entriegelt" wurde.

Einfache Tricks

Schon 2009 hatte der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages die Kombination von "Alles für" und der zweiten Hälfte des deutschen Staatsnamens als eindeutig "strafbares Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen" enttarnt. Zum bekannten N-Wort und dem nach Joschka Fischers Ausfall im hessischen Landesparlament etablierten A-Wort, zuweilen auch als "A-Loch" abgekürzt, kam nun das D-Wort, eine Chiffre, die die ursprünglichen Nutzer*innen nicht kannten und also auch nicht verwenden konnten.
 
Mit solchen einfachen Tricks schaffen es Rechtsextremistende immer wieder, die Behörden in die Irre zu führen. Eben war der Internet-Versandhändler Zalando mit Hilfe der Initiative "Fashion against Fascism" ("Mode gegen Faschismus") des gemeinnützigen Vereins "Laut gegen Nazis" auf eine Verschwörung gestoßen, die die in den Vereinigten Staaten durchaus gebräuchliche Abkürzung "USA" mit "Unser seeliger Adolf" (im Original so) übersetzt. 
 
Der Bundesverfassungsschutz hatte das wie so oft übersehen - wie zuvor schon die Tatsache, dass es sich bei der Abkürzung "AfD" nach Recherchen der zivilgesellschaftlichen Gesellschaft für Wortmissbrauch um einen Code für "Adolfs fanatische Division" handelt.


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