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Unter jedem Stein: Hohn ist der neue Hass

Ein Vierteljahrhundert nach der Ersterwähnung von "Hate Speech" im ehemaligen Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" geht mit Lisa Paus erneut eine entschlossene Ministerin das Problem an.

Erst ging es gegen den Hass, jenes über Äonen legitime Gefühl, das bei unabsehbaren Gelegenheiten tief aus der Menschen Seele stieg wie es auch die Liebe tut, die Furcht, die Fröhlichkeit und die Trauer. Die Delegitimierung dieses einen unter den großen Gefühlen, sie begann wie so oft mit einem neuen Namen für die alte Sache: Hass war nun auf neudeutsch "Hate Speech", für die Älteren und unzureichend Globalisierten an den Empfängern als "Hassrede" übersetzt.  

25 Jahre Hate Speech

"Hate Speech" kam wie von ungefähr über das Land, eine Innovation aus dem Internet, so hieß es, obgleich jenes Internet bis zirka 2010 sehr gut ohne die Vokabel ausgekommen war. Auch der "Spiegel" verzeichnet den Begriff in all den Jahren vor 2005 nur neunmal, die Ersterwähnung datiert aus dem Februar 1999, als sich die Redaktion einen bösartigen Witz leistet, der allen Ernstes heute noch das Wort "Bananenbimbo" enthält.

Im 25. Jahr nach dieser bahnbrechenden Sprachinnovation musste der "Spiegel" 19 Mal über "Hate Speech" Klage führen, und der Fall Bananenbimbo ist noch nicht einmal dabei. Der Hass wächst also und er wuchert zugleich so eilig in die Gesellschaft, dass noch jede Bundesregierung recht bald nach der ersten Kritik an den von ihr getroffenen Entscheidungen umfassende Maßnahmen Gegen Hass und all, die ihn ausüben ausrief. Wer antikommunistische Parolen ausrief, dem kamen die Angestellten der "europaweiten Kampagne des Europarates gegen Hassreden im Netz" (Eigenwerbung) einer unter dem Motto "Laut und freundlich" laufenden EU-weiten Kampagne rasch auf die Spur. 

Meldepflicht gegen Miesmacher

Horst Seehofer, einst Innenminister, erwog eine Meldepflicht für Hass, Heiko Maas, einst Außenminister, setzte der Regellosigkeit im Netz die Überlegung entgegen, die Meinungsfreiheit  mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz soweit einzuschränken, dass Miesmachern und Kritikastern das Handwerk gelegt wird. Hate-Speech-Beauftragter wurde ein anerkannter Beruf, neben dem Bundesblogampelamt (BBAA) im mecklenburgischen Warin schossen Dutzende smarter Startups aus dem Boden, die den Hass als Geschäftsmodell entdeckten. 

Und doch: Je mehr Geld in den Kampf gegen floss, desto virulenter gebärdeten sich die Hasser. Unbeeindruckt wünschten sie anderen den Tod, sie propagierten Selbstjustiz gegen Andersdenkende und verfassten dreist Ratgeber für gesetzeskonformes Hassen.

Das 12. neue Maßnahmepaket

Es war so nun an den beiden im Moment noch zuständigen Ministerinnen Lisa Paus und Nancy Faeser, dem Problem mit einem Doppelschlag den Garaus zu machen. Während die Grüne Paus dabei noch traditionell in alten Denkmustern verharrt und den Hass allein als "allgegenwärtig und eine Bedrohung für die Demokratie" anprangert, ist die sozialdemokratische Innenministerin mit ihren Maßnahmen, "unsere offene Gesellschaft gegen ihre Feinde zu verteidigen" schon ein paar Meter weiter geeilt. Das "neue Maßnahmenpaket gegen Rechtsextremismus" - es ist das zwölfte diesen Namens seit 2001 - zielt nun erstmals nicht nur auf den Hass, sondern auch ausdrücklich auf den Hohn, der als Einstiegsdroge in den Hass gilt.

"Diejenigen, die den Staat verhöhnen, müssen es mit einem starken Staat zu tun bekommen", hat Faeser selbst angekündigt, und seit die hessische Sozialdemokratin das Netzwerkdurchsetzungsgesetz beinahe auch bei Telegram durchgesetzt oder den Messengerdienst geschlossen hätte, werden Verhöhner diese Ansage sehr ernst nehmen müssen. Hohn ist  Der Neue Hass, dazu steht auch der Spott - bekannt aus der Redensart "mit Hohn und Spott" auf der Verdachtsliste des Ministeriums. Die Zeiten, als noch Zeit war, zwischen Verächtlichmachen und Lächerlichmachen, zwischen Hohn und Häme, strafbarer Schmähkritik und freier Meinungsäußerung zu unterscheiden, sie sind vorbei. 

Hass auf den Hohn

Hohn, ausgedrückt durch betonte Blicke von oben herab, Gesten wie zurückgezogene Schultern mit demonstrativ gehobenen Händen oder mimischen Signalen wie einem Grinsen oder einer herausgestreckten Zunge, wird deshalb nicht gleich strafbar. Hohn bleibt, wie Hass auch, vorläufig noch erlaubt, etwa in Goethes "Faust", in dem Mephistopheles verhöhnt die Titelfigur verhöhnt oder in der Bibel, in deren Buch Samuel fortlaufend Hohn gesprochen wird.. 

Unter Aufsicht ist solcher "Mockery Speech" (James J. Fox, Semantic paralelism in Rotinese ritual language, 1971) vorerst weiterhin erlaubt, allerdings behält sich Nancy Faeser vor, "unter jedem Stein" nach denen zu suchen, die diese großzügig gewährte Freiheit missbrauchen. War Hass bisher schon "keine Meinung", so ist es Hohn nun nimmermehr.



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