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Reclam-Feldbibliothek: Leseverbot für Judenbuch

Klare Kante gegen Klemperer! Gesetzt im Ton, aber unmissverständlich in der Sache hat der Reclam-Verlag Aus Dem baden-württembergischen Ditzingen einen Versuch unterbunden, das 1947 erschienene Werk "LTI – Notizbuch eines Philologen", in dem sich der lange Jahre im sächsischen Dresden lebende Literaturwissenschaftler mit der Sprache des Dritten Reichs (lateinisch Lingua Tertii Imperii) beschäftigt hatte, in der Heimatstadt des 1960 verstorbenen konvertierten Juden laut vorzulesen.  

Abtrünniges Umfeld

Geplant hatten das der Honecker-Imitator Uwe Steimle, beteiligt waren aber auch umstrittene Konservative wie der frühere DDR-Bürgerrechtler und spätere Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Arnold Vaatz und die abtrünnige frühere Grüne Antje Hermenau. Gemeinsam mit weiteren Mittätern aus dem Umfeld des Literaturhauses Loschwitz hatten die als "Dresdner Prominente" bezeichneten Akteure geplant, provokativ zum Jahrestag der "Progromnacht" (ZDF logo!) am 9. November quasi öffentlich aus Klemperers Anmerkungen zum Sprachgebrauch in der Diktatur vorzutragen.

 Nicht zuletzt eine rasche Intervention der Bundesworthülsenfabrik (BWHF) in Berlin vermochte das vorbeugend zu verhindern. "Als Bundesunternehmen haben wir uns unserer Verantwortung für unsere historischen Wurzeln, zu denen auch die dunklen Jahre als Recihsworthülsenamt (RWHA) und die Zeit unter dem Namen VEB Geschwätz gehören, sicherlich hinreichend gestellt", heißt es in einer Pressemitteilung der BWHF. Es sei "weder notwendig noch hilfreich, in der derzeitig angespannten Sprachlage unzutreffende und falsche historische Vergleich heraufzubeschwören", indem aus "einem Buch gelesen wird, in dem sich der Autor mit ganz anderen Fragen auseinandergesetzt hat".

Zufriedenstellendes Aufräumen

Der Reclam-Verlag, der in der unseligen Zeit des Nationalsozialismus Widerstand übte, indem er jüdische und der Sozialdemokratie zugeneigte Autoren wie Thomas Mann Ferdinand Lassalle, Heinrich Heine, Stefan Zweig, Arthur Schnitzler und Franz Werfel aus dem Programm strich, bis der Völkischen Beobachter Mit Dem "großen Aufräumen bei Reclam zufrieden" war, bewies mit dem Leseverbot nicht nur erneut Zivilcourage, sondern auch Einfallsreichtum. 

"Da das Werk Victor Klemperers urheberrechtlich geschützt ist, benötigten sie für eine öffentliche Lesung unsere Genehmigung als Rechteinhaber, die wir ihnen weder erteilt haben noch erteilen werden", so der Verlag. Damit nutzen die Erben von Gründervater Anton Philipp Reclam geschickt eine Regelung, die das junge Naziregime erlassen hatte: 1934 wurde Das Deutsche Urheberrecht auf 50 Jahre nach dem Tod des Autors verlängert. Die EU sprang 2011 helfend ein, als die Frist auslief.

Ein klares Zeichen

Dass sich nun ausgerechnet die aus Bayern der Süddeutschen Zeitung einschlägig bekannten "Freien Wähler" in Sachsen mit ihren Schulranzen an der Vorbereitung der Organisation der illegalen Lesung beteiligten, schmerzte in Ditzingen ganz besonders. Der Traditionsverlag setzt damit ein klares Zeichen: Nicht nur was gelesen wird, sondern auch wer liest soll künftig strenger kontrolliert werden, um für das deutsche Ansehen  maximal schädliche provokative Symbolhandlungen durch eine "perfide Inanspruchnahme" (Volksverpetzer) Klemperers zu verhindern. 

Der Reclam-Verlag verfügt diesbezüglich über einige Expertise: Schon in den beiden Weltkriegen unterstützte er die auch heute wieder so wichtige deutsche "Kriegstüchtigkeit" (Boris Pistorius) durch die Herausgabe einer tragbaren Feldbibliothek. Jeweils 100 Reclam-Bücher mit Werken staatlich genehmigter Autoren wurden dazu liebevoll in stoßfeste Kästen verpackt, so dass der Wehrmachtssoldat zwischen zwei auf Befehl vollbrachten Kriegsverbrechen nicht auf Erbauung verzichten musste.



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