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Die Unersättlichen: Groß, größer, EU-Parlament

Als Großbritannien austrat, fielen nur einige der EU-Parlamentssitze des Aussteigerstaates weg. Nun geht die Brüsseler Volksvertretung daran, sich auch die übrigen langsam zurückzuholen.

Das muss jetzt, denn durch die Zuwanderung ist die EU gewachsen. Diesmal nicht durch neue Mitgliedstaaten, die sich mit gefälschten Daten eingeschmuggelt haben. Sondern dadurch, dass die Gemeinschaft weltweit als leuchtendes Vorbild für einen konsequenten Klimakampf, für gerechte Lieferketten und hohe Naturschutzstandards gilt. 

Für das Europaparlament, die weltweit größte jenseits normaler demokratischer Standards gewählte Volksvertretung ohne das Recht, Gesetze zu beschließen,  muss deshalb geradezu zwangsläufig größer werden: Weil heute nicht mehr 446,56 sondern sogar 446,83 Millionen in der Gemeinschaft leben, hat der Ausschuss für konstitutionelle Fragen im Straßburger EU-Parlament mit großer Mehrheit beschlossen, die Zahl der Abgeordnetensitze nach der anstehenden EU-Wahl zu erhöhen.

Mehr Abgeordnete für alle

Um die um 300.000 Menschen gestiegene Zahl der Bürgerinnen und Bürger auszugleichen, sollen zwölf Länder jeweils einen Sitz oder sogar zwei Sitze hinzubekommen. Aus bisher 705 werden dann 720 Abgeordnete - nur ein Jahr nach dem Ausscheiden der 73 britischen EU-Abgeordneten hätte das Parlament sich dann bereits 39 der damals gestrichenen Sitze zurückerobert.

Ein echter Triumph der stillen und nachhaltigen Arbeit des geheimnisumwitterten "Ausschusses für konstitutionelle Fragen", der einst die große Europäische Verfassung ausgearbeitet hatte, die dann von den Mitgliedsstaaten verworfen wurde. Seitdem hat sich der Ausschuss ersatzhalber um die Umsetzung des Lissabon-Vertrages gekümmert, die "Europäischen Bürgerinitiative" (EU) mitbegründet, die es "Bürgerinnen und Bürgern seit 2012 ermöglicht, sich aktiv in das politische Leben der EU einzubringen" (SPD) und sich um die Vorbereitung vieler Regierungskonferenzen verdient gemacht.

Meisterleistung der Strippenzieher

Dass das EU-Parlament nun bereits mit der Wahl im Juni 2024 kräftig Zuwachs bekommen soll, war keine kleine Meisterleistung der Frauen und Männer, die unter dem früheren Martin-Schulz-Nachfolger Antonio Tajani beharrlich an einer Rückkehr des EU-Parlaments zur alten Größe von 751 Mitgliedern arbeiten. Nur weil die Gemeinschaft nun viel weniger Einwohner hat, müssen doch die Parlamentarier darunter nicht leiden!

Finanziell etwa hatte der Brexit mit dem Ausscheiden Großbritannien ja auch kaum Folgen. Zwar fiel mit den Briten nicht nur ein Nettozahler aus, der die Gemeinschaftskasse regelmäßig mit Milliardenbeträgen gepolstert hatte, sondern auch ein Empfängerland, das Jahr für Jahr etwa 6,8 Milliarden aus Brüssel zurücküberwiesen bekam. Doch als die Briten die Tür hinter sich zugeschlagen hatten, wurde der EU-Etat nicht etwa um die britischen Einzahlungen minus die Auszahlungen an Großbritannien gekürzt. Sondern gar nicht. Mit Zehn Prozent weniger Bürgern wird seitdem genauso viel Geld verbraucht wie zuvor mit zehn Prozent mehr. Kein Problem, denn ein neuer Sponsor sprang für die fehlenden zehn Milliarden ein. 

Neue Arbeitsplätze schaffen

Warum also soll das Parlament nicht mehr Arbeitsplätze schaffen, nur weil weniger Wähler da sind? Offiziell waren die von den 73 Sitzen Großbritanniens verbliebenen 46 offenen Sitze zwar "für künftige EU-Erweiterungen in Reserve gestellt" worden. Doch da diese Erweiterungen weiter auf sich warten lassen, hatte sich das EU-Parlament im Juni selbst vorgeschlagen, die Zahl der Abgeordneten für die Legislaturperiode von 2024 bis 2029 um elf auf 716 Sitze zu erhöhen, um "dem demografischen Wandel in den Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen" (EU-Parlament). 

Bei elf blieb es dann nicht, weil Frankreich, Belgien und Polen anfangs ebenso wie Deutschland keinen zusätzlichen Sitz abbekommen sollten und deshalb - im Unterschied zu Deutschland - eine Zustimmung verweigerten. Am Ende steht deshalb nun ein glücklicher und durch und durch europäischer Kompromiss: Es gibt einfach nicht elf, sondern 15 zusätzliche Abgeordnete. Zwei darf Frankreich schicken, je einen Spanien und die Niederlande, bedacht werden auch Österreich, Dänemark, Belgien, Polen, Finnland, die Slowakei, Irland, Slowenien und Lettland.

Ein dreister Streich der Unersättlichen

Deutschland stellt mit 96 weiterhin die meisten Abgeordneten. Jeder Von Ihnen vertritt gleich stolze 875.000 Einwohner, immerhin 25.000 mehr als die Kollegen aus Frankreich. Luxemburg, Malta und Zypern dagegen haben auch nach der Erhöhung der Zahl der Sitze zusammen nur zwölf Abgeordnete in Brüssel und Straßburg, die jeweils 166.000 Bürger vertreten müssen - fünfmal weniger als die deutschen Kolleginnen und Kollegen.

Aber auch das ist eine ganze Menge, verglichen mit den 15 neuen Abgeordneten. Die können sich dagegen in Ruhe einarbeiten, denn der dreiste Streich der Unersättlichen in Brüssel eilt der als Begründung angeführten "demografischen Entwicklung" weit, weit voraus: Jeder von ihnen weiß rein rechnerisch 20.000 Wählerinnen und Wähler hinter sich. 43 Mal weniger als jeder deutsche EU-Parlamentarier zu vertreten hat.




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