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Žižeks Autobahn-Moment: Der Palästinenserversteher

Žižeks Autobahn-Moment: Der Palästinenserversteher

 

Niemand hat mehr für die Palästinenser getan als er. Sagt er. Aber auch für die Juden hat der slowenische Philosoph Slavoj Žižek selbstverständlich ein Herz. Aber. Aber. Aber. Man kann nicht für beide Seiten kämpfen, sagt Žižek. Aber. Aber. Aber. 

Der angesagte Modedenker

Der angesagte Modedenker des Linkspopulismus markentendert seit Jahren als einer Art globaler Richard David Precht mit Weisheiten wie "keine ethnische Säuberung ohne Poesie" oder den guten Rat, nicht Menschen zu verändern, weil das nicht möglich ist. Sondern stattdessen das System, "sodass Menschen nicht dazu gedrängt werden, bestimmte Dinge zu tun."  

Für Žižek, der dem Kommunismus offiziell 1988 durch seinen Austritt aus der Kommunistischen Partei adieu sagte, ist jede Untätigkeit, jeder Mangel an aktivem Eingreifen, eine Art, die vorherrschenden Umstände zu akzeptieren. Der 74-Jährige aber glaubt nach wie vor, dass allein seine Ablehnung dessen, was er Konsumismus nennt, der "Ungerechtigkeit der Wirtschaft" ein Ende machen kann. 

Fan des linken Dogmatismus

So ein Philosoph, vor Unzeiten ein großer Fan der linksdogmatischen griechischen Syriza-Partei, lehnt Autoritäten ab, sieht sich aber selbst als eine, auf die zu hören ist: Wenn das Volk nicht will, muss es gelenkt und geleitet werden. 

Wie der deutsche Staatsdenker Precht, der mit windigen Sprüchen über soziale Romantik, die Boshaftigkeit der Marktwirtschaft und einen freien, aber kollektiv zu lesenden Willen zum Liebling der Feuilletons, der Parteizentralen und Europa-Avantgardisten wurde, avancierte auch Žižek mit seinen Klagen über den Irrsinn einer Welt, "in der Rechtspopulisten den Sozialstaat verteidigen und die radikale Linke Sparmaßnahmen ausführt" zu einem Maskottchen von Gemeinsinnfunk und bionadepredigenden Schreibtischtätern.

Gut belohnt im verhassten System

Ja, man kann mit einer gutdotierten Professur und gutbelohnten Lesereisen Teil des Systems sein, das man ablehnt. Man muss keine konkrete Vorstellung davon aufmachen, wie es besser gehen würde. Man muss nur klagen, dass es so nicht weitergehen kann. Dieses Gebet hat der Slowene immer wieder wiederholt, mal in diesem Kontext und mal in jenem. 

Ein Leben von den Skrupeln der anderen im gleichen Milieu, die ihn liebten, weil er wie sie war: Mit mehr als einer Moral ausgestattet. Ein progressiver Kämpfer für das Gute, der trotzdem keine Veranlassung sah, wie Che in den Dschungel zu gehen, um für seine gerechte Sache zu sterben. 

Gefecht auf der Buchmesse

Stattdessen ging es jetzt zur Buchmesse, wider den Stachel löcken, originelle Sätze sprechen, die Welt in zehn Minuten von den Füßen auf den Kopf stellen, das Übliche. Dass Slavoj Žižek seine Art Klartext sprechen würde, war sicher, dass kaum jemand in der Lage sein wird, ihm zu folgen, ebenso. Doch dass er den Beweis dann am Beispiel des Nahost-Konfliktes antrat, hatte Folgen: Demonstrativ empört, entsetzt und auf ihren guten Ruf bedacht verließen Mitglieder der hessischen Landesregierung und des Magistrats in Frankfurt den Saal und es gab "Tumulte" (Taz) wie sonst nur in der Berliner Sonnenallee.

Ein "Eklat" (FAZ), an dem die ordentliche Öffentlichkeit zu kauen hat. Dass Žižek im Stil der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender in Deutschland mehrfach deutlich gemacht hatte, dass das Handeln der Terrororganisation Hamas für ihn  auf einer Stufe stehe mit dem Handeln des Staates Israel, überschreite eine Grenze. Und wer wie Žižek behaupte, es gebe ein "Analyseverbot" zu den Ursachen des Nahost-Konfliktes und verweigere die Erkenntnis, "warum die europäische Rechte Israel unterstützt". 

Abgewürzt mit Heydrich

Zur Würze ein Heydrich-Zitat. Und schon hat sich die große Frage, warum es islamischen Gesellschaften im arabischen Raum, die Allah vergessen hat, mit einem Überreichtum an klimaschädlichen Fossilen auszustatten, partout nicht gelingen will, nach demokratischen Prinzipien funktionierende Gemeinwesen aufzubauen, in die Frage verwandelt, wie schuld Israel ist, wie kolonialistisch, fremdenfeindlich und faschistisch. Eigentlich eine echte Žižek-Volte, an deren Ende in der Regel die Erkenntnis steht, dass es im Kapitalismus immer so kommt, so dass sich auch das nächste Buch recht konsumistisch auf dem Markt behaupten kann.

Diesmal aber lag der Denker einen halben Ton daneben. Wie schon Precht einige Tage vor ihm war auch Slavoj Žižek beim Schwatzen, Schwurbeln und Anklagen der Mehrheitsgesellschaft unversehens auf vermintes Terrain (Jüdische Allgemeine) geraten. Ein klassischer Autobahn-Moment, 15 Jahre nach Eva Hermans legendärem Fernsehauftritt bei Kerner, der die Moderatorin aus der Mitte der Gesellschaft schleuderte und sie 2018 veranlasste, sich einer Erklärung anzuschließen,  in der eine Wiederherstellung der "rechtsstaatlichen Ordnung an den Grenzen unseres Landes" gefordert wurde. 

Traurige Schicksale 

Das ist, wofür nun alle sind, von der Innenministerin über den Kanzler bis zur Spitze der Grünen. Auch Žižeks trauriges Schicksal könnte es sein, eines fernen Tages Recht behalten zu haben, nicht nur mit seiner Forderung nach einer Linken, die aufhören müsse, dem  Kapitalismus alten Schlages in seinen wiederkehrenden schweren Wirtschaftskrise bei der Selbsterneuerung des System zu helfen, sondern auch mit seiner Vorhersage, dass nur der noch eine Seele habe, der "für beide Seite gleichzeitig kämpft". Der Islamismus, das ist bei Žižek zu lernen, ist  zwar eine totalitäre Ideologie ist. Aber keine schlimmere als Zionismus oder Kapitalismus.



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