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Ein Herz für Merz: Siegeszug der Zahnfee

Als "Zahnarzt-Spike" bezeichnen erste Analysten den steilen Zustimmungszacken, den die Union unmittelbar nach Friedrich Merz' Auftritt als asylfeindliche Zahnfee von den Meinungsforschern gemalt bekam.

Laut und deutlich hatten sie ihn gewarnt. Auch wenn Friedrich Merz die CDU weiter radikalisiere, würden die Leute am Ende lieber das Original wählen. Niemand brauche neben der AfD, der CSU, den Freien Wählern und der FDP noch eine weitere gemäßigte Nazi-Partei, hatten Wissenschaftler und Meinungsforscher ermittelt. In der Mitte der Gesellschaft, die vom Putz an der Brandmauer nach rechts bis ins Lager des palästinensischen Widerstandes in den weitgereisten Bionadevierteln der lastenfahrradgeneigten Elektroautohaushalten reicht, gebe es gar kein Publikum für eine Christliche Union, die stumpfe Parolen von Grenzschutz, Abschottung und einer Rückkehr zur Leistungsgesellschaft dresche.

Abwarten oder Opposition spielen?

Im Konrad-Adenauer-Haus aber war die Verzweiflung groß. Beinahe schon zwei Jahre im Amt des Parteivorsitzenden hatte Friedrich Merz absolviert, ohne Dass er auch nur seine eigene Partei von seinen Qualitäten hatte überzeugen können. So schnell die Euphorie über die Fortschrittskoalition aus SPD, Grünen und FDP im Land schwand, so wenig flogen dem technokratischen Verwaltungsbeamten an der Spitze der zuletzt verstorbenen Volkspartei die Herzen zu. 

Merz hätte gern gewollt, aber ihm fehlte die Traute, denn er wusste nicht was. Abwarten oder Opposition spielen? Hin und wieder preschte er vor, sobald aber die unüberschaubar große Gemeinde der Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokraten in der CDU empört zischte, verstummte der Mann, der sein Ziel, eines Tages ins Kanzleramt einzuziehen, auch in den dunklen Stunden im außerparlamentarischen Betrieb nie aus den Augen verloren hatte.

Warten auf den richtigen Moment

Friedrich Merz wartete auf den richtigen Moment, er versteckte sich im den Rockschößen seiner Partei und lauerte auf den Augenblick, in dem nicht nur den regierenden Parteien, sondern auch dem letzten  vertrauensseligen Bionadebürger in seiner Wohlstandshochburg in Hamburg, Köln und Potsdam klar werden würde, dass es nicht nur so aussah, als hätten SPD, Grüne und FDP keinen Plan. Merz, in der Zeitenwende des Zusammenbruchs des Sozialismus schon ein junger  EU-Abgeordneter mit einem ganzen Strauß von Marshallplänenstäben im Tornister, weiß von damals noch, dass das Leben den bestraft, der zu früh kommt. 

Obwohl die Schwefelpartei also alle Sympathien der Enttäuschten, Erzürnten und Verängstigten anzuziehen schien, blieb er ruhig, kalt bis ins Herz wie damals bei Blackrock. Zu zögern mag das Vaterland  einiges kosten, Arbeitsplätze, Unternehmen, Geld und Steuerzahler. Doch sich zu rasch aus der Deckung zu begeben, würde heißen, die Festung noch mühevoll und mit einigem Risiko erobern zu müssen, die einem ohnehin in den Schoss fallen wird, behält man nur die Nerven.

Rechter Rand bis in die Mitte

Dass Friedrich Merz damit nicht nur seine Partei ruinierte, sondern auch Tür und Tor öffnete für ein Viertes Reich, das deutschlandweit ständig kurz vor der Errichtung steht, hat ihm viel Kritik eingebracht. Sein Kurs, die SPD zu stützen, um ihr zu schaden, indem er allen demonstrierte, dass er auf dem Kanzlerstuhl keinesfalls besser aussehen würde als Olaf Scholz, führte dazu, dass der rechte Rand bis mitten in die Mitte wuchs. Jeder, der nicht mit beiden Beinen fest hinter der Regierung stand, gehörte dazu.

Jeder Dritte im Osten und jeder Fünfte im Westen wandte sich ab von den Parteien, die dieses Land doch aufgebaut haben. Und diesmal weigerten sich die Abtrünnigen sogar, stattdessen die frühere DDR-Staatspartei zu wählen, um dem demokratischen  Block zu signalisieren, dass womöglich noch in allen Studios des Staatsfernsehens helle Begeisterung über das Amtieren der Ampel herrscht. Außerhalb der Elfenbeintürme von Gebührenfunk und privatkapitalistischen Medienheuschrecken aber vielen ein Ende mit Schrecken inzwischen schon vielmals lieber ist als dieser Schrecken ohne Ende.

Eine angedeutete Rechte

Friedrich Merz hat dann kurz einen gucken lassen. Eine angedeutete Rechte, die nicht besonders platziert geschlagen wurde und niemanden auf die Bretter legte. Doch nach seiner zarten Anklage über abgelehnte Asylbewerber, die beim Arzt säßen "und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine" gab es natürlich den Chor, der "erbärmlichen Populismus" beklagte und die Faktenfinder, die das Ganze als zwar nicht falsch, aber "faktisch so nicht zu halten" enttarnten - eine Formulierung, die standfest ist wie ein einbeiniger Stuhl. Alles andere aber war anders.

Merz, sonst immer gut für einen Hunderterschlag, ruderte nicht zurück. Und zugleich begannen die Umfragewerte der Merz-Partei plötzlich in nie gekannte Höhen zu klettern: Zwei Prozent mehr, dann noch zwei Prozent. Selbst das gefürchtete "Original", das bis dahin durchmarschiert war von unter 15 auf über 22 Prozent, konnte nicht mehr mithalten mit dem Höhenflug einer Union, die offenbar nicht vom rechten Rand abkassierte, sondern bei SPD, FDP und den unter "Sonstige" subsummierten Anlaufstellen für alle, die Wählengehen, aber niemanden wählen wollen, der von irgendeiner Relevanz für irgendetwas sein könnte.

Staunen über das Zahnarzt-Spike

Die Verblüffung in den Medien ist so groß, dass es keinerlei öffentliche Überlegungen zu Ursachen, Rolle und Bedeutung des sogenannten "Zahnarzt-Spikes" gibt. Die konkurrierenden Demokraten, so bestürzt sie auch alle über die Ereignisse in Israel sind, fühlen zweifellos auch Dankbarkeit dafür, dass jetzt nicht die Stunde für solche Analysen ist. Bei der CDU herrscht Staunen, eine stille Verblüffung. Nach zwei Jahrzehnten, in denen die einst durchaus streitbare Partei eingebacken war in den Mürbeteig, den Angela Merkel angerührt hatte, mag beinahe niemand glauben, dass es so einfach sein könnte zurückzukehren an die Fleischtöpfe der Macht. Sollte es tatsächlich denkbar sein, dass die Menschen da draußen zu Millionen nur auf jemanden warten, der ein bisschen so tut als wolle er tun was sie sich wünschen, weil sie es für vernünftig halten?



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