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Die Ankommenden: Worthülse für den Grenzkrieg

Tags: noch einer neue
Solche Forderungen nach Einer bedingungslosen Öffnung der deutschen Grenzen sind leiser geworden, aber nicht weniger wichtig.

Sie waren Ausländer und Asylanten, dann Asylbewerber, wurden zu Flüchtlingen, die sich später in Flüchtende oder auch Geflüchtete verwandelten, ehe daraus Migranten wurden, die auch als Zuwanderer oder Nochnichtsolangehierlebende bezeichnet werden durften, mit oder ohne "Migrationshintergrund", im Fall von Sportlern aber mit sogenannten Wurzeln.  

Ausgeklügelte Mechanismen

Die herrschaftsnahe Berichterstattung eilte von Euphemismus zu Euphemismus. Kaum war ein neuer Begriff in den tiefen, weiten und bis heute unergründlichen Werkhallen der Bundesworthülsenfabrik (BWHF) in Berlin geprägt und über die ausgeklügelten Medienmechanismen bundesweit verteilt worden, regte sich schon Widerstand bei den ersten Nutzern. Da jede Neue Bezeichnung doch stets wieder dieselben Mitbürgerinnen und Mitbürger beschreiben musste, verging nie viel Zeit, bis auch diese neue und selbst die allerneueste zarte Umschreibung erneut als zutiefst abwertend empfunden wurde. Nicht bei denen zwar, die sie beschrieb. Aber bei denen, die über die zulässigen Beschreibungen gebieten.

Der "Asylant" klang auch im Nochnichtsolangehierlebenden nach. Der "Asylbewerber" konnte sogar ein "abgelehnter" sein, der "geduldet" wurde und sich damit begrifflich immer Noch bewarb. "Ausländer" zu sagen verbot sich, denn man sieht es ihnen nicht an und wer sich im Inland befindet, wie kann der überhaupt einer sein? Es gab einfach kein Wort mehr, denn selbst der "Flüchtende" konnte sich am Ende einer langen und gefährlichen Flucht nicht gewertschätzt fühlen, wenn er verbal immer noch und für immer auf der Flucht bleiben muss, weil es bei den Deutschen nur zu "Geflüchteter" reicht als sei ein Mensch damit ausreichend und fair erklärt.

Dauernde Zurücksetzung 

Die Benachteiligung der Wenigen, empfunden als Zurücksetzung einer Minderheit, die sich von der Mehrheit unterscheidet, wich nicht, weder durch die Formen von Flüchtigkeit noch durch das aus der Zoologie entlehnte "Migrant" (von migrare für mit seiner Habe an einen anderen Orte ziehen, um da zu wohnen). Was gemeint ist, ändert sich ja doch nicht dadurch, dass man es mühsam anders auszudrücken versucht. Die "Euphemismus-Tretmühle", wie sie der amerikanische Sprachforscher Steven Pinker nennt, ist ein Prozess, der kein Ende kennt. Auf Ausländer folgt Migrant, auf Migrant der Mensch mit Migrationshintergrund, der Asylbewerber wird zum Flüchtling, der Flüchtling zum Geflüchteten oder Flüchtenden. 

Aber alles klingt beleidigend, ablehnend und muss deshalb schneller durch neue Begriffe ersetzt werden als der ehedem neue Begriff sich überhaupt bis in die widerstrebenden Dörfer und Kleinstädte, an die Stammtische und in die Sportvereine als verbindlich durchsprechen kann. Die Bundesworthülsenfabrik (BWHF) in Berlin füllt hier seit Jahren eine Schlüsselposition aus: Gejagt und zuweilen fast schon gehetzt von der Erwartungshaltung einer politischen und medialen Öffentlichkeit, die nach Sauberkeit und Unschuld verlangt, ist die BWHF gezwungen, aus dem Geist einer totalitären Spracherziehung heraus Verrat am Ideal der Emanzipation zu begehen und wider besseren Wissen eine Medizin zu liefern, die niemals helfen wird.

Auf den Moment reduziert

Eben erst wieder waren es die "Ankommenden", die nun um jeden menschlichen Zug erleichtert einfach nur noch eine Tätigkeit personifizieren. Waren die Flüchtlinge, Flüchtenden und Geflüchteten noch Zeugen ihrer eigenen und oft dramatischen Geschichte, ist der "Ankommende" als solcher nur noch reduziert auf den Moment seines Eintreffens. Er hat kein Schicksal mehr und keinen Willen, keine Ziele und keine Familie, er ist reines Dasein im Augenblick der Ankunft, der, soweit ist den Worthülsenschmieden und Sinnwortsuchern der BWHF ein genialer Streich gelungen, in der Regel ein glücklicher ist.

Ankommen bedeutet, dass Migrationsfeinde und Gegner einer ungebremsten Zuwanderung kaum mehr ausdrücken können werden, was sie an Ressentiments und unbegründeten Ängsten plagt. Eben noch hatte sich Elon Musk mit einem migrationsfeindlichen Post bei X zu Wort gemeldet - beim nächsten Mal aber wird er einen ankommensfeindlichen Spruch absetzen müssen.  Zugleich nimmt das neue Wort den negativen Zungenschlag aus der Debatte, mit dem nicht nur die Endung -ling (wie Liebling, Zwilling oder Häuptling), sondern auch das "Zu" in den von Angela Merkel favorisierten "Zustrom" und "Zuwanderung" eliminiert wird.



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