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Kammerspiel um Klimakleber: Ein Heldengesang auf den Straßenkampf

Kurz vor dem endgültigen Auslaufen der kurzlebigen Aufstandsbewegung bietet das ZDF mit "Aufgebauscht" einen kammerspielartigen Rückblick als Heldengeschichte.

September. Hitze. Der Planet glüht. Die Gletscher schmelzen. Die Regierung hat den Klimakampf aufgegeben, die Streiks der Klimakinder sind abgeebbt, die drastischen Störaktionen der "Letzten Generation" ernten nur noch ein Achselzucken. Nichts geht mehr, weil der Trend von der Angst vor der Erderhitzung weg geht und hin zu immer mehr Furcht vor immer mehr Zuwanderung, immer mehr Rechtsextremismus, immer mehr Abschottung und immer weniger Kaufkraft und damit Wohlstand.  

Angst vor dem Abstieg

Dass sich "eine Gruppe Klimakleber", wie sie das ZDF abfällig nennt, auf eine Straße setzt und den Verkehr blockieren, ist ein Stück deutscher Protestfolklore geworden. Stehen die Richtigen in erster Reihe, entwickelt sich aus der Situation ein Großeinsatz der Polizei, die aufwendige Umleitungen veranlasst, um den verschreckten Jugendlichen und junggebliebenden Erwachsenen genug Zeit zu geben, den mitgebrachten Kleber anbinden zu lassen. Danach wird es chirurgisch. Fast schon liebevoll lösen Spezialbeamte die Patschehändchen mit Babyöl vom Asphalt. 

Nur wenn die Falschen zuerst dran Sind, fällt der Protest kurz aus. Eine hochgezogene Augenbraue des noch nicht so lange hierlebenden Jungmannes. Ein schneller Schritt nach vorn. Ein unmittelbar abgebrochener Aufstand der letzten Generation. 

Zu Herzen gehende Dramaserie

Dass sich im Spannungsfeld zwischen spalterischem Aktionismus und konservativem Beharren auf dem staatlichen Gewaltmonopol eine zu Herzen gehende Dramaserie drehen lässt, hat das ZDF jetzt mit "Aufgestaut" unterstrichen, einem Sechsteiler, der den "voller Einsatz für das Klima" (ZDF) der Menschen Auf Der einen gegen die "Wut" der Menschen auf der anderen Seite stellt. Lena und Finn sind die sympathischen Helden, zwei Abziehbilder ihrer Generation, bis zum Kragen voller Furcht vor der Zukunft und fest entschlossen, der Mehrheitsgesellschaft ihren Willen aufzuzwingen.

Der anvisierten Zielgruppe angemessen sind die einzelnen Folgen nicht länger als eine Fußball-Halbzeitpause. Zu mehr reichen die 18,36 Euro nicht, die 45,96 Millionen Rundfunkbeitragszahler jeden Monat spendieren. Eingewebt in die von bemühten Laiendarstellern auf die Leinwand gewuchtete Handlung findet sich eine kleine Liebesgeschichte, ein bisschen Coming-of-Age-Beklemmung und die brutale Selbstbezogenheit der arbeitenden Mehrheitsbevölkerung. 

Gewalttätig gegen gemeinnützig

Altklug gegen egoistisch. Gewalttätig gegen aufopfernd. Gemeinnützig gegen ein "defektes System" wie es im Soundtrack heißt. Wer noch Zweifel daran hatte, dass der in jüngster Zeit sogar von "medienkapitalistischen Heuschrecken" (ARD) kritisierte Gemeinsinnfunk mehr ist als ein Altersversorgungssystem mit Dutzenden von angeschlossenen Fußball-, Fernsehgarten- und Hitlerdoku-Abspielstationen, wird hier eines Besseren belehrt.

Als "Bewegung von Menschen, die vor dem Hintergrund des Klimawandels mehr Klimaschutz einfordert" heroisiert, steht für die Autoren Matthias Thönnissen und Zarah Schade nicht infrage, dass das Blockieren von Straßen oder Verunreinigen von Kulturgütern eine ehrenwerte Sache sind. Ob die Proteste allerdings "aufgrund ihres Anliegens legitim sind", werde "kontrovers diskutiert".

Durchdrehende Porsche-Reifen

Der Mann, der sich am schlimmsten aufregt, ist ein charakterloses Schwein, das den um seinen Arbeitsplatz bangenden fleißigen Mitbürger mit durchdrehenden Porsche-Reifen verrät. Der ältestes Protestler ein unbeugsamer Held. Die sich um die Blockade sammelnden  Bürgerdarsteller werden von durch ein unsichtbares Virus, eine versteinernde Bakterie oder die alte deutsche Gefolgsamkeitskrankheit gelähmt. Niemand tut etwas. Keiner traut sich. Einzugreifen könne "juristisch als Nötigung ausgelegt werden", fürchtet der professorale Großvater des Jungmannes, der dem Kleben seine vielversprechende Karriere als Richter geopfert hat.

Ja, es ist nicht alles schlecht am Klimakampf. Das Kammerspiel auf der Straßenkreuzung fasst den aktuellen Stand der Diskussion in Deutschland, dem einzigen Land weltweit, in dem die "Letzte Generation" noch klebt, sympathisch zusammen: Uneinsichtig ist das tumbe Volk. Fürsorglich und professionell kümmert sich die Polizei, bis der Hexenschuss des Leitenden Beamten die Ohnmacht der Staatsmacht offenbart. Der junge, eifrige Polizist bekommt Mitleid gratis, als er Lockerungsübungen macht. Verstärkung kommt nicht. 

Wie ganz Deutschland scheint die zugeklebte Straße in einer Zeitschleife gefangen. "Schon belehrt? Dreimal aufgefordert", kündigen die schließlich durch herbeigeeilten Beamten in Folge 4 hartes Eingreifen an. Doch als der Friedensukrainer vom Paketdienst seine Chance gerade nutzen will, die Probezeit bei seinem ausbeuterischen  Zustellunternehmen doch noch zu überleben, springt der Klima-Volkssturm auf die Straße: Margot, ausgerüstet mit sechs Flaschen Feuerzeugbenzin.

Festgeklebt in der Zeitschleife

Eine Oskar Brüsewitz in tarngrün, eine Alt-68erin mit Kampferfahrung aus Wackersdorf, enttäuscht über die Genossen, die beim Marsch durch die Institutionen bis in die Regierung gescheitert sind. Sie habe doch aber "gar kein Aktionstraining", bekommt sie gesagt. Den Richterenkel drückt die Blase. Ganz hinten droht eine Frau zu entbinden. Die cellospielende Sympathisantin sieht ihre Chancen auf eine Weltkarriere schwinden. Die Altlinke Margot schwingt eine revolutionäre Rede. "Die Erde wird brennen", ruft sie und schickt sich an, sich selbst anzuzünden, um eine Zeichen zu setzen. Der ukrainische Paketfahrer, in Wirklichkeit eine Fachkraft, bringt ein gesundes Mädchen zur Welt.  Die Cellofrau absolviert ihr Vorspiel virtuell. Alle klatschen.

Gute Arbeit, lobt der Anführer der Klimakleber. Passanten bringen Kuchen vorbei und sagen "danke,d dass ihr das für uns macht." Die Hetzer und Drängler sind weg, der Kleber ist gelöst. Paradies Deutschland. Nur im Eckkiosk hält der schwarze Mann dem alten Richter einen Vortrag darüber, dass seine Generation an allem schuld ist, am Klima, am Elend, daran, dass sein Bruder nun wirtschaftlich verfolgt wird und die Mutter allein daheim sitzt. Happy End im vorübergehenden Gewahrsam: Lena, die innerlich vor Klimafieber glühende Jeanne d'Arc, lehnt ihren Kopf an die Schulter von Finn, dem Wuschelkopf mit dem Harndrang.

Beide werden später keine Kinder haben. Beide werden kein Einfamilienhaus beziehen. Beiden werden nie Urlaub machen, kein  Auto haben, mit Strom heizen oder aber mit dem, was gerade angeordnet ist. Beide werden CO2 sparen und ein Leben des Verzichts führen, aber sie werden glücklich sein. 



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