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Die Zahnfee: Die Radikalisierung des Friedrich M.

Die Zahnfee der CDU: Mit seiner Gebissstrategie versucht sich Friedrich Merz an einer Wurzelnkanalbehandlung. Abb: Kümram, Aquarell, Wasserfarben

Man hatte ihn gewarnt. Aber nun hat er es doch wieder getan. Friedrich Merz geht auf der Suche nach künftigen Mehrheiten zwar Kompromisse ein, doch in der Regel nie den gesamten Weg zurück: Er prescht vor, zieht den Schwanz ein, entschuldigt sich zur Not auch mal. Setzt aber schon Tage oder Wochen später nach. Die "kleinen Paschas", die Aussage, dass es so nicht weitergehen könne, Regierungskritik, die Forderung nach einer Begrenzung der Zuwanderung - das "Zündeln", wie es die Süddeutsche Zeitung in einer Analyse nannte, gehörte schon immer zum "Mann mit den Schwefelhölzern" (SZ), von dem unvergessen geblieben ist, wie er schon damals, im Frieden, versuchte, die allseits beliebte Bundeskanzlerin Angela Merkel anzugreifen.

Neues Leben, neue Zähne

Seitdem ist nicht nur Friedrich Merz härter geworden, die Zeiten sind es auch. Wenigstens aber ist es leichter geworden, den politischen Gegner auf die Palme zu bringen. Dass sich viel Nochnichtsolangehierlebende nach ihrer glücklichen Ankunft in Deutschland  gern auch "die Zähne neu machen lassen", wie Merz jetzt behauptet hat, war schon schon kurz nach dem großen Asylkompromiss von 1992 Anlass, die Bezahlung von Krankenversicherungsleistungen für Nichtversicherte  an die "nach § 10 bestimmte örtlich zuständige Behörde zu delegieren, "in deren Bereich der Leistungsberechtigte nach dem Asylgesetz oder Aufenthaltsgesetz verteilt oder zugewiesen worden ist oder für deren Bereich für den Leistungsberechtigten eine Wohnsitzauflage besteht."

Das 30 Jahre später unbefangen auszusprechen gleicht dem Versuch, Schlagzeilen von vor fünf Jahren noch einmal mit Betonung vorlesen zu wollen. Damals drohte ein Zahnärztemangel, vor allem auf dem Land. Seitdem kamen knapp zwei Millionen potenzielle Patienten neu ins Land. Aber im selben Zeitraum ist es auch gelungen, dafür zu sorgen, dass "man beim Zahnarzt in der Regel problemlos einen Termin bekommt". In der Regel, wenn auch vielleicht nicht gleich. Wer das bestreitet, hetzt, denn erst "nach den ersten 18 Monaten des Aufenthalts werden Asylbewerber und Geduldete von den gesetzlichen Krankenkassen betreut". So dass sie auch erst dann Anspruch auf den vollen Leistungskatalog haben.

Zähne oder alle Zähne

Merz scheinen solche Fakten aber mittlerweile vollkommen gleichgültig zu sein. Früh hatten Faktenchecker dem CDU-Chef nachgewiesen, dass seine Aussagen gelogen seien, sobald man sie auch nur ein wenig drehe und wende. Zahnersatz werde gar nicht bezahlt, widerlegte das ZDF, was Merz nie behauptet hatte. Das teilstaatliche Portal T-Online erweiterte dessen Aussage von "die Zähne neu machen" auf  "alle Zähne neu machen" und hatte ihn sofort wieder bei einer Lüge ertappt. Auch die Illustrierte "Stern" musste nur "reihenweise" einfügen, um Merz als üblen Provokateur zu enttarnen. 

Bundesinnenminister Nancy Faeser habe recht, wenn sei Merz "erbärmlichen Populismus auf dem Rücken der Schwächsten" vorwerfe: "Asylsuchende werden nur behandelt, wenn sie akut erkrankt sind oder unter Schmerzen leiden." Niemand kommt der Zähne wegen, wies die SZ nach. Das zu behaupten, auch wenn Merz es nicht getan hatte, treibe der AfD noch mehr Menschen in die Arme. Bodo Ramelow, der scheidende thüringische Ministerpräsident, brachte es auf einen Punkt: Hätte Merz nicht gesagt, dass Zuwanderer zum Zahnarzt gingen, liefen nicht seit Jahren schon immer mehr Leute zum Rechtsextremismus über.

Das von der Frankfurter Rundschau seit Jahren geführte Sündenregister des Friedrich Merz  ist damit um einen Eintrag reicher. Lange, vielleicht allzu lange, haben ihm die demokratischen Wettbewerber, die unabhängigen Medien und selbst bis zu einem Drittel der Wählerinnen und Wähler seien Eskapaden zum rechten Rand noch verziehen. Zwinkernd aus einem komplizenhaften Einverständnis meinte so mancher, das sei nun eben Merz' Rolle. Der 67-Jährige habe nur noch bei der nächsten Bundestagswahl die Chance, sich den Traum vom Einzug ins Kanzleramt zu erfüllen. Und eben im Unterschied zum früheren Kanzler Gerhard Schröder oder dessen Nachfolgerin Merkel weder Bild noch Bams noch die Programmersteller für die Gemeinsinnglotze hinter sich.

Radikalisierung  im Sauerland

Doch allmählich bewegt sich der Sauerländer in ein Grenzgebiet, in das ihm womöglich von andauernden Asylkompromissen, stationären Grenzkontrollen, Schleierfahndung und der Beschwörung fortlaufender Überforderung genervte Wutbürger, nicht aber die entscheidenden Teile der politischen Klasse folgen werden. Wer sich dorthin begibt, das weiß jeder Volksvertreter, "muss die Sorgen der Bürger ernst nehmen" (FAZ), statt jeden, der Sorgen hat, als Opfer übler Einflüsterer abzutun. Friedrich Merz sieht sich wohl durch Umfragen in seiner gefährlichen Strategie bestätigt: Was die AfD gewinnt, verlieren SPD, Grüne und FDP, nicht aber seine Union. 

So ist anzunehmen, dass er in den nächsten Monaten trotz aller Kritik aus dem demokratischen Lager festhalten wird an seinem Kurs ins Abseits. Munition für die nächsten Salven auf die Brandmauer hat der frühere Blackrock-Manager und Einflüsterer, die ihm schon zur nächsten Ungeheuerlichkeit geraten haben. Merz könne doch sagen: "Wir haben über 300.000 Illegale und Ausreisepflichtige im Land, die den Steuerzahler Milliarden kosten, unseren Sozialstaat belasten und wirklich Schutzbedürftigen den Platz wegnehmen". Dann wäre aber erst was los.



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