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#LastNightInSweden: Plötzlich Bomben auf Bullerbü

Die Reihen fest geschlossen gegen eine unerwünschte Wirklichkeit: 2017 konnten sich "Spiegel"-Leser Noch darauf verlassen, Dass in Schweden alles super war. Sechs Jahres später hat das Magazin den Kampf gegen die unerwünschte Realität aufgegeben.

Nichts war da gewesen, gar nichts Ganz Schweden ein einziges Bullerbü, beneidenswert der kräftige, gut gewachsene Sozialstaat, die hübsche sozialdemokratische Regierung, der liebevolle Umgang der Einheimischen mit Natur und Umwelt, ihre Abkehr vom Atom und ihr Krimis erst. Weltklasse. Fast schon normal, dass sich der damalige US-Präsident Donald Trump die Schweden vorgenommen hatte, um stellvertretend für das ganze, ihm so verhasste alte multikulturelle Europa ein Exempel zu statuieren. "Schaut euch an, was in Deutschland passiert, schaut euch an, was gestern Abend in Schweden passiert ist", krähte Trump vor sechs Jahren von einer Wahlkampfbühne, ohne ins Detail zu gehen.

Nichts war damals passiert

Kein großes Wagnis. Sowohl Deutschland als auch Schweden sind ausreichend bevölkert, so dass stets irgendetwas passiert. Mal ist ein Unfall auf der Autobahn, mal ein Sechser im Lotto. Mal sagt der eine was, mal der andere. Mal werden Flugblätter mit Verspätung entdeckt. Mal ist die europäische Lösung eines lange, lange Zeit untragbaren Problems nur noch 14 Tage oder 14 Monate oder 14 Jahre weit entfernt.

Was aber mit #LastNightInSweden gemeint war, wusste trotzdem jeder. Schwedens Städte wurden seinerzeit schon geraume geplagt durch das, was die Behörden allmänfarlig ödeläggelse genom sprängning nennen: Schaden durch Explosion, verursacht durch rivalisierende Banden, die einander mit Handgranaten, automatischen Waffen und selbstgebauten Bomben angriffen, um Reviere zu erobern oder zu verteidigen. Das Phänomen war weltweit so einmalig wie die Anwendung von Messern im Straßenkampf deutsch ist. Es wäre allerdings auch Wasser  auf die Mühlen der Falschen gewesen, hätten Medien darüber berichtet, dass der Sicherheitschef der Stadt Malmö, Jonas Hult, über die 200 Schwerkriminellen seiner Stadt gesagt hatte, "dass diejenigen mit einem nicht-schwedischen Hintergrund stärker vertreten sind".

Zum Glück keine belastenden Daten 

Es gab keinen Grund dafür. Deutsche Faktenchecker wiesen umgehend nach, dass es glücklicherweise gar keine Daten zur Herkunft der Täter gebe. Dem Deutschlandfunk gelang es sogar,  die gelegentlich durchdringenden Nachrichten über Bomben in Bullerbü  als "teils hysterische Debatte" zu enttarnen. Malmö etwa sei überhaupt nicht "Schwedens Chicago", denn hier würde gerade mal 3,4 Menschen pro 100.000 Einwohner pro Jahr erschossen, in Chicago seien es aber mit 28 viel mehr.

Eine neue Normalität, gemessen am deutschen Schnitt von 0,5 bis 0,8 Tötungsdelikten mit Schusswaffen pro Jahr und 100.000 Einwohner. Schwedens "wachsendes Problem mit Handgranaten" (Euronews) hatte mit nichts zu tun, die Tage, an denen "die Zahl der Bombenanschläge" auch in der Berichterstattung "stark anstieg" (Tagesspiegel), sie lagen noch weit in der Zukunft. Noch suchte der Deutschlandfunk keinen Ausweg aus der "Gewaltspirale", weil es sie gar nicht geben konnte. Noch war auch die Hamburger "Zeit" nicht geschockt durch die "Gangs of Stockholm" (Zeit), die Schweden vorerst noch vom "Vorzeige- in eine Wegschau-Land" (SWR) verwandelt hatten.

Brandmauer gegen die Wirklichkeit

Gegen Trumps Behauptungen, da stimme doch was nicht, standen alle gemeinsam wie eine Brandmauer gegen die Wirklichkeit. "Schwedische Medien kontern Trump - mit Fakten", schwurbelte das ehemalige Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", das in seinen besseren Zeiten Reporter nach Schweden geschickt hätte, um nachzuschauen. Nun aber froh war, Trump mit Hilfe des gewerkschaftsnahen schwedischen Blattes "Aftonbladet" der Lüge überführen zu können. Das, schon im Zweiten Weltkrieg ein verlässlicher Vertreter deutscher Interessen, wies nach, dass Waffengewalt in den letzten Jahren sogar zurückgegangen sei.

Kann es denn schöner kommen?  Mit einem schlag war die Achse Deutschland-Schweden gestärkt, die Demokratie verteidigt, Trump schlagend widerlegt und den Falschen das Wasser von der Mühle geleitet. Im Hamburger "Spiegel"-Hochhaus war man sich sicher, dass niemand in Deutschland schwedische Medien konsumiert, die seinerzeit schon den Verdacht äußerten, Idyllien verwandle sich gerade in Kollapsistan. Beim "Spiegel" beschlossen sie, dass die Widerlegung Trumps für alle Zeiten ausreichen muss. Schweden, die Handgranaten, die Toten, die Morde, sie kamen nun einfach nie mehr vor.

Beharrlicher Breichterstattungsboykott

Bis jetzt zumindest. Zum Leidwesen der deutschen Medien lässt sich der Bandenboykott mittlerweile nicht mehr durchhalten. Seit Trumps #lastnightinsweden hat der tägliche Terror einen Regierungswechsel bewirkt, Schweden veranlasst, jede Menge Gesetze zu verschärfen und die ähnlich wie Deutschland lange zur Verleugnung bestimmter Probleme neigende schwedische Gesellschaft zu einer so offener Worte gemacht, dass selbst die deutsche "Tagesschau" Mühe hatte, die "schwedische Epidemie" so wolkig zu umschreiben, dass das Wort "Integrationsproblem" hätte vermeiden werden können.

Nun, wo die Wirklichkeit erneut einen Sieg über die Behauptung feiert, ist auch der "Spiegel" wieder am Ball. Mittendrin statt nur am Zeitungsständer mit den schwedischen Postillen schreibt das Magazin von einer "Welle der Gewalt", wegen der "Schwedens Regierungschef das Militär gegen Bandenkriminalität einsetzen" wolle. Elf Tote in einem Monat sind allerdings kein Grund, übertrieben emsig nach Ursachen zu forschen, die ausschlaggebenden Milieus ins Visier zu nehmen oder nach den Tätern zu fragen. Beim "Spiegel", der ja völlig neu ist im Metier, geht es um "mutmaßliche Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten kriminellen Banden", das "kriminelle Foxtrot-Netzwerk, das im Zentrum der jüngsten Gewaltwelle" steht, und um "junge Männer oder Minderjährige", die sterben, dem Bericht zufolge zum Glück noch, ohne dass es Täter oder auch nur Vermutungen über mögliche Verdächtige gibt.



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