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Zustromkrise: Die polnische Eröffnung

Die Zeiten, als progressive Politikerinnen mutig deutliche Zeichen für immer mehr Zuwanderung setzten, sind vorüber. Inzwischen wetteifern alle um möglichst rigorose Abschottungsmaßnahmen.

Es war ein typischer Scholz, den der Kanzler da in Berlin vom Stapel ließ. Mitten im Koalitionsstreit um den Zustrom von Neuankömmlingen aus aller Herren Länder zeigte Olaf Scholz, was ihn von all seinen Ministern, der Partei- und Fraktionsvorsitzenden, den Quenglern und Jammerern auf den Oppositionsbänken und selbst den Analysten bei den führenden Medienhäusern unterscheidet. Während die noch stritten, ob nun Grenzkontrollen oder Schleierfahndung, freiwillige Ausweisprüfung bei der Einreise oder Kampf gegen professionelle Schleuser Deutschlands Beliebtheit bei den Verfolgten überall auf der Welt rasch mindern könnten, erweiterte der Bundeskanzler einfach das Schlachtfeld und erfand einen neuen, alten Gegner als Verantwortlichen für die seit Monaten steigenden Zahlen.

Auf der Suche nach Schuldigen

Die Wahl fiel, wenig überraschend, auf Polen. Das Nachbarland hatte sich bereits in den zurückliegenden Jahren nach und nach aus der europäischen Wertegemeinschaft zurückgezogen. Immer wieder mussten Brüsseler Beamte regelnd eingreifen und deutsche Medien mahnend ihre Stimme heben. Längst sind die Verfahren, die die europäischen Demokraten gegen die Regierung in Warschau führen, zu einem "unentwirrbaren Knoten" (Tagesschau) geworden, den Optimisten allenfalls noch durch einen Machtwechsel im Präsidentenpalast in der Warschauer Königsstraße für noch lösbar halten. Wie Ungarn gilt Polen als EU-skeptisch und nationalistisch. Gehörte das Land zu Thüringen, würde die Regierungspartei PiS zweifellos als teilweise gesichert vom Verfassungsschutz im Blick behalten.

Warum also nicht Polen, mag sich Olaf Scholz gedacht haben, als er mit Blick auf die steigende Zahl von Migranten an der deutsch-polnischen Grenze sagte, er wolle nicht, dass Neuankömmlinge aus Polen einfach durchgewinkt würden. Vielmehr, so Scholz, gelte das Prinzip, dass "wer in Polen ankommt, dort registriert wird und dort ein Asylverfahren macht". Aus Sicht des deutschen Regierungschefs soll das künftig offenbar auch für Inhaber von gültigen Visa gelten, wie sie polnische Konsulate in Afrika und Asien ausstellen. Diese massenhaften Arbeitsvisa, so heißt es im politischen Berlin, seien "irgendwie für Geld verteilt worden" und deshalb gar keine richtigen Visa wie sie Deutschland vergebe. 

Gemeinsamer Grenzzaun

Alte Ressentiments gegen Polen, neu aufgelegt. Wurde vor einem Jahr noch gemeinsam gefeiert, als Polen auch mit finanzieller Hilfe der EU, die zum großen Teil aus Deutschland kam, seinen neuen Grenzzaun zu Belarusdemfrüherenweißrussland fertigstellte, der Russland hybride Migrationsangriffe auf die EU abwehren sollte, herrscht jetzt Katzenjammer über die legalen Zuwanderungsmöglichkeiten, die Warschau Menschen aus dem Nahen Osten und Afrika bietet. Die polnischen Visa gestatten die Einreise nach Polen über den Luftweg, die offenen Grenzen des Schengenraums erlauben es sogenannten Drittstaatsangehörigen mit einem Aufenthaltstitel anderer EU-Staaten, ungehindert von der innereuropäischen Reisefreiheit Gebrauch zu machen und aus Polen weiter nach Deutschland zu reisen, dessen Willkommenskultur seit 2015 weltweit berühmt ist.

Doch die Tage, als deutsche Politiker und deutsche Medien stolz waren auf dieses Alleinstellungsmerkmal, sie sind vorüber. Getrieben von der Angst vor Populisten und Fremdenfeinden schieben sich die demokratischen Parteien seit dem Ende der Sommerpause und der Verkündigung des Beginns der neuen Flüchtlingskrise gegenseitig die Verantwortung zu. Die SPD sieht ein Versagen der FDP, die Grünen-Chefin fordert mehr und schnellere Abschiebungen, die Union noch mehr und sogar die Innenministerin will wegen ihres bisher unglücklich verlaufenden Wahlkampfes in Hessen die "Gangart verschärfen" (BMI) und trotz der von der EU schon vor Jahren angemahnten Beendigung temporärer Grenzkontrollen neue Polizeihundertschaften gegen illegal Einreisende einsetzen.

Die polnische Eröffnung

Scholz' polnische Eröffnung liefert nun zumindest eine Begründung für Abschottungs- und Abschreckungsmaßnahmen, wie sie bisher ausschließlich von ausgewiesenen Gegnern einer demokratischen Migrationspolitik gefordert worden waren. Der junge Mann aus Guinea, der über das Mittelmeer kommt, in Italien landet und sich dann nach Norden aufmacht, um in Deutschland Ein Neues Zuhause zu finden, unterscheidet sich dieser Lesart zufolge grundsätzlich von seinem Nachbarn in Kankan oder Faranah, der mit einem polnischen Arbeitsvisum nach Europa gekommen ist, um sich von Warschau aus nach Westen aufzumachen, wo er hofft ein neues Zuhause zu finden.



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