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Fake News: Sie scherzen nicht, sie lachen uns aus

Die Frage ist nie, ob stimmt, was Politiker sagen. Die Frage ist stets, ob die Bevölkerung es ihnen trotzdem glaubt. Abb: Kümram, Stahlstift auf Second-Hand-Leinen

Anfang des neuen Jahrtausends wählte er selbstverständlich SPD. Dennis Haferberg hatte damals gerade seinen ersten Vertrag als Mitarbeitender im Marketingteam eines Stadtbades in Ostdeutschland unterschieben, tatendurstig und ideenlustig sah er wie ganz Deutschland einer leuchtenden Zukunft in die wasserhellblauen Augen. "Wir hatten den Jahr-2000-Bug lebend überstanden, mit dem Euro wieder eine betonharte Währung in der Tasche und die Arbeitsmarktreformen versprachen, Deutschland aus einer jahrzehntelangen Lähmung zu befreien", erinnert er sich an die Jahre des Rucks, als der Muff von tausend Jahren langsam wich.  

Schöne Zeiten im Rückspiegel

Politik war unterhaltend. Guido Westerwelle machte aus dem Neoliberalismus einen Zirkusveranstaltung. Der Sozialist Gerhard Schröder rauchte Zigarre wie ein Schlotbaron. Die CDU entpuppte sich als durch und durch korrupte Truppe ohne Skrupel, selbst geschichtliche Tabus als Tarnung für üble Koffergeschäfte zu missbrauchen. "Im Rückblick aber waren es doch schöne Zeiten", sagt Haferberg, der offen gesteht, sich "damals von der Politik durch ernster genommen gefühlt zu haben als das heute der Fall ist". Zwar sei auch in jener heute oft als mystischer Raum politischen Anstands betrachteten frühen Berliner Republik gelogen worden, dass sich die Balken hätten biegen müssen. "Doch beispielsweise gab es keine Fake News, keine Hetze und keinen Hass", erinnert sich der studierte Kulturwissenschaftler und Technologiephilologe.

Die großen bekannten Köpfe der Politik, sie schienen ihm seinerzeit wie Vaterfiguren. "Und Mütter natürlich", sagt er. Schmidt, Kohl, Lafontaine, selbst de Maiziere noch, der sich lustig machte über Angstgefühle in der Bevölkerung, zugleich aber bereit gewesen sein, schreckliches Wissen anstelle der Bürgerinnen und Bürger zur Kenntnis zu nehmen und geheimzuhalten. "Schaue ich dagegen heute Christian Lindner an, Frau Baerbock, Olaf Scholz, Lisa Paus oder Robert Habeck, dann fühle ich mich häufig auf den Arm genommen." 

Die Dreistigkeit des Ex-Liberalen

Gerade der frühere Liberale Lindner, den er bislang für einen der wenigen Erwachsenen im Kabinett gehalten hatte, steht dem gebürtigen Lausitzer dabei "bis hier", wie Haferberg sagt, während er die Hand hoch über den Kopf hebt. "Er sehe sich in der Verantwortung, die Bekämpfung der Inflation durch die Notenbank zu unterstützen, indem er eine moderat restriktive Finanzpolitik mache", habe Lindner jetzt verkündet, kann sich der frühere SPD-Wähler, der später lange der FDP die Treue hielt, vor Empörung kaum halten. 

"Derselbe Mann hat der Erhöhung der CO2-Abgabe zugestimmt, er will die Umsatzsteuer auf Erdgas schnellstmöglich erhöhen und obwohl er weiß, Dass die Bürger jeden einzelnen Cent dafür bezahlen werden, war er auch einverstanden, die Lkw-Maut noch weiter in die Höhe zu treiben."

Die Lüge als Kommunikationsstrategie

Haferberg ist sich sicher, dass Lindner wisse, dass er lüge, wenn er behaupte, Deutschland habe "seine Ausgaben gebremst, um die Wirkung der Geldpolitik nicht zu konterkarieren". Jeder, sagt der Sachse, könne doch die echten Zahlen sehen: "Bis Ende Juli 2023 betrugen die Ausgaben des Bundes rund 263,1 Milliarden Euro, die Einnahmen betrugen im gleichen Zeitraum rund 215,6 Milliarden Euro." Insgesamt dürfe der Bund in diesem Jahr 476 Milliarden ausgeben - verglichen mit 443 Milliarden im vergangenen Jahr. "Wo wurden er Ausgaben gebremst?"

Nein, Dennis Haferberg ist sich sehr sicher: "Die scherzen nicht mehr nur, sie lachen uns aus". Wenn jemand wie Christian Lindner frei erfundene Tatsachen auf offener Bühne präsentiere, ohne dass eine mit Millionen Euro gezüchteten und gefütterten Faktencheck-Departments aus dem Umfeld der Parteien, aus der Verwaltung des Bundesblogampelamtes (BBAA) im mecklenburgischen Warin oder von den zahllosen Gemeinsinnsendern sich veranlasst sehe, dazwischenzugrätschen, spreche das für eine miteinander verabredete Veranstaltung zur Verhöhnung des Publikums und der Steuerzahler. "Sie tun es, weil sie es können", glaubt Haferberg, "und sie genießen mit Sicherheit das Gefühl, dass sie damit durchkommen."

Wie die Unwahrheit den Belogenen belastet

Nicht beim ihm, aber das ärgert Haferberg ganz besonders, bedeute es doch eine schwere Belastung seines Verhältnisses zu den gewählten Volksvertretern und der Regierung. "Nicht jeder fühlt sich zu den zwei Klicks veranlasst, die es braucht, um Lindners Behauptung als Lüge zu enttarnen", glaubt Haferberg, "alle anderen werden dem Mann vermutlich abnehmen, dass stimmt, was er behauptet." Ihm selbst sei es allerdings leider nicht vergönnt, alles für bahre Münze zu nehmen, nur weil es in der Tagesschau, bei Spiegel, FAZ und Taz vielfach gleichlautend wiederholt werde. "Ich möchte mich dann vergewissern und bin immer wieder enttäuscht, dass das nicht geht, weil die Fakten ganz anders aussehen."

Im Normalfall habe er gelernt, das achselzuckend zu akzeptieren. "Sie belügen uns, wir wissen, dass sie lügen, sie wissen, dass wir wissen, dass sie lügen, aber trotzdem lügen sie weiter, weil es ohne Lügen nicht geht", sagt er. Selbst in einem Land aber, in dem zusätzliche Schulden in Milliardenhöhe als "Sondervermögen" bezeichnet werden, sei die Bezeichnung von steigenden Ausgaben als "gebremste Ausgaben" ein besonders dreister Versuch, die Bürger hinter die Fichte zu führen. "Das kommt mir vor wie die Art Krisenbewältigung durch Sprachdesign, mit dem die alten Lateiner einander ein X für ein U vormachten oder heute biologische Männer zu Frauen erklärt werden." Es komme nun offenbar überhaupt nicht mehr darauf an, was ist, sondern nur noch darauf, was sich daraus machen lasse, wenn alle mitziehen.




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