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Mitte Deutschland: Die stille Nazifizierung

Erste besorgte Stimmen weisen auf die wachsende Gefahr hin.

Die Verbreitung rechtsextremer Einstellungen unter der deutschen Politikern und Medienschaffenden hat einer aktuellen Studie zufolge seit dem Wiederanlaufen des Parlamentsbetriebes in Berlin stark zugenommen. In ihrer am Freitag veröffentlichten Untersuchung stellen die Forscher des An-Institut für Angewandte Entropie der Bundeskulturstiftung fest, dass jeder zweite Politiker, der sich zuletzt öffentlich äußerte, ein rechtsextremes Weltbild vorzuweisen hatte. Mit etwa 50 Prozent sei der Anteil gegenüber dem Niveau des Vormonats damit auf das Sechsfache gestiegen, heißt es in der Untersuchung.

Ein mächtiger Rechtsruck

Zu übersehen ist das auch für den normalen Politik- und Medienkonsumenten kaum Mehr.  Vorbei sind die Zeiten, als mit Angela Merkel eine Kanzlerin den globalen Migrationspakt gegen eine Bevölkerungsmehrheit verteidige und durch den Bundestag beschließen ließ. Heute schweigt ihr Nachfolger in dröhnender Lautstärke. Und er nimmt dabei gern in Kauf, dass  die Scharfmacher aus seiner Partei mit ihren fremdenfeindlichen Ansichten hausieren gehen: Eine Innenministerin zieht Grenzzäune hoch und will Verfolgten aus bestimmten Staaten das Asylrecht verweigern. Der Alt-Parteichef seht sich nach dänischen Verhältnissen, mit knallhart zugeschlagenen Türen. Kommunalpolitiker schreiben Brandbriefe, die die Flammen anheizen.

Doch was der progressiven Bevölkerungsschicht als deutlicher Hinweis darauf gilt, dass auch mit dem  früheren Hamburger Sozialdemokraten Scholz die gesamte deutsche Sozialdemokratie deutlich nach rechts abgerutscht ist, befeuert das Vorbild Nachahmer aus anderen Parteien, die wiederum Medien motivieren, nun auch ins populistische Horn zu stoßen. Die EU-Chefin predigt schärfere Beobachtung des Zustroms, der linke Noch-Regierungschef in Thüringen zieht mit der Parole "Land und Kommunen am Limit" in den Wahlkampf um Stimmen von der extremen Rechten und der Wagenknecht-Partei. 

Rollenspiele als Scharfmacher

Selbst die grüne Parteivorsitzende Ricarda Lang gefällt sich in der Rolle der Scharfmacherin: "Um zu verringern, dass immer mehr Menschen ankommen, brauchen wir jetzt Migrations- und Rückführungsabkommen", die sowohl gesteuerte Migration ermöglichen als auch Rückführungen erleichterten. Unausgesprochen schwingt da auch die Erwartung mit, durch eine demonstrativ vertretene Abschottungspolitik ein paar der verlorenen Umfrageprozente wieder  aufzuholen.

Da darf der Bundespräsident als Vertreter auch der Bürgerinnen und Bürger am äußersten rechten Rand nicht fehlen. Geradezu brutal hat Walter Steinmeier jetzt eingeräumt, dass bei Diskussionen um die Migration seit Jahren gelogen worden sei. Wie sein Vorgänger Achim Gauck, der das dänische Ziel, keinen einzigen Flüchtling mehr aufzunehmen, ausdrücklich gelobt hatte, forderte der frühere Sozialdemokrat seine Kolleginnen und Kollegen im Elfenbeinturm auf,  nicht mehr "von einem hohen moralischen Sockel" auf die Menschenfeinde im Land zu blicken. Fakt sei doch, dass "die wachsende Zahl der Flüchtlinge Kommunen ans Ende ihrer Leistungskraft" bringe. 

Zu viele, zu schnell

Solche Vorlagen öffnen alle Schleusen. So provoziert das ZDF mit Sendungstiteln wie "Zu viele, zu schnell – lässt sich Migration begrenzen?", die ARD zeigt Bilder mitten im bayrischen und hessischen Landtagswahlkampf Horrorbilder aus Lampedusa und der Deutschlandfunk beschreibt eine "Begrenzung der Migration" als praktischen Weg zur Wiederherstellung einer Kanzlerdemokratie, in der eine oder einer das Sagen hat und die anderen vertrauensvoll folgen.

Für Hans Achtelbuscher, der am An-Institut üblicherweise zum Themensterben in den deutschen Medien und demokratischen Sprachregelungsmechanismen forscht, kann von einer rechtsextremen Einstellung nicht automatisch darauf geschlossen werden, wo sich jemand selbst politisch verortet. "Unsere Studie zeigt deutlich, wie beispielsweise ein sehr extremes Verständnis individueller Freiheit ins Autoritäre umschlagen kann."

"Unter Politikern, die sich klar als links positionieren, gibt es dabei mehr Menschen, die ein gefestigtes rechtsextremes Weltbild teilen, als es in der politischen Mitte der Fall ist", betont Achtelbuscher unter Verweis auf die absoluten Zahlen. "Von Linkspartei über Grüne und SPD verstehen sich ja derzeit drei der sieben Bundestagsparteien ausdrücklich als Linke", sagt er. Dazu kämen noch die breiten linken Ränder von CDU und FDP. Zugenommen habe also nicht der Anteil der Befragten, der sich Rechts Der Mitte verorte, sondern der, der rechts der Mitte stehe.

"Ausufernde Bleiberechte" im Visier

Wo "ausufernde Bleiberechte für ausreisepflichtige Personen" begrenzt werden sollten und klipp und klar gesagt werde, dass es "nötig sei, dass weniger Menschen ankämen" (Steinmeier), brauche es jedoch kein großes Rätselraten, wes' Geistes Kind die Urheber solcher rechtspopulistischen Forderungen seien. "Erst mit der AfD abstimmen, dann die Anreize für Sekundärmigration – also für den Umzug von Geflüchteten aus einem Land der Europäischen Union in ein anderes – senken wollen, "umreißt Achtelbuscher ein Beispiel. Andere seien die Thüringer Einheitsfront von links bis rechts, der grüne Sündenfall von Backnang und der Hildburghausener Tabubruch, mit dem die SPD alle Brandmauern einriss.

Überraschend ist der Trend nicht, wenn man auf die Ergebnisse der Wählerumfragen der vergangenen Wochen schaut. Dort lag die rechtspopulistische AfD bundesweit bei etwa 22 Prozent, ohre Parolen und Politikangebote kommen an, die an der anderen Parteien immer weniger. Die ordnen nun die Auslage neu: Statt noch mehr Belastungen, Verbote und höhere Preise für noch mehr Klimarettung, Wohlstandsrückbau und größere Politikpaläste mit noch mehr Personal und automatischen Gehaltserhöhungen zu versprechen, werden zentrale Merkmale des Rechtsextremismus aufgewärmt.

Sehnsucht nach starkem Mann

Überall taucht plötzlich wieder Deutschland auf, als "Pakt" und als Geschwindigkeit, als Fahrkarte und Bahntakt. "Man kommt sich vor wie in der Vollversammlung eines Neonazinetzwerk", kritisiert Hans Achtelbuscher. Im Vergleich zu den Vorjahren werde der Vorwurf der beschnittenen Meinungsfreiheit heute von deutlich mehr Politikern geteilt, heißt es in der Studie. Gleiche gilt für die völkische Forderung, jeder Staat solle erst einmal bei sich daheim  für Ordnung schaffen, ehe er andere belehrt." Bis in den Gemeinsinnfunk wird der Versuchung nachgegeben, Aussagen zuzustimmen, nach denen ein starker Mann am besten Machtwort spreche, um leidige öffentliche Diskussionen im Handstreich zu beenden. "Niemand schämt sich mehr, eine Diktatur zu befürworten."

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