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Faeser-Vorschlag: Ein neues Volk für die alte Politik

Das Wahlkarussell dreht sich und enttäuschte Wahlkämpfer werden unruhig.

Den Vorschlag, dass sich die Politik ein neues Volk wählen könne, wenn das alte ihr nicht mehr zu folgen bereit sei, hat Bertolt Brecht schon vor ein 70 Jahren auf den Tisch gelegt. Verfolgt wird er dennoch bisher nur halbherzig, mal wird Teenagern zugestanden, zumindest bei symbolischen Wahlveranstaltungen mit nur halbdemokratischen Regeln mit an die Urne treten zu dürfen, mal werden Versuche unternommen, auch Kinder zu instrumentalisieren und ihren Erziehungsberechtigten ein zusätzlichen stellvertretendes Wahlrecht zu verleihen, um die alte Regel "one man, one vote" in eine neue, bunte und diverse Zeit zu transformieren.

Der falsche Wähler

Furcht herrscht allenthalben, Furcht, dass auch die ungewöhnlichen Methoden und die gewohnten Reflexe zur Mobilisierung neuer Wählerinnen und Wähler auf Dauer nicht reichen könnte, die Verhältnisse auf alle Zeit sicher zu zementieren. Bundesinnenministerin Nancy Faeser, seit Wochen so sehr in einen von Anfang an verlorenen Wahlkampf in Hessen verstrickt, dass ihr kaum noch Zeit bleibt, sich um ihre eigentliche Amtsführung zu kümmern, hat nun eine neue Idee eingebracht, die die Sozialdemokratin vermutlich für überaus progressiv hält. 

Danach sollen Flüchtlinge mit unbefristetem Aufenthaltstitel, die schon länger Als Sechs Monate im Land sind, von einer künftigen sozialdemokratisch geführten hessischen Landesregierung das Recht bekommen, bei Kommunalwahlen mitabstimmen zu dürfen. Im Augenblick dürfen das nur deutsche Staatsbürger und Inhaber von Pässen befreundeter Wertepartner in der EU.

Die Umfragen aber zeigen: das wird für die SPD, die in Hessen mehr als 40 Jahre lang Staatspartei war, nicht reichen. Zwar hält sich die frühere Arbeiterpartei in ihrem früheren Stammland mit immer noch rund 18 bis 19 Prozent der Stimmen auf einem in der deutschen Sozialdemokratie inzwischen als achtbar geltenden Platz 2. Doch auch die Ausweitung des Wahlrechts auf Nicht-EU-Bürger mit unbefristetem Aufenthaltstitel, die mindestens Sechs Monate in Deutschland leben, dürfte kaum ausreichen, der als kalt, trickreich und absolut berechenbar geltenden Verfechterin von scharfer Überwachung der Kommunikation der Bürger und verfassungswidriger anlassloser Vorratsdatenspeicherung die Herzen zufliegen zu lassen. 

Viel zu klein gedacht

Das sei alles zu klein gedacht, zu kurz und zu sehr in der eigenen Blase verhaftet, urteilt der Medienwissenschaftler Hans Achtelbuscher, der sich deutliche rabiatere Vorschläge von der verzweifelt ums politische Überleben kämpfenden Sozialdemokratin gewünscht hätte.

"Das Festhalten am demonstrativen Ausschluss von beinahe acht Milliarden Ausländern von der Teilnahme an Wahlen in Hessen, wie ihn Faesers Wahlprogramm vorsieht, ist einfach nur schäbig", sagt der Kommunikationsforscher, der am An-Institut für Angewandte Entropie der Bundeskulturstiftung untersucht, wie sich offizielle Sprachregelungsmechanismen und subkutane Wünsche auf die berichterstattete Realität und das Themensterben in den deutschen Medien auswirken.

Faeser habe wohl einen Befreiungsschlag vorgehabt, als sie in ihr Wahlprogramm schreiben ließ, dass die hessische SPD sich "mit Nachdruck dafür einsetzen" wolle, "dass alle Menschen, die länger als sechs Monate in hessischen Kommunen leben, ein kommunales Wahlrecht erhalten." Das aber sei zu kurz gesprungen. "Warum sechs Monate, warum nicht sechs Wochen oder sechs Tage?", fragt sich der Forscher.

Die Hoffnung, im Gegenzug aus Dankbarkeit von einer Vielzahl anerkannter Asylbewerber aus dem nahen und fernen Osten, aber auch aus Afrika und Osteuropa, die seit langem auf demokratische Partizipationsmöglichkeiten warten, gewählt zu werden, sei in dieser Strategie deutlich erkennbar. "Zugleich aber zeigt sich, dass Nancy Faeser nicht in der Lage ist, wirklich durchgreifend neu zu denken."

Viel zu enge Grenzen

Warum denn nur anerkannte Asylbewerber? Weshalb nur kommunal? Und warum denn eine neue Zwei-Klassen-Gesellschaft?, fragt sich der ausgewiesene Entropie-Experte. Seit Jahren schon dürften in Deutschland Doppel- und Dreifachstaatsbürger über Bundesregierungen und Kanzler mitabstimmen, Bürgerinnen und Bürger aus anderen EU-Ländern seien eingeladen, nicht nur dort zu Wahlen zu gehen, sondern auch hier. Damit sei das Wahlrecht faktisch nicht mehr wie früher an eine bestimmte Staatsbürgerschaft gebunden. 

"Jemand, der Türke ist und Deutscher wird, kann ja seine türkische Staatsbürgerschaft durch diese Einbürgerung nicht einmal ablegen, wenn er will." Dadurch stehe ihm die Möglichkeit offen, in der Türkei und in Deutschland zu wählen, zahlreiche Fälle seien zudem bekannt, in denen eine dritte Staatsbürgerschaft wie etwa die amerikanische oder kanadische weitere Wahlteilnahmen ermögliche. 

Unwucht bei Wahlberechtigten

"Um diese Unwucht zu beseitigen, hätte Frau Faeser eine Öffnung der Wahlteilnahme in Deutschland für jedermann ankündigen sollen." Gerade Touristen und Urlauber, aber auch Nicht-EU-Bürgerinnen und Bürger, die weder eine Einbürgerung wünschen noch integriert werden wollen, seien als vorübergehend Aufenthaltssuchende ein Wählerpotenzial, auf das die deutsche Sozialdemokratie in Zukunft nicht verzichten könne.

"In Hessen werden sie vermutlich noch überleben, denn dort werden Frau Faeser nun die Herzen fliegen", glaubt Hans Achtelbuscher: "Aber wie sieht es denn in Sachsen aus?" Der selbst lange mit Buschzulage in den Neuen Ländern tätige Wissenschaftler sieht schwarz für die Roten. "Wenn Frau Faeser nicht noch ein Kaninchen aus dem Käfig zieht, endet der Traum von der Staatskanzlei am Wahltag."



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