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Bitte weitergehen: Es gibt nichts zu sehen

Klare Ansage der Lübecker Polizei: Auch Ereignisse im öffentlichen Raum gehen die Öffentlichkeit nichts an.

Es war eine ernste Ermahnung, mit der die Polizei in Schleswig-Holstein Neugierige und Überaufmerksame vor der weiteren Verbreitung eines Videos von "einer gewaltsamen Auseinandersetzung" (Polizeisprecher) warnte, bei der mindestens ein Mensch verletzt worden war. "Es reicht, wenn die Richtigen Stellen die Wahrheit sehen und dazu ermitteln" hieß es, die Filmsequenzen vom Aneinandergeraten "mehrerer Personen in der Sandstraße in Lübeck" gehörten "nicht in die Öffentlichkeit!" Man fordere dazu auf, "das Video von eigenen Geräten umgehend zu löschen und auf keinen Fall weiter zu verbreiten", denn "es könnten dadurch Straftatbestände erfüllt werden".

Das "Urhebergesetz" will es so

Werden, nicht sein. Welche genau, dazu schwieg sich der Polizeisprecher aus, allerdings ermittelte das teilstaatliche Nachrichtenportal, dass unter Umständen "ein Verstoß nach dem Urhebergesetz". Gemeint war damit wohl das Urheberrechtsgesetz, das den Herstellern "von geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst", unter die auch "Filmwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Filmwerke geschaffen werden" fallen, das das Recht einräumt, "zu bestimmen, ob und wie sein Werk zu veröffentlichen ist". 

Die Bild-Zeitung hatte das zuvor in sozialen Medien veröffentlichte Video auf ihrer Homepage gezeigt - immerhin mit der Quelle "Privat", nicht wie der "Spiegel", der unter fremde Werke gern "Quelle: Spiegel Online" schreibt. Oder die "Tagesschau", die gern "Youtube" als Urheber angibt. Zu sehen ist, wie mehrere junge Männer einen am Boden liegenden Menschen brutal Zusammentreten, anschließend zeigt der Film Prügeleien zwischen mehreren anderen Männern, deren Attacken auch ein offenbar zufällig anwesender älterer Mann zum Opfer fällt.

Echt, aber falsch

Das Video ist offenkundig echt, die Ereignisse haben sich genau so zugetragen. Auch die Lübecker Polizei-Pressestelle stellt das gar nicht in Abrede. Aus Sicht der Polizei aber ist das kein Grund, die dokumentarische Darstellung der "gewaltsamen Auseinandersetzung, nach der ein Mann ins Krankenhaus musste" (Polizei) zu verbreiten. Hintergründe und Umstände des Tatgeschehens seien "Gegenstand von Ermittlungen" der Kriminalpolizei. "Diese laufen auf Hochtouren" und "vor diesem Hintergrund können aktuell keine weiteren Auskünfte erteilt werden". Bis zum Abschluss des Verfahrens aber, und vermutlich auch darüber hinaus, habe die Öffentlichkeit kein Recht auf bewegte Bilder des Geschehens, die ausschließlich der "Sensationsgier" (Polizei) dienten.

Irgendwo zwischen "Urhebergesetz" und Paragraph 131Strafgesetzbuch, der mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe jedem droht, der einen Inhalt erstellt oder verbreitet, "der grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen in einer Art schildert, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt", und Artikel 5 Grundgesetz, der jedem das Recht zubilligt, "seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten", hat die Polizei in Lübeck die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film abgeschafft. Und beschlossen, die verfassungsrechtlichen Zusicherung "Eine Zensur findet nicht statt"  durch eine Strafandrohung auszuhebeln.

Nicht notwendige Informationen

Zensur ist das nicht. Aber der Versuch, einzuschüchtern, einzudämmen und letztlich auslöschen, was an Information "nicht notwendig" (Polizei) erscheint. Wenn die richtigen Stellen die Wahrheit sehen, reicht das aus, zumal sich in diesem Fall die "richtigen Stellen" auch noch selbst zu den richtigen Stellen ernennen können, ohne dass ein Widerspruchsverfahren vorgesehen ist. 

Eine bequeme Lösung gegen zu viel störende öffentliche Aufmerksamkeit, die sich zweifellos auch auf andere Fälle anwenden lassen wird, ist sie erst einmal erfolgreich etabliert.



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