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Zehn-Punkte-Plan: Hoffen auf schlechteres Wetter

EU-Chefin Ursula Von Der Leyen reagiert klassisch auf den erneuten Zustrom über das Mittelmeer: Mit einem Zehn-Punkte-Plan.

Das ist nun wirklich nicht mehr das "freundliche Gesicht", das Angela Merkel der Welt zeigen wollte, als sie die Türen auf und die Tore weit machte. Nun aber, wo die zweite große Flüchtlingswelle alle Gewissheiten einer gemeinsamen europäischen Flüchtlingslösung wegzufegen droht, greift die EU verbal zu schwerstem Geschütz: Einer der traditionell in höchster Not verkündeten Zehn-Punkte-Pläne soll angesichts der aktuellen Ankunftszahlen im italienischen Lampedusa noch einmal Zeit kaufen und die Bürger in der Europäischen Gemeinschaft beruhigen.  

Lage im Griff

Die Lage ist im Griff, der Punkte-Plan, der überraschend rasch auf die große historische europäische Flüchtlingseinigung von Anfang Juli folgt, wird neue Pflöcke einschlagen. Die "EU will Flüchtlinge stärker bekämpfen", schreibt die Süddeutsche Zeitung nicht, aber die "Migration", die immerhin werde nun schon bald "stärker bekämpft". Ein Durchbruch, zumindest gemessen an den Tagen, als selbst das Wort "Flüchtling" gestrichen und durch "Geflüchtete" ersetzt werden sollte. 

Ursula Von Der Leyen, gerade noch mit Sporen und Revolvergurt unterwegs zu einem Feldzug gegen China, steht nun schon ratlos an der Mole des Hafens der "kleinen italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa, die nur 140 Kilometer vor der afrikanischen Küste liegt" und "die Hauptlast der über See Kommenden" (SZ) tragen muss, weil es stets einige Zeit dauert, bis die Neuankömmlinge sich Richtung Norden aufmachen können. 

Bäckerpause für den Zustrom

Seit die von quälenden Affären verfolgte Bundesinnenministerin Nancy Faeser mit Rücksicht auf den hessischen Wahlkampf beschlossen hat, die Habecksche Bäckerpause auf den Großen Europäischen Solidaritätsmechanismus (GES) anzuwenden, ihn also keinesfalls überhaupt nicht auszusetzen, sondern derzeit nur nicht mehr für Übernahmen von Flüchtlingen aus Italien zu nutzen, kann sich die Bundesregierung vor Vorschlägen zu Obergrenzen auch ohne atmenden Deckel, Grenzkontrollen und schärferen Abschieberegelankündigungen kaum noch retten. Von Sigmar Gabriel über Wolfgang Schäuble und Marieluise Beck stehen die emeritierten Anführer aus den Tagen des 2015er Zustroms Spalier, um auf der Tribüne Tabus zu brechen. Irgendwo ist Schluss. So viel Platz habe selbst Deutschland nicht. 

Der übliche Aufschrei bleibt aus. Im Kampf gegen rechts scheint zumindest ein angedeuteter Rechtsruck unausweichlich. Das weiß auch Ursula von Der Leyen, die deshalb sichtlich verzweifelt versucht, die als "Beschluss zur europäischen Asylpolitik" bezeichnete gescheiterte Einigung auf ein gemeinsames europäisches Asylrecht durch noch mehr angekündigte Symbolhandlungen vor einer Totalrevision zu retten. Von der Leyen setzt dazu auf "mehr Überwachung auf See und aus der Luft". Dadurch könnte die EU künftig mehrere Stunden früher wissen, wer und wie viele Ankünfte zu erwarten sind.

In aller Ruhe Optionen prüfen

Eingesetzt werden soll dazu vor allem die EU-Grenzschutzagentur Frontex, eine multinationale Behörde, die einem EU-Beschluss von 2018 nach heute etwa 6.000 Mitarbeiter haben sollte und ihre "Schlüsselrolle bei den Bemühungen der EU, den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu schützen" (Frontex), deshalb im Moment mit 1.500 Beamten spielt. Von der Leyens Zehn-Punkte-Plan sieht zudem vor, angesichts der akut bedrohlichen Situation etwa an der italienischen Südgrenze und der Unwilligkeit der machthabenden "Faschisten" (SZ) in Rom, weiter auf gemeinsame Beschlüsse zu warten, "Optionen zur Ausweitung bestehender Marineeinsätze im Mittelmeer auszuloten" oder sogar in aller Ruhe "an neuen Einsätzen zu arbeiten". Zudem bietet die EU den Mitgliedsstaaten "Unterstützung bei der Verteilung sowie Rückführung von Migranten" an, ohne dass es dazu auf die Schnelle konkrete Pläne oder im EU-Recht irgendeine Zuständigkeit gäbe.

Ursula von der Leyen weiß, dass nun nur noch das Wetter helfen kann. Kommt der Herbst, lässt der Zustrom erfahrungsgemäß nach. Bis dahin heißt es, mit dem zu wirtschaften, was die Gemeinschaft nicht hat: Eine gemeinsame Situationsanalyse, gemeinsame Überzeugungen, welche Faktoren den "Zustrom" (Angela Merkel) befeuern. Und ein Bewusstsein dafür, dass es ausgerechnet "mit Hilfe der europäischen Asylbehörde" (von der Leyen) als zusätzliche Institution möglich sein könnte, "schnellere Asylverfahren" durchzuführen, um "diejenigen schneller zurückzuführen, die kein Recht auf Asyl haben" (SZ).

Bekämpfung der Fluchtursachen

Klar ist, dass bis zur EU-Wahl Anfang Juni so getan werden muss, als werde etwas getan. Wie immer hat von der Leyen zugesichert, dass die EU mit Tunesien an der "Umsetzung des Migrationsabkommens" arbeiten werde, diesmal sogar an der "tatsächlichen Umsetzung". Wie immer werden auch neue Verträge mit weiteren Staaten in Aussicht gestellt und betont, dass die Ausbildung der tunesischen Küstenwache und anderer Strafverfolgungsbehörden verbessert werde. Hilft das alles nicht, kommt schon im Verlauf der nächsten Tage auch wieder der Klassiker von der "Bekämpfung der Fluchtursachen" auf die Tagesordnung - ein Joker, den Ursula von der Leyen  in ihrem Zehn-Punkte-Plan ausdrücklich noch ausgespart.



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