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Fragwürdige Bestände: Wie der Staat Hass und Hetze hortet

In den Beständen der Deutschen Nationalbibliothek finden sich neben nützlicher und gutgemeinter Literatur auch zahllose Bücher von sehr fragwürdigem Charakter.
Es gibt sie durchaus, die Bemühungen, Hass, Hetze und falsche Zungenschläge aus dem öffentlichen Leben zu verbannen. Ob Winnetou, Jim Knopf und oder Onkel Dagobert, Liedtexte von bekannten Hits oder Kinofilme aus untergegangenen Staaten: Sobald bekannt wird, dass sie Anlass zu einer Debatte über rassistische, sexistische oder nicht zeitgemäße Inhalte geben könnten, wird inzwischen konsequent überarbeitet, umgeschrieben, neu formuliert und im Geist der aktuellen Sichtweise verbessert.

Plattform für Hetze und Hass

Zugleich aber ist es ausgerechnet der demokratische deutsche Verfassungsstaat, der in seiner Nationalbibliothek seit 1912 Bücher, Zeitschriften und Karten sammelt, ohne auf Inhaltssensibilität zu achten. Seit mehr als 100 Jahren beruft sich die Bundesinstitution auf ihren vermeintlich unpolitischen  Auftrag, das sogenannte "nationale Schrifttum" vollständig zu sammeln und zu archivieren. Bereits die Wortwahl verrät, wes' Geistes Kind so manche Originalausgabe ist, die in den Zweigstellen in Leipzig und Frankfurt am Main gehortet wird: Es geht um "deutsches Schrifttum", ausgeschlossen sind alle Autoren, die nicht auf Deutsch schreiben Oder zumindest in Deutschland leben. Eine Praxis, die 99 Prozent der Weltbevölkerung rigoros ausschließt.

Offene Türen dagegen hat die Deutsche Nationalbibliothek bis heute auch für fragwürdigste Inhalte. Wo andere nationale Institutionen längst auf inhaltlicher Ebene Verantwortung zeigen, agiert ausgerechnet die mit Steuergeldern finanzierte DNB angeblich "wertneutral", in Wirklichkeit aber unter Missachtung aller Werte, die Deutschland und die europäischen Partner teilen. 

Unter den heute gehorteten mehr als 41 Millionen Medien finden sich in Leipzig und Frankfurt auch reihenweise Veröffentlichungen, die von Demokraten abzulehnen sind. Klimaleugnende Machwerke, Friedenspropaganda, EU-kritische Schriften und rechtsradikales Gedöhns - im Gegensatz zur Zeit nach 1933, als die Bücherei dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda unterstand und es ihr verboten war, fragwürdige staatskritische Schriften oder Bücher von Exilanten im Bestand anzuzeigen, führt der Katalog heute stolz sogar beide Bände von Hitlers Machwerk "Mein Kampf".

Forderungen nach Reinigung

Verstörend vor allem: Diese Praxis gilt allgemein als anerkannt. Weder das investigative "Monitor"-Magazin des auf gesellschaftliche Missstände wie diesen abonnierten Georg Restle noch der für seine aufklärerische Arbeit gegen die Feinde der offenen Gesellschaft bekannte Jan Böhmermann haben sich des Themas bisher angenommen. Auch der "Spiegel"und die übrigen Leitmedien schweigen fein still. Womöglich, weil sie bisher allesamt selbst im Archiv der DNB vertreten sind und fürchten, dieses Privileg zu verlieren, wenn erst inhaltlich sauber gesammelt wird.

Von Plänen oder auch nur Forderungen, dass die Bestände gereinigt und von aus der Zeit gefallenen Büchern befreit werden sollten, ist denn bisher auch wenig bis nichts zu hören gewesen. Jetzt erst hat der Herrnfried Hegenzecht, Chef des Bundesblogampelamtes (BBAA) im mecklenburgischen Warin, die Diskussion um eine notwendige Demokratisierung der gehorteten Bücherschätze eröffnet. "Im Rahmen eines kontinuierlichen Engagements für Vielfalt und Inklusion kommen wir nicht darum herum, den Katalog der dort gelagerten Druckwerke zu überprüfen", schrieb Hegenzecht in einem Gastbeitrag in der britischen Fachzeitschrift "Printed works and book lovers". 

Nicht mehr zeitgemäß

Seiner Ansicht nach sei eine Vielzahl der in Sachsen und Hessen mit viel Steuergeld aufbewahrten Bestände heute bereits nicht mehr zeitgemäß. Noch mehr Bücher und Zeitschriften seien sogar mit Blick auf künftige Änderungen des "gesellschaftlichen Gemütszustandes" wie Hegenzecht es nennt, auf eine Liste von immer wieder zu monitorenden Publikationen zu setzen. In diesen Büchern träten vielleicht nicht Charaktere auf, die heute schon rassistische Klischees erfüllen, doch das könne sich jederzeit ändern. "Mit Umschreiben und Schwärzen wird es in vielen Fällen nicht getan sein", fürchtet der ausgebildete Kunsthistoriker. Besser als erweiterte und mit Warnhinweisen versehene Neuausgaben aufzulegen, sei es in vielen Fällen, die entsprechenden Werke dem Vergessen anheimfallen zu lassen.

Dazu müsse die Deutsche Nationalbibliothek als nationales Gedächtnis des deutschen Schrifttums freilich ihren Beitrag leisten. "So lange sich dort von jedem gedruckten Dreck ein Exemplar findet, wird es den Gegner*innen der offenen, vielfältigen Gesellschaft stets möglich sein, diese Machwerke aus dem Orkus wieder ans Licht zu befördern. "Es ist ein Kampf gegen Windmühlen, so lange die Quelle des Hasses sprudelt", sagt Deutschland oberster Meinungsaufseher.

Rückkehr alter Fake News

Getarnt als kommentierte und kontextualisierte Ausgaben, so Herrnfried Hegenzecht, würden Geschichten von rassistischen Abenteurern wie Robinson Crusoe, von toxischen Männern wie Spartakus und selbst längst enttarnte fake news wie die berühmten Hitler-Tagebücher des "Stern" oder die Relotius-Reportagen des früheren Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" immer wieder auferstehen. "Wir als Meinungsfreiheitsschutzbehörde stehen auf verlorenem Posten, wenn jemand behauptet, er könne im Anhang einen Begleittext abdrucken, mit dem Hetze, Hass und Zweifel bis hin zu rassistischen Stereotypen historisch eingebunden und erläutert werden." 

Selbst zehn Jahre nach der von der damaligen Familienministerin Kristina Schröder ausgelösten Kinderbuchdebatte, die zur Verwandlung des "Nwortkönigs" in "Pippi Langstrumpf" in einen sogenannten "Südseekönig" sorgte, fänden sich die Originale mit dem verbotenen Begriff weiterhin im Bibliotheksbestand, ebenso wie etwa andere Bücher wie "Die Kleine Hexe", Jim Knopf und "Winnetou". Müsse er sich milde ausdrücken, löse das bei ihm Unverständnis aus, formuliert Herrnfried Hegenzecht vorsichtig.  Längst sei das Bewusstsein in der Verlagsbranche geschärft, bei den Bibliothekaren aber herrsche nach wie vor organisierte Verantwortungslosigkeit. 

Wir müssen da gesetzlich ran, etwa mit einer klaren Vorgabe zur inhaltlichen Sammlung, die möglicherweise problematische Bücher grundsätzlich ignoriert", so Hegenzecht. Dass dabei auch zentrale Texte der Literaturgeschichte unter den Tisch fallen könnten, müsse als Kollateralschaden hingenommen werden. "Ich denke nicht", betont der BBAA-Chef, "dass eine klischeehaft gezeichnete Figur wie Heidi heutigen Kindern tatsächlich fehlen würde, gäbe es sie nicht mehr." Man müsse ehrlich genug sein und sich eingestehen: "Viele Bücher haben es aus heutiger Sicht allemal verdient, in der Versenkung zu verschwinden."



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