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Gewalt, Sex, Rassismus: Diese Lieder gehören nicht mehr gehört

Das Trio "Trio" rühmt in seinem Hit "Dadada" gesellschaftliche Kälte und Hass.

Seit Jahrzehnten werden Musikstücke wie "Dadada" oder "The Winner takes it all " in aller Öffentlichkeit abgespielt und aufgeführt. Zuhörern gelten sie oft als leichte Kost, gut zum Tanzen und Feiern. Doch das heißt nicht, dass sie noch zeitgemäß sind, sagen Experten. In Wirklichkeit verstecke sich hinter den fröhlichen Melodien mit den ins Ohr gehenden vermeintlich harmlosen Texten häufig rechtsradikales, ja, sogar rechtsextremes Gedankengut, das den Kapitalismus preise, Konkurrenzdenken rühme oder den Klimawandel leugne.  

Dadada, eine Hassbotschaft

Dadada, ich lieb' dich nicht, Du liebst mich nicht", klingt im ersten Moment wie ein Blödereim, der sich nicht einmal reimt. Doch Frauke Hahnwech, die als Gebärdendolmetscherin im sächsischen Bitterfeld praktiziert und als intime Kennerin der Berliner Bühne schon wegweisende EU-Papiere etwa zur "Just-Transition-Strategy" aus dem Politischen ins Deutsche übersetzt hat, kennt die Fallstricke, die sich gerade in der leichten Popmuse  verbergen. In dem in den 80er Jahren in der alten Bundesrepublik entstandenen Stück des Trios "Trio" hat die Expertin für subkutane Botschaften beispielsweise eine "direkte Hassbotschaft" entdeckt: "Das Lied ist zweifellos gesellschaftsschädlich, denn es ironisiert die gesellschaftliche Kälte", urteilt sie. 

Kein Wunder für Musik aus einem Land, das sich bis in die 90er Jahre weigerte, die deutsche Ostgrenze anzuerkennen. Und auch kein Einzelfall. In "Taxi nach Paris" rühmte der Sänger Felix des Luxe die private Verbrennermobilität bis zum Exzess, "Hurra, Hurra, die Schule brennt" gilt als Loblied auf Gewalt und Terror gegen staatliche Einrichtungen und beim "König von Deutschland" handele es sich zweifelsohne um eine Reichsbürgerhymne. Bis in das Repräsentationsgebahren der Republik schwappt der unachtsame Einsatz fragwürdiger Gesänge. Die sogenannte "Nationalhymne", von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben in einer längst überwunden geglaubten Zeit gedichtet, beharrt mit Begriffen wie "brüderlich" und Vaterland" auf dem Ausschluss von Frauen und Schwestern.

Gefährliches Liedgut

Frauke Hahnwech zeigt sich betroffen vom laschen Umgang der Gesellschaft mit dergleichen gefährlichem Liedgut. "Ich dachte lange, wir sind da schon weiter", seufzt sie. Doch die genannten Evergreens sind nur einige Beispiele aus einer viel längeren Reihe an ehemaligen Hits, die längst nicht mehr zeitgemäß sind. "Man sollte im Hinterkopf behalten, dass angesichts der Geisteshaltung, die sich in Liedern wie ,Das Modell" der Formation Kraftwerk oder ,Autostop' von der sogenannten Spider Murphy Gang steckt, nur eine kompromisslose Haltung hilft, kommende Generationen vor den falschen Rollenbilden zu schützen, die da vermittelt werden." 

Das "Modell" beschwöre Mit Zeilen Wie "sie ist ein Model und sie sieht gut aus" überkommene Schönheitsideale, der "Autostop" gipfele gar in der Aussage "liaba war ma a Sportcoupé!" Für den aufmerksamen Zuhörer sei sofort erkennbar, dass "Lieder dieser Art den heute benötigten Debatten nichts Nützliches hinzufügen können", wie die auch als Musikethnologin ausgebildete Hahnwech sagt.

Unvorsichtiger Alltagsumgang

Im unvorsichtigen Alltagsumgang mit solchen Songs aber zeige sich, dass sich kaum jemand ernsthaft mit den Hintergründen der Machwerke befasse. "Sie werden auf Partys mitgegröhlt, denn wer das tut, bekommt hierfür Bestätigung." Für noch weitaus schlimmer aber hält die Ethnologin die Ignoranz selbst in progressiven Kreisen, die aufschimmert, wenn es um internationales Liedgut geht. Paul McCarneys Welthit "Ebony and Ivory" nennt Hahnwech, die einer kleinen Band spielt, die auf bulgarische Folklore spezialisiert ist, spontan als Beispiel. "There is good and bad in ev'ryone, schreibt der weiße, privilegierte Multimillionär da", analysiert sie: "Als stehe es ihm zu, Schwarze Menschen als nicht besser als Seinesgleichen zu bezeichnen."

Es heiße immer, genau hinzuhören, rassistische Weltbilder zu enttarnen, sich gerade machen gegen Gesang, der stereotype Anschauungen predige, kulturelle Aneignung wie "Cotton Eye Joe" oder gar Gewalt gegen Frauen wie "Hit me Baby one more time" schonungslos anzuprangern. Auch Lieder wie "The Winner takes it all" haben einen ähnlich empörenden Hintergrund. "The winner takes it all, the loser's standing small beside the victory, that's her destiny" entschlüsselt Frauke Hahnwech das von einer schwedischen Formation propagierte Loblied auf das kapitalistische Konkurrenzdenken.

Rassistische Weltbilder

Die Experten ist sicher, dass schon die Musikerziehung im Kindergarten und Grundschule darauf achten, muss, Heranwachsende und andere vulnerable Gruppen vor Liedern mit rassistischen und mysogynen  Weltbildern zu warnen. "Aufklärung im Kindesalter ist wichtig", sagt sie. Kinder könnten die Bedeutung der Begriffe und den geschichtlichen Kontext nicht begreifen und neigen dadurch zur leichtfertigen Übernahme von oft stereotypen Menschenbeschreibungen.

Oft kennen Kinder diese Lieder zum Beispiel schon von zu Hause", wo Eltern sie unbefangen abspielen, weil sie zu ihrer Zeit als "normal" gegolten hätten. "So kommt es, dass sich selbst eine Klimaleugnungshymne wie "Here comes the sun" von den britischen Beatles immer noch großer Beliebtheit erfreut." Dabei verharmlose das Lied mit Zeilen wie "Here comes the sun and I say, it′s all right" nicht nur die Notwendigkeit der Einhaltung des Zwei-Grad-Zieles, sondern rühme mit Reinem wie "Building me a fence, building me a home" auch den Bau von Zäunen und klimaschädlichen Einfamilienhäusern.

Suche nach gesellschaftlichem Konsens

Hahnwech dringt auf einen Konsens, nach dem derart veraltete Kunst mit so ungeheuerlichen Liedtexten  kritisch beäugt und geächtet werden müssen. Der Kampf gegen den Klimawandel werde durch das Lied ins Lächerliche gezogen, aber nicht nur durch dieses. "Auch Lana del Ray hat dem Bestreben der Menschheit und des Bundesministers für Gesundheit, den Kampf gegen die Hitze aufzunehmen, mit ihrer Neuaufnahme des längst vergessenen Liedes "Summertime" sicher keinen Gefallen getan. Frauke Hahnwech singt leise an: "Summerime, and the livin' is easy". Sie schüttelt den Kopf. "Unmöglich."

"A boy named Sue" gebe Transmenschen der Lächerlichkeit preis, das "Paint it black" der Rolling Stones mache sich über Schwarze Menschen lustig. "Aber das subtile Spiel mit den allzu deutlichen Codes und der Haltung, war doch nicht so gemeint", es funktioniert sagt Frauke Hahnwech. Postkoloniale Stereotype würden so zur Normalität, mit der Mentalität zufriedener Untertanen feierten Betroffene sich selbst als "Sklaven", riefen zum Kampf gegen die demokratischen Verhältnisse und unter Bezug auf finsterste Zeiten nach "one more time in for solutions". "Wenn wir als Mehrheitsgesellschaft nicht aufpassen, ziehen wir uns eine Generation heran, die jeden Respekt vor ordentlicher, sauberer Rockmusik verloren hat."



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