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Hass auf Schlanke: Wie Fettfans gegen Schönheitsideale kämpfen

Tags: dass aber sein
Google verbreitet ein Schönheitsideal, das Fettaktivistinnen gern abschaffen würden: Dünn, sportlich und ohne wabbelnde Massen von Fleisch und Fett.

Sie predigen dicke Bäuche statt schlanker Silhouetten, wabbelndes Fett statt fester Muskeln und den Griff zur kleinen Snack zwischendurch statt dem zum Laufschuh. Influencer wie die Körperaktivisten Melodie Michelberger, Charlotte Kuhrt und Anne-Luise Lübbe haben sich den Kampf auf das in den Gesellschaften des Westens herrschende allgemeine Schönheitsideal auf die Fahne geschrieben. Schlank Sein, dünn sein, hübsch sein, mit schmalen Fesseln, sportlich flachem Bauch und ohne hängendes Doppelkinn, so zu leben und das als normal anzusehen, sei ein Angriff auf alle, deren Körperlichkeit anders ausfalle.

Schlanksein ist Rassismus

Auf blankem Rassismus beruhe dieses Schönheitsideal, analysiert Melodie Michelberger, die über ihr konkretes Gewicht nicht spricht, dem Spruch "ein paar Kilo weniger würden Ihnen nicht schaden" aber als Ausdruck der überlebten Beauty-Doktrin einer männlich geprägten Welt voller "Du musst schlank sein"-Schönheitsideale aber entschieden entgegentritt. Kaum eine Frau passe in Konfektionsgröße 36, manche auch nicht in die 44 oder 46. Dennoch böten Modehersteller überwiegend Kleidung für diese Maße an. Ein sich selbst verstärkendes System: Internetsuchmachinen werfen auf Anfragen nach "schönen Frauen " oder "beautiful girls"  Stereotype aus, die mit dem Körper der Fettaktivistin gar nichts zu tun haben, sondern mit der Erwartungshaltung der Mehrheitsgesellschaft, die durch eben jene Stereotypen genährt wird.

Prantl belässt es oft beim Salat.
Für Michelberger und ihre Mitaktivistinnen ein Grund, Schlanke als Rassisten zu bezeichnen, Muskeln für verwerflich zu erklären und das Betreiben privater Sportübungen als Vorstufe zum Faschismus anzuprangern. Wer nicht wenigstens ein bisschen dick sei, gefährde für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Wer fette Menschen nicht schön finde und eher magere ungleich hässlicher, der sei kapitalistischer Verwertungslogik verhaftet, die Menschen sortiere und nach Verwendbarkeit gruppiere.

Der Hass auf Dünne

Über den neuen Hass auf Schlanke hat PPQ mit der Kolumnistin und Yoga-Lehrerin Svenja Prantl gesprochen, die bei einer Körpergröße von 1,79 Metern 58 Kilogramm wiegt und, wie sie selbst sagt, "sehr stolz" darauf ist, dieses Gewicht seit ihrem 15. Lebensjahr stabil zu halten.

PPQ: Blond, schlank, weiß, sportlich - so sehen nicht nur deutsche Fußballerinnen aus, sondern auch die Frauen, die man bei der Eingabe des Suchbegriffes "schöne Frauen" von Google geliefert bekommt. da sind die Bäuche flach, die Brüste klein und fest, die Beine lang und die weiße Haut ist leicht angebräunt. Sie selbst haben meist dunkles Haar, entsprechen aber davon abgesehen diesem vermeintlichen Ideal. Wie lebt es sich damit?

Prantl: Das kann ich Ihnen nicht sagen, ich komme zurecht, kenne ja aber auch nichts anderes. Seit Ende der 50er-Jahre verkörpert die schmale, schlanke Frau nach westlichen Maßstäben das Ideal von weiblicher Attraktivität, ebenso ist es aber übrigens beim Mann. Der soll groß sein, schlank, muskulös und sportlich. Aus eigenem Erleben kann ich sagen, Dass das kein Selbstläufer ist, es gehört Disziplin beim Essen dazu, Anstrengung beim Sport. Man muss das aber für sich selbst tun, denn die Gesellschaft belohnt einen höchstens mal mit ein paar anerkennenden Blicken.

PPQ: Nun gibt es in letzter Zeit eine Art Befreiungsbewegung der Fettleibigen, die angetreten ist, das Schönheitsideal infrage zu stellen. Es sei an der Zeit gewesen, diese Rolle anders zu besetzen, mit quellenden, schwellenden Körperformen, die im öffentlichen Raum sichtbar werden und im besten Wortsinne mehr Raum greifen sollen. Fürchten Sie da nun, aus dem Blick gedrängt zu werden?

Prantl: Wie gesagt, man macht das eigentlich für sich selbst. Die Anerkennung nimmt man mit, aber sie motiviert einen nicht. Ich muss zugeben, dass ich als junges Mädchen selbst etwas mollig war, obwohl ich sehr begeistert mit Barbies gespielt habe. Damals wurde mir auch klar, dass ich mit meinen Fettröllchen nicht werde leben können, sondern so schlank und sportlich sein will wie meine Barbies. Das ist ja kein absolut unrealistisches Körperideal. Viel mehr entspricht es genau dem, was Männern gefällt, wie Frauen gern aussehen würden, könnten sie es sich aussuchen. Und Mediziner sagen: Ja,  ein BMI von 19, das ist gesund. Heute muss ich mich tatsächlich auch sehr darüber wundern, dass dieses Abbild einer perfekt erscheinenden Frau so leidenschaftlich angegriffen wird, gegen alle wissenschaftlichen Erkenntnisse und dennoch von Medien mit großer Bereitschaft propagiert.

PPQ: Sie klingen ratlos?

Prantl: Das bin ich auch. Ich meine, wie kann es sein, dass ganze Bücher den Körper zu Politik erklären und das Fettsein zu einer Art Geschäftszweck machen? Wie kann es sein, dass sich eine Gesellschaft darauf einlässt, sich einreden zu lassen, das 120 Kilogramm bei einer Frau von 1,72 Metern Größe kein absolut unrealistisches Körperbild sind, das nicht nur die Kniegelenke kaputtmacht. Sondern ein Ideal, das ein sehr gutes Marketing ermöglicht und eine sehr gute Presse bekommt? 

PPQ: Wie kommt es denn?

Auch in den USA gilt fettfrei als schön.
Prantl: Ich denke, das bedient ein Bedürfnis bei vielen Menschen. Die schauen ihre eigenen Körper an und sind damit eigentlich gar nicht zufrieden, weil sie sich nach diesem perfekten Körper sehnen. Aber sie wollen nicht den Schluss ziehen müssen, sich aufzuraffen, Sport zu treiben und dazu auch noch auf allerlei Süßes und Fettiges zu verzichten. Da kommen dann diese aufgeschwemmten Fettpropagandisten und bieten eine verführerische Alternative: Du kannst fett sein, du darfst dich vollstopfen, du musst dich nicht bewegen. Wer sich den perfekt erscheinenden Körper sowieso nicht schaffen kann, weil er zu behäbig ist, zu faul oder zu verfressen, der sagt sich dann, nun, jetzt bin ich eben anders schön.

PPQ: Sie lachen?

Prantl: Weil dieses vermeintlich diverse Bild von Schönheit natürlich nur einer Verabredung zu verdanken ist, die dem gleicht, was wir aus dem Märchen ,Des Kaisers neue Kleider' kennen. Niemand widerspricht, also ist das so: Die wabbelnden Körper werden als ,Plus-Size-Aktivistinnen' behandelt, als habe ihr persönliches Problem, dass sie eben nicht dem allgemeinen Schönheitsideal entsprechen, irgendeine Relevanz für andere. Dabei kommt eine Bevölkerungsmehrheit eigentlich gut damit klar, dass ein Ideal eben genau darum ein Ideal ist, weil es nicht so einfach erreicht werden kann. 

PPQ: Für Körperaktivistinnen, wie sie sich selbst nennen, ist das allgemeine Schönheitsideal aber so etwas wie ein Fetisch, sie verlangen im Grunde, mit ihrer ungesunden und ja auch mit Blick auf den Klimawandel gefährlichen Körperlichkeit zumindest ebenso als Schönheitsideale anerkannt zu werden?

Prantl: Aus meiner Sicht reicht ihnen das nicht. Sie möchten vielmehr eine Welt, in der Frauen wie ich, die vielleicht nicht 20 oder 50 Kilo zu viel herumschleppen, uns verstecken müssen. Dass wir alle, die wir auf uns aufpassen und dafür auch mal auf ein Stück Schokolade, den Zucker im Kaffee oder  das große Eisbein verzichten, konstant mit dem Gefühl rumlaufen, dass unsere Körper so wie sie sind, nicht gut sind, dass wir sie verfallen lassen müssen, damit sie in eine naturgewollte Form fallen, die von dicken Schwartenschichten umgeben ist. Dieser Druck soll gemacht werden, bei Frauen insbesondere.



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