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Bürokratisierungsoffensive: Mehr Akten öfter schreddern

Die neue Bundesbürokratiabbaubehörde wird ein Diamant im geplanten "Band des Bundes" in Berlin.

Es war ein geradezu einzigartiger und noch nie dagewesener Vorstoß, mit dem des Justizministers Marco Buschmann von einem Augenblick auf den anderen alle althergebrachten Gewissheiten im Land infrage stellte. Der Liberale, angetreten, Deutschland am Ende seiner Amtszeit deutlich straffer, definierter und besser für künftige Aufträge trainiert zu hinterlassen, brach Tabus mit seiner Idee, radikal Platz in den Regalen deutscher Firmen schaffen.  

Die letzte Entbürokratisierungswelle

Buchungsbelege sollen bald nur noch für sieben statt wie bisher für zehn Jahre aufbewahrt werden müssen. Berge Von Papier, die Deutschlands Unternehmen immer schneller und immer höher aufstapeln,  sollen verschwinden, um schneller Platz für neue Berge von Papier zu machen, mehr Akten würde häufiger geschreddert, damit  kleine und mittelständische Firmen sich öfter als bisher darum kümmern können, die Bestände im gesetzlich vorgeschriebenen Rhythmus umzuwälzen.

Mehrere Momente stand das politische Berlin schockstarr, nachdem der FDP-Politiker die weitreichenden Ziele des diesmal als "Bürokratieentlastungsgesetz" (BüentLa) bezeichneten vierten großen Bürokratieabbaugesetzes der zurückliegenden zehn Jahre vorgestellt hatte. Das erste entsprechende Gesetzeswerk hatte sich vor zehn  Jahren noch damit begnügt, Belastungen der Bürger zu vermeiden, den bürokratischen Aufwand zu verringern und die wirtschaftliche Dynamik zu sichern, galt schon die "Bürokratiebremse" von 2015 als ganz großer Wurf von globaler Strahlkraft. 

Deutliches Umdenken

Wie der damalige "Koordinator der Bundesregierung für Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung" errechnete, wurde seinerzeit durch "ein deutliches Umdenken bei den Folgekosten gesetzlicher Regelungen" Milliarden Euro eingespart. Ein kleiner Schritt auf dem Weg, das Land eines Tages ganz allein durch den Bürokratieabbau am Leben zu halten. Und er hat sich gelohnt.

Durch das seitdem vorgeschriebene prächtige Prinzip "One in, one out" sank der bürokratische Aufwand durch Berichtspflichten dramatisch, so dass der Bundesrat bereit 2019 einem dritten Bremspaket zustimmen konnte. Deutschland galt schon wenige Wochen später als vollständig entbürokratisiert. Bürgerinnen und Bürger atmeten auf, Firmen erblühten, große Unternehmen aus aller Welt baten um Ansiedlungsmöglichkeiten und waren bereit, dafür auf jede Art von Fördermitteln zu verzichten.

Nun geht es um reale Vorteile

Doch Marco Buschmann denkt noch viel weiter. Der Justizminister zielt nun darauf, "beim Bürokratieabbau reale Fortschritte zu erreichen, um den Staat handlungsfähiger und bürgerfreundlicher zu machen".  Als dieser neuen Anstrengungen, die Bürokratie abzubauen und die Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege so radikal zu senken, dass der Keller nicht mehr aller zehn, sondern schon Aller Sieben Jahre von Altlasten befreit werden kann, ist eine neue Bundesbürokratieabbaubehörde (BBAB) geplant die aufgrund des voranschreitenden Bürokratieabbaus in der Bundesregierung nicht mehr benötigte Teile der Neubauten im "Band des Bundes" zwischen dem Bundeskanzleramt und der geplanten "Halle des Volkes" beziehen soll.

Es ist ein großer Wurf, der da zu gelingen scheint. Die BBAB als der Teil der Eckpunkte aus Buschmanns wird direkten Zugriff auf die Bundesbürokratieabbauverwaltung (BBAV) haben, überwiegend digital. Das will das Justizministerium Ende August bei der geplanten Klausurtagung des Kabinetts auf Schloss Meseberg zumindest vorschlagen. Zentraler Dreh- und Angelpunkt sei die Erhöhung der Aktenumschlagsgeschwindigkeit, so Buschmann. "Gemeinsam mit dem Bundesfinanzminister werbe ich dafür, dass wir beispielsweise handels- und steuerrechtliche Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege von zehn auf sieben Jahre verkürzen."

Lagerplatz für Ideen schaffen

Es wäre ein echter Befreiungsschlag, der sich schnell, bezahlt machen würde. Die 3.200 neuen Beamtenstellen, die im politischen Berlin neu geschaffen werden sollen, wären nach Regierungsprognosen im ersten Anlauf ausreichend, bundesweit Vor-Ort-Kontrollen zu den eingereichte Berichte über verschwundene  "Berge von Papier" (Buschmann) und die Einlagerung "neuer Ideen" (Buschmann) auf den gewonnenen Lagerflächen durchzuführen. Für Unternehmen werde das wie ein Neuanfang wirken: Wer abgearbeitete Akten jetzt für zehn Jahre vergessen könne, werde künftig schon aller sieben Jahre den Aufwand einen Jahrgang auskehren können.

Nicht von der großzügigen Neuregelung betroffen wären allerdings Datenbestände, die auf Anforderung der EU anzulegen sind. Der Apparat in Brüssel, auch im globalen Maßstab eine der effizientesten Papierfabriken, wacht eifersüchtig darüber, die im Zusammenhang mit den Massen an EU-Vorschriften entstehenden Bürokratiefolgen selbst zu verwalten. Seit vielen Jahren schon treibt die Kommission entsprechende Initiativen energisch voran. Ab 2007 tagte die Hochrangige Gruppe im Bereich Verwaltungslasten,  2010 waren alle Verwaltungslasten für Unternehmen in 13 Schwerpunktbereichen um weit mehr als die geplanten 25 Prozent verringert worden.

EU will selbst abbauen

Da die EU schon 2015  mit einer noch viel besseren Gesetzgebung auf die dennoch anhaltende Kritik an der EU-Bürokratie reagierte, konnte sie ab 2021 entschlossen dazu übergehen, den Bürokratieabbau voranzutreiben. Inzwischen auf der Zielgerade angelangt, will sie Brüssel von den Mitgliedsstaaten nicht mehr aufhalten lassen. Ein Staat, der solche Paragrafenmassen erzeuge, sei ein bürokratischer Staat, ein bürokratischer Staat aber sei ein schwacher Staat, je schwächer die Staaten, desto stärker ihre Gemeinschaft, heißt es im Berlaymont-Palast, der als einziges Verwaltungsgebäude weltweit Gebäudeeffizienzzertifikate aus sechs Mitgliedsstaaten vorweisen kann, die zudem alle unterschiedlich ausfallen.

Im sogenannten Hufeisen am Ende des "Bandes des Bundes" an der Spree werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BBAB und des BBAV also weitgehend auf sich allein gestellt sein. Angesichts der aktuell schwierigen wirtschaftlichen Lage ist es an ihnen, schnell arbeitsfähig zu werden und in der zweiten Hälfte der Wahlperiode dafür zu sorgen, dass das Land durch ein kluges Bürokratieabbaumanagement wirtschaftlich gestärkt wird." Wie unter allen ihren Vorgängern seien die bürokratischen Vorgaben auch unter der neuen Bundesregierung "leider bislang unterm Strich angewachsen", räumte Marco Buschmann ein. "Da müssen wir nun das Ruder rumreißen."



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