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Experte über die Krisenkonjunktur: „Wir müssen nur fest glauben"

"Wir - vor allem im Westen - müssen wieder lernen, mit Leere zu leben", sagt Herbert Haase vom Klimawatch-Institut.

In Grimma, wo Sachsenin diesen Tagen öfter als in manchem November in strahlendem Sonnenschein liegt, ist das gefühl noch zu spüren, das Menschen empfinden, die auf einsamen Inseln stranden. "Ab 18 Uhr sägt hier vielleicht noch jemand Holz", beschreibt Herbert Haase, "aber die Leute tun das auf ihrem eigenen Grundstück." Draußen dagegen ist tiefe Stille, eine himmlische Ruhe, wie sie Großstädter oft als bedrückend empfinden. Hin und wieder mal ein Auto, Verbrenner natürlich, Hin und wieder kräht ein Hahn oder ein Hofhund verbellt eine Maus.  

Geliebte leere Räume

"Ich liebe das", sagt Haase, der im Rahmen der großen Bundesansiedlungsinitiative als Gründungsdekan ans Klimawatch-Institut (CLW) kam. Und später blieb, obwohl so manches Ministerium ihn haben wollte. Zuletzt wohl nach den Korruptionsskandalen im Klimaministerium. Aber darüber, sagt Haase, dürfe er natürlich nicht sprechen.

Umso lieber redet er aber über die deutsche Klimakonjunktur: Ja, es gebe Rückzieher, Einbrüche, Feigheit vor dem Klimafeind und selbst regierungsamtliche Pannen. "Vor allem seit Bremen und Sonneberg." Aber auch Wenn die Prognosen schlecht aussehen, sei der deutsche Klimakampf keineswegs verloren. Herbert Haase ist Optimist, er sieht die langen Linien und das mache ihm gerade jetzt Freude, wo viele Klimaschützer den Mut sinken lassen, weil selbst die Grünen es bei Umsetzung der unerlässliche Schritte zum großen Ziel an Konsequenz mangeln lassen.

PPQ: Herr Haase, wenn man zurzeit die Schlagzeilen rund um die deutschen Klimarettungsanstrengungen liest, dann bekommt den Eindruck, Deutschland stehe vor der Aufgabe.  Wie schlimm ist die Lage aus Ihrer Sicht wirklich?

Haase: So langsam nervt die Hysterie. Die Diskussion war schon mächtig übertrieben, als das Heizungsgesetz noch mal verschoben worden ist, um handwerklich noch etwas zu polieren und das Ganze sozialverträglicher aussehen zu lassen. Nun stecken wir in einer technische Rezession von zwei negativen Quartalen in Folge, kein Beinbruch, denn wir haben nun mal eine schwache Wirtschaftsentwicklung. Aber Wenn Sie sich umschauen: Selbst diese moderate Wirtschaftskrise meistern wir wiedermal viel besser als alle unsere Nachbarn. Dort hat schon vorher niemand von Klimarettungsmaßnahmen gesprochen, geschweige denn ernsthaft daran gedacht, alle Heizungen im Land auszutauschen, alle Großkraftwerke stillzulegen und parallel dazu Vorbereitungen zu treffen, Millionen Häuser komplett neu zu dämmen. Nur wir schaffen das.

PPQ: Aber es trifft auch nur Deutschland richtig hart. Die Inflation bleibt hoch, langsam kommen die Einschläge aus den Betriebsschließungen auch auf dem Arbeitsmarkt an. Was muss da passieren

Haase: Dies ist kein schwerer Einbruch wie wir sie früher manchmal hatten. Wer das behauptet, begeht Verrat an unsern werten. Das bisschen Krise sollte man nicht unbedingt mehr beschönigen als es nötig ist, aber das geht erfahrungsgemäß auch wieder weg. An der Kombination, die wir seit Monaten haben, also schwaches Wirtschaftswachstum und hohe Inflation, schlechte Laune im Land und eine Regierung, die offenbar nicht weiß, was sie tut, ist nichts, was uns Angst machen muss. Es wird Härten geben, aber die sind ja nicht lebensbedrohlich. Wer gespart hat, der bekommt nun endlich wieder höhere Zinsen, wer in der eingetrübten Konjunktur den Job verliert, der findet bestimmt irgendwann einen neuen. Daran ist nichts Überraschendes, also sollte man die Entwicklung nicht verdammen, sondern als Chance sehen.

PPQ: Als Chance wozu?

Haase: Das ist erst in zweiter Linie von Belang. Wir planen ja gerade einen kräftigen Strukturwandel, im Grunde eine Art Neuaufbau des ganzen Landes, der auch dringend nötig ist, weil wir ja alle sehen: Es ist alles kaputt. Die Bahn, die Brücken, die Fußballmannschaften, die Regierungsflieger, die Armee, die Energieversorgung, die Lieferketten. So eine Erkenntnis ist immer mit Unsicherheiten verbunden, weil keiner weiter weiß und niemand sagen kann, wer das alles bezahlen soll. Aber das findet sich, da muss man eigentlich gar nichts tun. Zuletzt waren mit dem Ifo-Geschäftsklimaindex, der Höhe der Firmenkredite und der IWF-Prognose gleich drei wichtige Konjunkturindikatoren stark negativ, das deutet schon an, dass wir noch in der Phase der Konjunkturkurve sind, wo es richtig nach unten geht. Aber dort unten holen wir Schwung und dann wird alles wieder gut. Wir müssen nur fest daran glauben.

PPQ: So tröstlich das klingt, Anzeichen dafür gibt es gerade nicht, oder? 

Haase: Das würde ich so nicht sagen, aber das ist wohl so. Allerdings deutet genau das darauf hin, dass wir das Schlimmste zwar noch vor uns haben, es danach aber eines Tages auch wieder etwas besser werden wird. Klar ist, dass alles in eine Art Lähmung verfallen ist, die Dynamik fehlt, das Gründungsfieber sowieso. Wer kann, sucht einen Job beim Staat oder wenigstens in einer Partei. Ich denke aber, wenn wir das Positive stärker betonen, also zum Beispiel, dass wir durch die eingeschlafene Warenproduktion jede Menge Energie sparen, dann kann uns das Hoffnung machen. Wir müssen eben nur fest daran glauben.

PPQ: Aber was nützen denn Energieeinsparungen, wenn sie mit Wohlstandsverlusten erkauft werden?

Haase: Dem Weltklima, auf das es ja ankommt, eine ganze Menge. Schauen Sie etliche Nachbarstaaten an, oder die USA - da wird schon genug Schaden angerichtet, weil man fixiert ist auf das Bruttoinlandsprodukt, ein Fetisch geradezu. Mir ist wichtiger, dass wir das gesamte Bild im Blick behalten: Der Arbeitsmarkt, der der Konjunkturdelle langsam folgt, wodurch auch noch mal beim Verkehr gespart werden wird. Die strukturellen Veränderungen im Gesundheitswesen, wo viele große Gebäude leergezogen werden, die dann nicht mehr beheizt werden müssen. Die Firmen, die aus Angst, mit den Gewinnen nicht auszukommen, erst mal schließen. Das sind alles Bausteine, die uns langfristig vielleicht auch über den Fachkräftemangel hinweghelfen.

PPQ: Die demografische Entwicklung, die ab 2025 richtig zuschlagen wird, macht ihnen also keine Angst?

Haase: Sie ist ein Vorteil, weil sie die Resilienz erhöht. Vor kurzem noch hat die Sanitärbranche gestöhnt, weil so viele Aufträge hereinkamen, auf den letzten Drücker noch Gasheizungen einzubauen. Dann hat die Ampel an einige Knöpfen gedreht und schon sind dieselben Betriebe nicht mehr ausgelastet und es gibt wieder Handwerker. Das zeigt, schnell das gehen kann, wenn alle eine bestimmte Opferbereitschaft mitbringen und die kleine Krisendelle gemeinsam schultern. Mit der derzeitigen Reallohnentwicklung büßen ja alle ein, abgesehen von den Mitarbeitern im Europäischen Parlament. Deutschland kann solidarisch, sage ich immer.

PPQ: Aber was vorn fehlt, kommt ja hinten nicht rein. Müssten nicht erst die Löhne steigen, damit wieder mehr eingekauft wird, um Firmen zu reizen, wieder zu investieren?

Haase: Die investieren doch. Vielleicht nicht hierzulande oder hierzulande nur, wenn man ihnen ein Zückerchen reicht. Aber steigende Löhne sind Gift für die Industrie und den Staat. Wenn Sie es mal emotionslos betrachten: Jeder bekommt ja nur ein bisschen mehr, vielleicht sogar so viel, wie ihm an Kaufkraft verlorengegangen ist. Aber der, der das zu bezahlen hat, muss Millionenkosten schultern, aus Kassen, die nach den Corona-Jahren auch nicht so voll sind. Dann legt er das um und alles wird teurer und keiner kann sich mehr etwas leisten. Davon hat doch niemand etwas.

PPQ: Wäre jetzt eigentlich die Bundesregierung zum Handeln aufgerufen?

Haase:Als Klimawissenschaftler sage ich natürlich, das sie immer. Aber in der derzeitigen Situation eher nicht. Das ist wie eine Wunde, die man ausbluten lassen muss. Es bringt nichts, den Patienten jetzt hektisch umzulagern oder die Binden zu wechseln oder Creme draufzustreichen. Unternehmen investieren, wenn sie eine ordentliche Nettorendite sehen. Das ist derzeit nicht der Fall. Gründer gründen, wenn sie sich Marktchancen ausrechnen und Risikogeldgeber finden. Das ist derzeit unmöglich. Vermieter bauen, wenn sie denken, es springt am Ende etwas für sie raus. Ja, das müssen Sie sogar lachen. Aber ich sage: Wir haben die höchsten Arbeitskosten, die Lohnnebenkosten und die höchsten Energiekosten, wir haben die höchste Steuerbelastung und die ausgeklügeltste Bürokratie, dazu die schlimmsten Klimakatastrophenfolgen heute schon, die älteste Bevölkerung, die zudem am schnellsten von allen altert, und nicht zuletzt als einzige das Problem, das alles, was wir tun, noch von Brüssel abgenickt werden muss. Ich finde, dafür schlagen wir uns prächtig.

PPQ: Aber hat denn dieses Modell Zukunft?

Haase: Welches Modell hat das schon? es ist noch immer joot jejange, sagt der Kölner. Und nun warten wir mal, welche Wachstumsimpulse kommen, wenn wir ganz unten sind und die Nacht am tiefsten ist.  Auf große Innovationen dürfen wir sicher nicht hoffen, aber ein wenig Geld ist ja noch da, das kann man im Ausland investieren und wenn es gut Rendite abwirft, dann hilft das auch hier zu Hause. Das ist doch viel klüger als die Fehler, die in den vergangenen Jahren gemacht wurden: Hunderte Milliarden in grüne Technologien subventioniert, etwa durch das EEG, und am Ende ist alles, was damit aufgebaut wurde, tot, oder ein paar Zahnärzte sind reich geworden. Dann lieber doch die Franzosen dafür bezahlen, dass sie sich um unsere Notstromversorgung kümmern, und die Amerikaner, dass sie für den Winter genug Gas liefern.  Der Kanzler hat schon recht. Wer glücklich ist, der schaut nicht ins Portemonnaie.



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