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Linksruck: Mohamed macht nicht mehr mit

Eine Sekte, die miteinander bis zum bitteren Ende streitet: Die Linkspartei arbeitet weiterhin hartnäckig daran, unwählbar zu werden.

Offenes Sektierertum hier, selbstbewusst ausgeführte Verachtung für Klimagerechtigkeit dort. Im 33. Jahr nach ihrer Verwandlung in eine unbescholtene Partei steckt die umbenannte Sozialistische Einheitspartei Deutschlands in der größten Krise ihrer Parteigeschichte. Die Umfragewerte sind desaströs, die Köpfe der bunten Truppe aus Altlinken, Ökoanarchisten und jungen Kommunisten untereinander zerstritten wie das Politbüro der Vorläuferpartei KPD in den 30er Jahren. Es gibt Fraktionen, unter Stalin noch ein Verbrechen, auf das die Todesstrafe stand. Es gibt einen offenen Machtkampf, in dem verschiedene K-Gruppen aufeinander einprügeln.

Ein Riss durch die Reste der Partei

Zuletzt forderte die Parteispitze Sahra Wagenknecht, das einzige noch bekannte prominente Gesicht, der Partei auf, auszutreten und eine konkurrierende Partei zu bilden. Jetzt hat die bisherige Fraktionsvorsitzende Amira Mohamed Ali bekanntgemacht, dass sie ihren Posten aufgeben wird, weil sie mit dem Kurs der Partei und insbesondere mit dem der Parteiführung nicht einverstanden ist. "Diese Entscheidung hat politische Gründe" schreibt sie. Es sei ihr mittlerweile unmöglich geworden, eine Parteiführung und "eine Mehrheit von Funktionären" zu stützen, die einen Kurs durchgesetzt hätten, "der meinen politischen Überzeugungen an vielen Stellen deutlich widerspricht und der die Linke zunehmend in die politische Bedeutungslosigkeit treibt".

Der lange Gang dorthin nimmt einmal Tempo auf, die Verwandlung der einstige ostdeutschen "Kümmererpartei" in eine Clique auf Illusionisten, die sich ausschließlich um sich selbst kümmert, erreicht die nächste Phase. Mohamed Ali beklagt, dass sich die Kritik der selbsternannten "Linken" an der Ampelregierung "weitgehend auf die Forderung nach einem etwas stärkeren sozialen Ausgleich für die Missstände, die durch die Politik der Ampelregierung und ihrer Vorgänger ausgelöst oder verschärft wurden", beschränke. Es werde "bewusst kein klares und grundsätzliches Nein zum falschen Kurs der Ampelkoalition formuliert, der den Wirtschaftsstandort Deutschland gefährdet und damit massiv Wohlstand und Arbeitsplätze bedroht, der nichts tut gegen Kinderarmut, gegen Löhne, die zum Leben nicht reichen, gegen Armutsrenten".

Die Lobbypolitik der Linken

"Tun", darunter versteht die bis heute mit der SED rechtsidentische Linkspartei eine Lobbypolitik für die Berliner Mitte, für den Bionadeadel, der sich Elektroauto, Wärmepumpe und freiwilligen Regenwaldzuschlag beim Einkauf leisten kann. Für die Leute in Sonneberg, die die Sorgen umtreibt, schon drei Jahrzehnten wieder zu verlieren, was man sich an bisschen Wohlstand erarbeitet hat, hält die Linke allenfalls Verachtung bereit: Mit der Wahlparole "Reichtum für alle" hat die Partei schon  vor Jahren zynisch beschrieben, für wie blöd sie alle hält und für wie einfach die Mechanismen, mit denen man für Versprechungen Wählerstimmen kauft.

Das Scheitern war den Bemühungen eingeschrieben, sich der Macht anzudienen und zugleich den nächsten Anlauf für ein  Menschenexperiment in Sachen Kommunismus vorzubereiten. Obwohl in der Linkspartei insgeheim weiterhin viele dem Aberglauben anhängen, dass der Marxismus als wissenschaftliche Weltanschauung ohnehin vorhersehe, dass der eigene Sieg am Ende des Weges zum Sozialismus stehe, betreiben große Teile der hauptamtliche tätigen Linken eine Politik, die sich direkt gegen das eigene Fußvolk wendet. Mehr Staat, mehr Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt, höhere Steuern, strengere Regeln für das Alltagsleben und eine Rückkehr zur alten SED-Politik des Zugriffs auf das Privateigentum.

Zur Stärkung der Schwefelpartei

Oft wirken die Bemühungen der vermeintlichen "Linke" wie Aktionen, die auf Bitten der rechten Schwefelpartei zu deren weiterer Stärkung unternommen werden. "Die Ampelkoalition betreibt eine Klimapolitik, die nicht den Klimawandel bekämpft, sondern vor allem das Alltagsleben vieler Menschen noch schwieriger und teurer macht, die soziale Ungleichheit fördert", klagt Mohamed Ali, die dabei seit Jahren mitgemacht hat, es aber nun "für vollkommen inakzeptabel" hält.

Am Horizont lockt die Wagenknecht"-Partei, jenes Schreckgespenst für die Linke, das Umfragen zufolge ohne Programm, ohne Personal und ohne Machtperspektive auf Anhieb zweistellige Wahlergebnisse einfahren würde. Ali wäre dann dort gen dabei, für ein "klares Ja zu konsequenter Friedenspolitik, zu Diplomatie und internationaler Solidarität", weil "eine konsequente Friedenspolitik eine der wichtigsten Aufgaben der Linken und Teil unserer historischen Tradition" sei, wie jeder weiß, der am Wehrkundeunterricht teilgenommen hat. "Mit dem Kurs der Parteiführung sollen in erster Linie enttäuschte Grünen-Wähler gewonnen werden", gibt Mohamed Ali einen Einblick in die strategischen Überlegungen aus den Hinterzimmern des Karl-Liebknecht-Hauses. "Dies gelingt nicht."

Offene Wählerverachtung

Zu offen ist die Verachtung der neuen linken, oft aus dem Westen zugewanderten Funktionärskaste für Ostdeutsche, "die von der Politik so enttäuscht sind, dass sie gar nicht mehr zu Wahlen gehen" (Ali). Selbst die nun im  Zorn scheidende Fraktionsvorsitzende kann an diesem Punkt nicht über ihren stalinistischen Schatten springen: Dass es gelinge, AfD-Wähler zu erreichen, ist das eine. Dass sie einen Unterschied macht zwischen denen, "die noch zurückgewinnbar sind", und anderen, die sie für verloren hält, zeigt ein Maß an Hybris, das Menschen in Schubladen sortiert und sie dann zynisch abwertet.

Es geht hier gar nicht um politische Konzepte oder Hader um den richtigen Weg zum Ziel, sondern um persönlichen Streit, um Eifersucht und Gerangel an den Fleischtöpfen. Dass der linke Parteivorstand beschlossen habe, Wagenknecht zum Austritt aufzufordern, um die Reihen der Partei zu säubern, habe für sie den Ausschlag gegeben, sich zurückziehen zu wollen. "Dies zeigt in bis dahin noch nicht gekannter Deutlichkeit den Wunsch und das Ziel, einen Teil der Mitgliedschaft aus der Partei zu drängen, der deutliche Kritik am Kurs der Parteiführung äußert." Dies entspreche nicht ihrem Verständnis von Pluralität und Solidarität, schreibt die gebürtige Hamburgerin in ihrem Abschiedsbrief. 

Der nicht bedeutet, dass sie hinwirft, ihr Mandat aufgibt und der Politik den Rücken zuwendet. Nein, Amira Mohamed Ali will sich "im Bundestag weiterhin für die Ziele und Überzeugungen einsetzen, die meine politische Arbeit bisher getragen haben". Bis 2025 ernährt das seine Frau noch üppig. Und sollte es die Wagenknecht-Partei anschließend in den Bundestag schaffen, ist für eine Anschlussverwendung gesorgt.


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