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Wahlvergehen: Mann beißt Mund

An Warnungen mangelt es nicht.

Sich die Demokratie von den Bürgerinnen und Bürgern zurückholen, nicht mehr dulden, dass geredet wird wie der rechtspopulistische Schnabel gewachsen ist und nach dem Vorbild des geplanten Verbotes gefährlicher Werbung endlich auch ein Verbot "rechtspopulistischer Begriffe" (Saskia Esken) - direkt nach dem Einsturz der Brandmauer im thüringischen Sonneberg im Frühsommer fehlte es nicht an Ideen zur Erhöhung der Wehrhaftigkeit der Demokratie. 

Von SPD bis CDU, von den Grünen über die Linke bis hin zu FDP, CSU und Freien Wähler*innen schien sich Einsicht breit zu machen, dass "die Debattenkultur in Deutschland schwer gelitten" habe, weil "Politiker demokratischer Parteien die Menschen aufwiegeln", wie die SPD-Vorsitzende in einer ersten Diagnose feststellte. Einmal mehr hatten alle verstanden. Einmal mehr wussten die sämtliche Parteizentralen plötzlich, was die Stunde geschlagen hatte.

PPQ-Kolumnistin Svenja Prantl rechnet mit den Verführten ab, die ihre Unzufriedenheit mit der Politik glauben, zur Wahlurne spazierenführen zu müssen.

Besser erklären

Man würde die eigene Politik zwar nicht ändern, aber nun noch viel besser erklären. Man würde nicht ablassen von Zielen, die sehr wichtig für die gesamte Menschheit sind, aber man würde das Schrittmaß auf dem Weg zumindest verbal so ändern, dass niemand das Gefühl haben müsse, zum Sterben am Wegesrand zurückgelassen zu werden. 

Man würde sich als Staat mehr kümmern und die unabhängigen Medien dazu anhalten, die Dringlichkeit vieler Entscheidungen vor dem Hintergrund der globalen Vorgänge noch deutlicher und klarer darzustellen. Man würde mehr Geld in die Hand nehmen, mehr Augenmaß an den Tag legen und denen, die stur an ihrer Gegenrede festhalten, die Instrumente zeigen. Wenn ein demokratischer Querschläger wie der bayrischen Vizeministerpräsident Hubert Aiwanger rufe, die Bevölkerung solle sich "die Demokratie zurückholen", dann handele es sich um einen "populistischen Ausraster", der für eine ganze Hetzschule stehe: "Mit solchem unerträglichen Gerede wird Demokratie zersetzt" (Esken).

Freier Wille am Ende

Bei allem Bessererklären, trotz Zweifelverbot und Einsicht in die Notwendigkeit von Wohlstandsrückbau, Energieentsagung und Naturbekämpfung fehlt es aber vielerorts immer noch an Einsicht, dass der freie Wille am Ende sein muss, wo seine renitente Ausübung anderen Schaden zufügt. Obwohl seit Sonneberg klar ist, dass ausländische Investoren und dringend benötigte Fachkräfte Regionen meiden, an denen ihnen Hetze, Hass und Vorurteile entgegenschlagen, beharren vor allem im Osten Bürgerinnen und Bürger darauf, angesichts eines demokratischen Blocks aus ehemaligen und aktuellen Regierungsparteien, der über Ziele und Maßnahmen weitgehend einig ist, jemanden wählen zu wollen, der ein Weiterso ablehnt. 

Das ist aufgrund der Rechtslage zweifellos möglich und erlaubt, wenn es auch dem Geist der Demokratie widerspricht, Demokratiefeinde für ihre schändliche und schädliche Politik auch noch zu belohnen. Doch die Unzufriedenheit gerade bei den weniger Gebildeten, den Ostdeutschen und den trotz Mindestlohn weiterhin Geringverdienenden ist groß, der Drang mächtig, sich für erlittene Benachteiligungen - und seien sie nur gefühlt - mit einem Kreuz an der falschen Stelle zu rächen. 

Die Waffen des Rechtsstaates

Diese zweifellos rechtsextremistisch denkenden Menschen sind inzwischen so zahlreich, dass ihr Tun die Demokratie gefährdet. In mehreren Bundesländern drohen aufgrund ihrer Wühltätigkeit politisch prekäre Verhältnisse, erstmals seit 1946 müssen die verbliebenen demokratischen Kräfte wieder über weiterhin bestehende ideologische Gräben hinweg den Schulterschluss suchen, um den Angriffen der Extremisten auf die demokratischen Institutionen standzuhalten.

Die Verantwortlichen für die Lage aber, oft genug Wählerinnen und Wähler wie jeder andere, wollen nicht wahrhaben, wie ihr Handeln zur Eskalation beiträgt. Statt einzusehen, dass eine Stimme für die Feinde der verfassungsmäßigen Ordnung mit fünf Parteien keine Alternative sein kann, klagen sie darüber, dass sie ja nur unzufrieden Mit Der Politik seien, dafür aber sofort in die rechte Ecke abgeschoben würden. 

Ohne Selbsterkenntnis

Eine Reflexion des eigenen Verhaltens findet nicht statt, lieber haben die Betreffenden es bequem: Man sei eben mit den politischen Leistungen der Regierung nicht zufrieden, manchmal sogar mit dem gesamten eingeschlagenen Kurs. Man warte doch seit Jahren vergeblich auf die Angleichung der Lebensverhältnisse, die versprochenen Fortschritte im Bildungswesen, Reformen im Gesundheitssektor, eine Verbesserung bei den Pflegeeinrichtungen, die mit dem Siegeszug der Erneuerbaren versprochenen sinkenden Stromkosten und die blühenden Landschaften mit den wiedervernässten Mooren.

Eine billige Ausrede, die objektiv nicht über die Schuldfrage hinwegtäuschen kann. 






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