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Deutsche Wetterkartenkultur: Eine Reise in die Dunkelheit

Wetterwelt im Wandel: Es begann mit Schwarz und nähert sich dem nun wieder an.

Nichts wollen sie mehr glauben, nicht einmal die Wetterkarten. Sachsen, Sonneberger und Verschwörungstheoretiker, die erst die Seuche geleugnet haben, die schneller verschwand als jede andere vor ihr, später dann den Energieausstieg und die Heizungswende, zielen nun auf den Klimasommer. Gar nicht heiß sei es, sagen sei, eher kühl sogar. Nachts 13 Grad, wo bleibe da die Klimaerwärmung. Und tagsüber? Ja, früher hatten wir auch schon mal Sonne und 26 Grad.

Im Fegefeuer der Kritik

Natürlich stemmen sich die im Fegefeuer der unsachlichen Kritik stehenden Sendeanstalten mit aller Macht ihrer weltweiten Korrespondentennetzwerke gegen die Zweifel. Irgendwo ist es immer warm, irgendwo sogar immer zu. Mal kocht das Meer weit draußen vor Madeira, mal brennt die Sonne Portugal weg, mal stehen die Wälder in Griechenland in Flammen. Durch umsichtiges Nachrichtenmanagement lässt sich damit stets ein warmes Gefühl braten, dass dem bibbernden Urlauber in Ahlbeck das Gefühl gibt, seine "Leinwandvilla" (Die Welt) einfach nur an der falschen Stelle aufgebaut zu haben.

Der kluge Mann baut vor. Karl Lauterbach jedenfalls hat es gern heiß und deshalb ist er nach Italien "gereist" (DPA), wo genug Anlass besteht, die Hitze zu beklagen, die ihren Ursprung in einer Erderwärmung hat, die schnell voranschreitet, besonders in Europa, also offenbar nach dem Verursacherprinzip vorgeht. Hitze, der "unsichtbare Feind, der unsichtbare Killer" (Eckhard von Hirschausen) sucht die heim, die sie durch frühes Bronze- und Eisenschmieden, Bandkeramik, die Entwaldung für Acker- und Schiffsbau und schließlich die Industrialisierung veranlasst haben.

Wetterkarten als Gesicht der Krise

Zum Gesicht Der Krise sind die öffentlich-rechtlichen Wetterkarten geworden. Ehemals kühle Sachstandsberichte, die eher wage Auskunft über Dinge vorzugeben gaben, die sowieso niemand wusste, haben sich die Tapeten der Studios, in denen die Wetterfrösche wohnen, längst in hochartifizielle Signalgeber verwandelt, die ganz gewöhnlichen deutschen Nationalmannschaftskapitäninnenbinden in Sachen Zeichendichte kaum nachstehen. 

Eine ARD- oder ZDF-Wetterkarte ist nicht mehr schlicht schwarz wie damals, als halb Polen noch ganz offiziell in die Zuständigkeit der Staatsmeteorologen fiel und sie ist auch nicht mehr von dem zarten Grün, das 30 Jahre nach Erfindung des Farbfernsehers durch Werner Flechsig eingeführt wurde und lange dazu diente, den Zuschauern eine heile Welt vorzuspielen.

Teil der Klimaerziehung

Die ersten Karten zeigen schon wieder schwarz.
Nein, Wetterkarten, die im Fernsehen gezeigt werden, tragen heute schwer an der Last, einen Teil der in Kindergarten, Schule und an den Universitäten versäumten Klimaerziehung nachleisten zu müssen. Ist der Sommer warm, fällt das leicht: Kräftige Farben lassen sich dank neuer Techniken weitaus saftiger darstellen als das noch vor wenigen Jahren möglich war. Zudem erforderte die flächendeckende Einführung des besonders energiehungrigen HD-Fernsehens im Kampf gegen die Klimakrise eine Umstellung der Farbräume. 

Mag auch die deutsche Wirtschaft heute schwächer sein als früher, die Fußballnationalmannschaft, die nationale Energieerzeugung und die Nachfrage nach Wärmepumpen - die Farben, die den Kontrollverlust der Menschheit über das Weltwetter illustrieren, sind kräftiger denn je. "Das hat technische und gestalterische Gründe", haben die Faktenchecker von "Correctiv" ermitteln können, die "Tagesschau" etwa stelle alle Farben auf den Wetterkarten intensiver dar, "um sie besser erkennbar zu machen".

Hetzer nutzen gutgemeinte Geste

Eine  gutgemeinte Geste an die alternde Gebührenzahlerschaft, die von Leugner, Zweifler und Verschwörungstheoretikern absichtlich missdeutet wird, um den Eindruck zu erwecken, dass heute bei denselben Temperaturen sehr viel alarmistischer wirkende Farben eingesetzt werden. Das mag so wirken, ist aber eben nicht so gemeint. Das mag für das uneingeweihte Auge sogar den Eindruck erwecken, 35 Grad Hitze von 2002 seien sehr viel weniger bedrohlich gewesen als 27 Grad heute. Doch so ist es ja auch.

Der Klimawandel schreitet voran, die Wetterkarten marschieren in fester Formation hinterher. Was glüht, muss glühend rot sein, was heißt verbrennt ist, changiert ins Violette. Und was endgültig verbrannt ist, bewegt sich ins Kohlerabenschwarze, mit dem alles anfing. Eine Reise in die Dunkelheit, die bei Geschwindigkeit der Thermometervorgaben schon in Kürze beendet sein wird.



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