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Friedrich der Bloße: Zwischen Baum und Borke

Friedrich der Bloße: CDU-Chef Merz hat sich beim Versuch, seine Partei strategisch breiter aufzustellen, Ohrfeigen von Merkelianern, der politischen Konkurrenz und sämtlichen Medien eingefangen.

Die alte Kanzlerin fürchtete ihn. Friedrich Merz galt als harter Hund, ein Konservativer, der sich nicht scheute, harte Kante zu zeigen. Die Granden der CDU hatten sich bei Wahl zwischen Merkel und Schäuble für Merkel entschieden. Merkels erstes Bestreben war, die Entscheidung unumkehrbar zu machen. Die neue Partei- und schließlich auch Fraktionsvorsitzende entsorgte ihren Konkurrenten gründlich, den Rückzug ins Privatleben aber überließ sie ihm selbst.

Sauerländer ohne Stolz

Dass Friedrich Merz noch einmal wiederkommen würde, war nicht zu erwarten., Doch so sind die Männer: Die Ausbootung schmerzte, jahrelang. Selbst sein zweifellos vorhandener Stolz stand dem oft als "Sauerländer" bezeichneten Hobbyklarinettisten nicht im Weg zurück. Friedrich Merz kandidierte einmal vergebens als Nachfolger von Merkel. Er tat es noch mal, nachdem es nicht gelangt hatte. Und er hätte es wohl noch ein drittes mal versucht, wäre die Partei nicht endlich soweit gewesen, mangels Alternativen zumindest ganz leise nach ihm zu rufen.

Wähler wandern von den Grünen ab.
Friedrich Merz übernahm die von endlosen Regierungsjahren unter einer endlos regierenden Kanzlerin ausgelaugte, ermüdete und von sich selbst enttäuschte Partei als tief gespaltenen Haufen. Hier die Merkelianer, die am liebsten Sozialdemokraten, noch lieber aber Grüne wären. Dort die übrigen, die gern wieder das Deutschland von früher hätten, ungegendert, mit Wohlstand für alle und ohne die alltäglichen Zeichen, Signale und Bitten um Verzeihung. Ihnen galt Friedrich Merz für die ersten paar Stunden seiner Amtszeit als Hoffnungsträger. Der neue Mann würde klarmachen, wo es langgeht. Und keine Rücksicht nehmen auf die alte Garde der unter Merkel Aufgestiegenen, die natürlich ihr eigenes Weiterso planten. Schließlich, argumentierten sie, habe dieser Kurs 16 Jahre zum Regieren gereicht.

Friedrich Merz hat seitdem ein Kunststück fertiggebracht, das in der Geschichte der CDU einmalig ist. Der 67-Jährige hat alle enttäuscht, bei denen angefangen, die sich von ihm einen Ruck zurück erwartet hatten, bis zu denen, die ihm nicht zutrauten, fortzusetzen, was Angela Merkel durch kluges Abwarten und die Betrachtung aller Dinge vom Ende her erreicht hatte.

Letzter Plan Bierdeckel

Es mag sein, er hätte gern. Doch 20 Jahre nach der letzten großen Reformidee, die die Union damals mit seiner Bierdeckelsteuer vorgelegt hat, ist Friedrich Merz keiner mehr, der ein Amt haben will, weil er es braucht, um etwas zu tun oder gar zu erreichen. Vielmehr gehört der Westfale nun zweifellos zu jener anderen, zu jener den politischen Betrieb dominierenden Art des Politikers: Er hat den Posten, Merz sogar mehrere. Und das allein war Ziel all seiner Bemühungen.  

Merkel lag vollkommen falsch, was die Ambitionen des gelernten Anwalts betrifft. Sicherlich träumt Friedrich Merz davon, eines Tages doch noch in Kanzleramt einzuziehen. Doch sich der Entscheidung zu stellen, es nur zu den eigenen Bedingungen zu werden, kommt für ihn nicht infrage. Vom ersten Tag als Vorsitzender irrlichtert der gewiefte Taktiker zwischen den Polen seiner Partei: Den Linken gibt er Geschwätz von Gerechtigkeit und gemeinsamem Grünsein. Die Rechten hält er mit Andeutungen über Ruhe, Ordnung und niedrigere Steuern bei der Stange.

Keine Alternative zur Alternative

Wo sollen sie auch hin? Links von der Union steht die grüne Sozialdemokratie mit ihren kunterbunten Fahnen, grün, gelb, rot und noch röter. Rechts von der Union ist nur die Schwefelpartei, die als Alternative in Erwägung zu ziehen für altgediente CDU-Wählerinnen und -Wähler einfach nicht infrage kommt. Oder besser kam. Denn anderthalb Jahre nach der Übernahme des Parteivorsitzes durch Merz lässt sich nicht mehr übersehen, dass es dem früheren Blackrock-Manager nicht gelungen ist, die CDU zu einer Alternative zur Alternative für Deutschland zu entwickeln, der die Herzen der Millionen von enttäuschten, empörten und verängstigten SPD-, FDP- und Grünen-Wähler zufliegen.

Was dort wegbröckelt, läuft gleich bis ganz nach Rechtsaußen weiter. Die Union stagniert, die Überzeugung des neuen Parteivorsitzenden, es reiche vollkommen aus, auf die Fehler der Ampelparteien zu vertrauen und darauf zu warten, dass dem Volk am Ende ja doch nichts übrigbleiben wird als einen zu rufen, stellt sich mehr und mehr als Illusion heraus. Absichtlich hatte Merz es lange vermieden, sich inhaltlich festzulegen oder gar erkennen zu lassen, wie die Union Deutschland zu regieren gedenkt. Der letzte Leitantrag, den ein Parteitag beschloss, hieß "Klarer Kurs für sichere Energie und eine starke Wirtschaft", er hätte aber ruhig auch noch mal "Orientierung in schwierigen Zeiten" heißen können, wie damals 2016, als es der Partei schon einmal gelungen war, 23 Seiten ohne jeden Hinweis auf einen Inhalt zu füllen.

Angst vor der letzten Gelegenheit

Es war wohl die Angst, auch diese letzte Gelegenheit zu verpassen, sein Lebenswerk zu krönen, die Friedrich Merz veranlasst hat, die CDU nach rechts zu steuern. Natürlich, inhaltlich wächst nichts zwischen Baum und Borke, zwischen Merkelianern und den letzten paar Konservativen. Also musste ein neuer Generalsekretär her, und ein neuer Ton, schrill von Grenzschließungen und Asylabschaffung orgelnd. Es war der verzweifelte Versuch, die Partei für die zu öffnen, die zuletzt in Massen direkt von den Grünen zur Schwefelpartei abgewandert waren. Über die Brandmauer. Ins gesellschaftliche Abseits.

Er ist schiefgangen. Merz' Experiment, Selbstverständlichkeiten auszusprechen, um die Grenzen des Sagbaren demonstrativ auszutesten, kann zwei Tage später schon als gescheitert gelten. Statt seiner schwarzen SPD etwas mehr Beinfreiheit zu verschaffen und ihre strategischen Optionen zur Mehrheitsbildung so zu erweitern, wie es der roten SPD bei der Frage von Bündnissen mit der SED gelungen ist, steht der CDU-Chef 48 Stunden nach seinem erwartungsfroh geplanten Manöver als Friedrich der Bloße da: Die parteiinternen Konkurrenten stürzen sich auf ihn, manche bissig, manche aber auch so milde, als sei der Chef mit seinem Gequatsche nicht einmal ein wenig Aufmerksamkeit wert.

Klare Machtperspektive

Hätte die CDU jemand anderen, wäre Friedrich Merz fällig. Hat sie aber nicht, weswegen der Vorsitzende es ja überhaupt nur wurde und weswegen er nun auch wird bleiben dürfen. Die 28 Prozent bei Umfragen sind ja so schlecht auch wieder nicht, dass ernsthaft zur Revolution gerufen werden müsste. Hält das Ergebnis, wird sich Friedrich Merz nach der nächsten Bundestagswahl aussuchen können, ob er mit der SPD oder mit den Grünen regieren will. Hält der Trend zur Abwanderung von Millionen Wählerinnen und Wählern hinter die Mauer, ist das auch kein Problem. Regiert er dann eben mit SPD und Grünen.



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