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Zwischen Tamponwerbung und Titelmission: Beste Binde

Heute unvorstellbar: Eine Binde mit nationalistischer Botschaft. Eine gewaltige Moralinjektion hat den lange als Sport missbrauchten Fußball zuletzt zu einer weltweit führenden Symbolverwaltungsindustrie gemacht.

Die wichtigste Frage wurde lange vorab geklärt. Welche Kapitänsbinde soll, welche muss, aber welche darf die Spielführerin der deutschen Nationalelf bei der "Fifa Frauen WM" in Australien und Neuseeland tragen? Welches Signal wird welcher Lappen aussenden, welches unsägliche Leid wird welche große Geste beenden können? Welcher weltweite Missstand wird danach keiner mehr sein? Und mit wie anderen Augen werden Millionen Fußballfaninnen in aller Welt auf das Land schauen, das bereit im vergangenen Jahr entschieden hatte, beim Männer-Turnier im diktatorisch regierten Katar nicht den Titel im sportlichen Bereich anzupeilen, sondern stattdessen lieber für eine bessere Welt anzutreten?

Beschämte Männerfußballspieler

Die wegen des globalen Gender Say Caps offiziell bis heute zu "Fifa Womens World Cup"®© herabgewürdigte Weltmeisterschaft der "Frauenfußballspielerinnen" (Bernd Schmelzer) sah die deutsche Vertretung vor deren erstem Auftritt wie immer ausgestattet mit besten Absichten und allerhöchsten Erwartungen. Der Titel vielleicht, auf jeden Fall aber ein Auftreten, das den Daheimgebliebenen Ehre einlegt, die müden, satten Männerfußballspieler beschämt und den eleganten, leichtfüßigen und von fehlender Profitgier und tiefer Freundschaft aller gegenüber allen geprägten Frauenfußball endlich in die erste Reihe schiebt, so etwa lautet der Plan, den DFB, ARD, ZDF und die angeschlossenen Abspielstationen des weltweit einheitlichen Fifa-Signals geschmiedet haben. 

Deutschland braucht Aufmunterung, braucht Helden, braucht ein Ende der Seuchen-, Kriegs- und Klima-Depression. Und wie wäre das günstiger zu kaufen als mit ein paar "couragierten Auftritt" (DPA) der "deutschen Frauen" (ARD) wie zuletzt beim Triumph des Willens in London, als der "Mannschaftsgeist" der Mädels das "You'll never walk alone"-Versprechen des Bundeskanzlers von der Frostfront auf den grünen Rasen brachte. Frauenfußball-Europameisterin wurde die Spielerinnen damals in London nicht. Aber ein nationales Monument dafür, wie sich mit einem "riesen Herz und in einem riesen Potenzial mit diesem riesen Herz" ein "Teamherz" finden lässt.

Die Regenbogenfahne bleibt daheim


Seit dem Debakel der Männer beim Versuch, die Regenbogenfahne über Arabien zu hissen, die Wahl der richtigen Binde als wichtigste Voraussetzung für eine gelungene Titel-Expedition. Taktik, Fünferkette, die Achse, die Außen und die Bank, all das muss stimmen. Doch ohne die richtige Botschaft am Ball ist alle trotzdem nichts. Fußball kann nur erlösen, wenn er nicht nur Staubsauger, Thermomixe und Tampons verkauft, sondern auch "ganz wichtige Botschaften" (Sport-Bild). Acht standen zur Auswahl: "Vereint für Inklusion", "Vereint für indigene Völker", "Vereint für die Gleichstellung der Geschlechter", "Vereint für Frieden", "Vereint für Bildung für alle", "Vereint gegen Hunger", "Fußball bedeutet Freude, Frieden, Liebe, Hoffnung und Leidenschaft" und "Vereint gegen Gewalt an Frauen".

Als Kapitänin Alexandra Popp als kurz nach der Ankunft am anderen Ende der Welt auftrat und in angemessen festlichem Rahmen das deutsche Siegermotto verkündete, für das ihr vom "Spiegel" bis heute störrisch als "deutsche Nationalmannschaft der Frauen" bezeichnetes Team sich für die Frauengewalt als deutliches Zeichen im Rahmen des Turniers entschieden habe, herrschte zwar einen Augenblick lang Trauer, weil weder der Regenbogen noch das legendäre katarische "One Love"-Motiv in der Vorauswahl gestanden hatten. Doch dass die "deutschen Frauen" mutig und "vereint gegen Gewalt an Frauen" auftreten werden, tröstete schnell darüber hinweg.

Überraschend so wichtiger Mut

Ein überraschendes, ein wichtiges Engagement, zumal lange die Hoffnung genährt wurde, das tapfere Herzeigen von Regenbogen-Binden von den höchsten Autoritäten des Weltfußballs vielleicht doch genehmigt werden. Für die Menschheit wäre das ein großer Schritt gewesen, für den lange vom Sport dominierten Fußball sogar ein Quantensprung. Heute schon ist kaum noch vorstellbar, dass frühere Generationen von Spielenden aller Geschlechter mit Bändchen von geradezu bizarrer Beliebigkeit aufs Spielfeld liefen: Von der deutschen "Spielführer"-Binde, die, um Verwechslungen auszuschließen, noch mit dem Aufdruck "Spielführer" versehen wurde, als der Führerschein bereits in "Fahrerlaubnis" umgetauft worden war, bis zu den in Nationalfarben von deutscher Unbelehrbarkeit kündenden Armbinden der Rummenigges, Völlers und Matthäus' missverstanden Fußballernde das symbolische Stückchen Stoff als reines Funktionselement an der Spielkleidung.

Das zeichensetzende Potenzial wurde verkannt, ignoriert und boykottiert und das wird es bis heute. So haben die führendsten deutschen Medienhäuser zwar umfassend von den freien Wahlmöglichkeiten der Fußballspielerinnen  vor der Entscheidung für doe richtige Botschaft berichtet. Auch die mutige Entscheidung der deutschen Vertretung für die Frauengewalt fand breite Widerspiegelung in zahlreichen Analysen, Grußadressen und eindringlichen Appellen. Für welche der acht anderen wichtigen Botschaftsbinden sich die Frauenfußballspielerinnen der übrigen 31 beteiligten Teams entschieden haben, wurde nie und nirgendwo bekanntgegeben.



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