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Schnellgerichte: Der rasende Rechtsstaat

Ein typisch deutsches Schnellgericht, mit Liebe zubereitet.

H
art, härter, Linnemann: Nur eine Woche nach seiner Inthronisierung hat der neue CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann deutlich gemacht, dass er dem Vorbild der rot-grünen Landesregierung in Baden-Württemberg folgen und die seit 1994 gesetzlich verankerten beschleunigten Verfahren häufiger nutzen will. Wer mittags im Freibad gewalttätig werde, solle schon am Abend vor einem Richter sitzen, fordert der künftige starke Mann der Union. Schnellgerichte, wie sie etwa im schwarz-grün regierten Nordrhein-Westfalen im Halbstundenrhytmus tagen, um etwa Menschen, die keinen festen Wohnsitz und keine Postadresse haben, im Eiltempo abzuurteilen, will Linnemann bundesweit stärker nutzen - auch gegen engagierte Bürgerinnen und Bürger, die sich für Klimabelange einsetzen oder für Stimmung in Freibädern sorgen.

Gegen lange Wartezeiten

Die Möglichkeit, nach mutmaßlichen Straftaten nicht ein oder zwei Jahre zu warten, ehe ein Prozess beginnt, hatte die unionsgeführte Bundesregierung mit dem "Verbrechensbekämpfungsgesetz" vor 30 Jahren geschaffen, das heute als Meilenstein der von der Bundesworthülsenfabrik (BWHF) in Berlin angetriebenen verbalen Modernisierung Deutschlands gilt. Vor Schnellgerichten werden strafrechtlich relevante Sachverhalte mit einer einfachen Beweislage mit dem Ziel verhandelt, eine Strafe auf dem sprichwörtlichen Fuße folgen zu lassen.

Durchgesetzt hat sich die Praxis seitdem nicht flächendeckend, allerdings hat das traditionell SPD-regierte Brandenburg in den vergangenen Jahren gezeigt, dass sich die von Seiten der Wissenschaft fast ausnahmslos mit großer Skepsis betrachtet Vorgehensweise schadlos in bis zu 14 Prozent aller Verfahren anwenden lässt. Das erspart nicht nur der Justiz viel unnötigen Aufwand, sondern auch den Angeklagt*innen lange Wartezeiten und viel Ungewissheit über den Ausgang.

Ruck, zuck, wie et Brezelbacken

Eine Blaupause für Carsten Linnemann, der das von einem Brandenburger Amtsgerichtspräsidenten als "Ruck, zuck, wie et Brezelbacken" beschriebene Verfahren nutzen will, um dem ehemals starken Rechtsstaat wieder mehr Abschreckungspotenzial zu verleihen. Täter würden womöglich nicht zu welchen, wenn sie "damit rechnen müssen, dass sie noch am gleichen Tag verurteilt werden und die Konsequenzen tragen." Gerade bei Klimakämpfern liegt der Vorteil für beide Seiten auf der Hand: Da in beschleunigten Verfahren wegen der höheren Rechtsunsicherheit durch die große Eile und den kurzen Prozess nur geringe Strafen ausgesprochen werden können, könnten Verurteilte bereits weniger später wieder auf der Straße kleben und helfen, die verantwortungslose Klimapolitik der Bundesregierung weiter mit anprangern. Die von Linnemann als zweite Zielgruppe adressierte Freibadjugend hingegen liefe nicht Gefahr, große Teile der Saison zu verpassen.

Ein Vorschlag, der trotzdem nicht überall auf ungeteilte Zustimmung stieß. Schnell wurde Linnemann auf die Formel festgelegt, er wolle die fahrenden Schnellgerichte der Nazis wiedereinführen, um die CDU auf AfD-Kurs zu bringen. Dass Linnemann parallel eine Umbenennung des bisher ungegenderten  "Bürgergeldes" der SPD ins Gespräch gebracht hat, um mit einer CDU-Gerechtigkeitsoffensive auch an der progressiven Flanke Stimmen für die Union zu mobilisieren, ging dabei gänzlich unter.



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