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Geplatzter Plan: Europas Traum von der Einheitsnummer

Vor mehr als 50 Jahren entstanden die ersten Pläne zur Einführung einer einheitlichen internationalen Ländervorwahl für die EU.

Traurig scheiterte die Idee der europäischen Einheitszeit, die der damalige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker den 440 Millionen EU-Europäern als sein Abschiedsgeschenk hatte überreichen wollen. Ebenso traurig versandeten die Gesundheitsunion, der große Plan vom Aufbau einer mächtigen EU-Armee und die milliardenschwere Wiederaufbaustrategie, die die Schäden der Pandemiezeit beseitigen sollte. Das Geld, das dafür nicht da war, fließt nun ersatzhalber in den Kampf gegen Amerikas Strategie der Übersubvention von Zukunftstechnologien - die Europäische Gemeinschaft zeigt, dass sie aus ihrer Geschichte gelernt hat.  

Auf dem Weg zur EU-Rakete

Seit der erfolgreichen Durchsetzung des europäischen Einheitssteckers für elektronische Kleingeräte ist alles andere vergessen, all die Pleiten, all die nie beigelegten Streitigkeiten um peanuts, die kühnen Lissabon-Strategien und hochfliegenden Ankündigungen, privatwirtschaftliche Heuschrecken selbst im Weltall noch mit eigenen EU-Raketen zu überholen. Was auch immer, Hauptsache zusammen. 

Diese Art symbolischer Einigkeit war schon immer eine Sehnsucht der Führer des Kontinent, selbst schon damals, als die Führer der Gemeinschaft wiedereinmal die Köpfe zusammensteckten, um einen neuen Anlauf zur Vereinheitlichung der europäischen Telefonvorahlen auf den Weg zu bringen. 1972, die EU hieß noch EG und sie war vielmals kleiner als heute, war die Idee auf der Europäischen Konferenz für Post und Telekommunikation besprochen und beschlossen worden. Nun, die Zeit war um nahezu ein Vierteljahrhundert vorgerückt, stand sie wieder auf der Agenda.

Neuordnung der Vorwahlzahlen

Mit dem "Europäischen Nummerierungsplan", nur echt mit großem E, nahm sich die Europäische Kommission anno 1996 eine Neuordnung der europäischen Telefonvorwahlen vor. Geplant war, die Europäische Identität (sic) endlich auch im Telekommunikationssektor widerzuspiegeln: Für ganz Europa sollte eine einheitliche internationale Vorwahl eingeführt werden. Schluss mit der numerischen Kleinstaaterei, mit +49, +41, +33 oder +31. 

Europa würde alle diese lästigen Ländervorwahlen des Europas der Regionen eindampfen und nur noch eine Einheitsnummer für alle benutzen. Was später bei der Umstellung der Bankleitzahlen auf die vierhunderdreiundsiebzigstellige IBAN gelang - endlich so viele Zahlen aneinanderzureihen, dass kein Gedächtniskünstler sich jemals auch nur die eigene Kontonummer merken kann, - scheiterte jedoch erneut.

Trickreiches binomisches System

Dabei war alles penibel geplant worden. Statt der bis heute gebräuchlichen Ländervorwahlen hatte die EU-Kommission sich ein System aus dem Reich der binomischen Mathematik entwerfen lassen.  Deutschland hätte danach die 0049 verloren, wäre aber beschenkt worden mit einer 3, hinter der eine  Verkehrsausscheidungsziffer mit der Größe 1 und nachfolgend eine zweistellige Landesvorwahl statt der bisher geltenden 00 und anschließend noch eine zwei- oder dreistellige Ländervorwahl gefolgt wären. Gestaffelt nach dem Datum des EU-Beitritts, hätte das neue System Wählzeiten nicht eben verkürzt, aber nach außen hin eine gesunde Portion europäische Einheitlichkeit symbolisiert.

Kleingeister und Geizhälse torpedierten das fantastische Vorwahlvorhaben. Außergewöhnlich daran: Nach nur einer öffentlichen Konsultation und einem Jahr intensiver Nachdenkungsprozesse, beschloss die Kommission, dass die Idee des langfristigen Europäischen Nummerierungsplans vorerst weitere umfangreiche Studien erfordere. 

Geld war damals noch knapp

Und weil Geld Damals Noch Knapp war und schon die ersten Kosten-Nutzen-Analysen über einen zehn- wie auch über einen zwanzigjährigen Zukunftszeitraum ,zwar zusätzliche Kosten, aber keinerlei zusätzlichen Nutzen ergeben hatten, blieb es dabei. Eine mittelfristige Harmonisierung der nationalen Nummerierungspläne war natürlich weiter fester Bestandteil der Zukunftsplanung der Mitgliedsstaaten. Doch bis auf eine neue Richtlinie, die es seit 2018 allen EU-Mitgliedern freistellt, "einen gemeinsamen Nummerierungsplan für alle oder bestimmte Nummernkategorien" zu vereinbaren, passierte nichts mehr. 

Heute, mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem ersten Impulsbeschluss in jenen verrückten Jahr 1972, müssen sich EU-Europäer allein deshalb überall auf der Welt scheel anschauen lassen, wenn sie nach Hause telefonieren. Das große Glück aller jüngeren Menschen: Nach beinahe zwei Generationen ohne jeden Vorwahlfortschritt ist das Wissen darum, wie nahe EU-Europa einer ewig langen einheitlichen Gesamtvorwahl schon einmal beinahe gewesen wäre, weitgehend verschwunden.



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