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Suche nach Sündenbock: Medientrupps hören Klopfgeräusche

Fahles Licht und verstockte Einheimische: Auf der Suche Nach den Gründen für den Zusammenbruch der Nachkriegsordnung durchforsten Medientrupps das Outback rund um Sonneberg.

Es scheint wie eine Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Der Wald ist dicht, fast sieht man ihn vor lauter Bäumen nicht. Die Sonne steht tief, das Unkraut ist hoch, die Wege hier im Osten sind in den letzten 30 Jahren fortschreitender Entvölkerung weitgehend zugewachsen. Die Burgen und die Fabriken, die Gutshäuser und die großen Genossenschaften, sie stehen leer, der Wind spielt mit rostigen Fensterläden, während ein Zug von Versorgungsfahrzeugen mit Brot, Butterersatz und Bargeld für die zurückgebliebenen auf die von den Stahlarbeitern und Chemiewerkern an Saar und Ruhr solidarisch finanzierten frisch geteerten Straßen rollt.  

Ein schläfriger Sommermorgen

Alles scheint ganz normal in Sonneberg, 48 Stunden danach. Ein schläfriger Sommermorgen mehr in einer Region, die nicht nur wegen der Temperaturen auf verblüffende Weise dem Südsudan gleicht. Ohne Entwicklungshilfe geht hier seit Jahren nichts mehr. Wer kann, zieht weg. Die übrigen, meist Alte, von Jahren unter der Knute der Diktatoren zeichnet, lehnen an der Fensterbank, an Bushaltestellen und vor den Abgabetischen der Tafel. Aus müden Augen beobachten sie das Leben beim Sterben. Wer noch jung ist und dazu in der Lage, verdingt bei den Helfern von außerhalb, die die wenigen Immobilien in guter Lage gemietet oder - in Erwartung eines länger dauernden Einsatzes - gleich angekauft haben.

Hier, wo der Dammbruch der Landratswahl größere Verheerungen angerichtet hat als die Explosion am Kachowka-Staudamm, spielt sich in diesen Tagen und Stunden ein Drama ab. Kaum war die heilsame Brandmauer gegen Hass und Hetze von den entmenschten Horden der Thüringer niedergerissen worden, begann die Suche nach den Ursachen der Explosion von Rechtsextremismus, Queerfeindlichkeit und Berlinablehnung. War es Materialermüdung, wie das teilstaatliche Portal T-Online vermutet? Oder wirken hier weiterhin Kräfte, die Mutwillen und Trotz mit zulässiger Kritik verwechseln?

Erfolgreicher Nachfolger

Inzwischen sind in den dunklen Wäldern rund um Sonneberg Hunderte Helfer im Einsatz, um den oder die Sündenböcke zu finden, die an allem Schuld sind. Zehn Jahre ist es inzwischen her, dass mit der sogenannten AfD eine neue Alternative auftauchte, die die bis dahin für Rassenhass, Europafeindlichkeit und Kriegstreiberei hauptverantwortliche NPD ersetzte. Gerade noch rechtzeitig, ehe das Bundesverfassungsgericht eine Auflösung der Mini-Partei von Amts wegen  wegen erwiesener Bedeutungslosigkeit ablehnte. Die gute Nachricht: es fand sich unmittelbar Ersatz. Vor allem für betroffene Medienarbeiter und Akteure im politischen Berlin eine große Erleichterung: So lange ein gemeinsamer Feind eint, steht außer Frage, dass es keine eigene Verantwortung für irgendwelche Um- oder Zustände gibt. Sondern allein die Aufgabe, ihn  zu bekämpfen.

Aber erst mal finden. Seit Sonntagabend schon durchkämmen mediale Suchtrupps und Ketten politischer Fußsoldaten das Gebiet zwischen Thüringer Wald und Bayern, in dem es zum Dammbruch kam. Es gebe Anhaltspunkte, dass im Suchgebiet bereits Beweise dafür gefunden worden werden sein könnten, dass es sich bei dem Dammbruch in Wirklichkeit um einen Zivilisationsbruch handelt, hat der ARD-Aktivist Georg Restle direkt aus der am schlimmsten betroffenen Region gekabelt: "Falls noch jemand Fragen hat, wer da in Sonneberg orchestriert hat: Sonneberg ist ein Sieg der organisierten Rechtsextremisten im Land", meldete der wagemutige Rechercheur, dem es in der Vergangenheit gelungen war, die Politik des Westens gegenüber Russland als "aggressiv" (Monitor) anzuprangern.

Schimmelbrot statt Chancenkarte

Doch wer ist Wladimir Putin verglichen mit Robert Sesselmann? Und wenn das Brot an einer Stelle schimmelt, muss dann nicht der gesamte Laib sofort entsorgt werden, weil er versucht ist mit unsichtbaren Sporen?  Sieben Millionen Deutsche sind heute bereits entschlossen, den Landkreis Sonneberg zu verlassen und zu Mastodon umzuziehen. Viele Fachkräfte, die die neue Chancenkarte eigentlich nutzen wollten, Deutschlands wankender Wirtschaft unter die geriatrischen Winkearme zu greifen, zögern seit dem Bekanntwerden des Wahlergebnisses mit der Abreise.

Eile tut Not. Den Besatzungen in den sommerlich stickigen Talkshowstudios geht langsam der Sauerstoff aus. Im Berliner Zentrum, wo die Wege kurz sind und die Mieten hoch, mangelt es an Argumentativen und - auch aufgrund der anstehenden Sommerferien - an neuen, schlanken und griffigen Worthülsen. Derweil konzentriert sich die Suche mittlerweile auf ein Gebiet, aus dem Medienvertreter  Geräusche gehört haben wollen: Die Laute, die am späten Sonntagabend angeblich auch von westlichen Geheimdiensten aufgezeichnet worden waren, erinnerten Beobachter an die schnarrende Stimme eines früheren Kanzlers, ließen sich aber zunächst keinem Menschen zuordnen. Hitler? Höcke? Till Lindemann?

Ausweitung des Suchgebietes

Wir wissen nicht, was das ist", gestand einer der Koordinatoren Der Suche Nach dem Sündenbock, die nach einer erneuten Ausweitung nun nicht mehr nur bei Grünen, SPD, ARD, FDP, CDU, CSU, ZDF, DDR, SED, Moskau, Washington und Linkspartei nach Verantwortlichen für den Zusammenbruch der Nachkriegsordnung sucht, sondern auch bei nicht ausreichend überzeugend vorgebrachten Erzählungen vom großen Umbau, dem kommenden grünen Wirtschaftswunder und Missverständnissen über das in Berlin en-suite aufgeführte Bühnenstück "Streit in der Ampel" . Ein Gutteil der Schuld kommt dabei freilich auch der Presse als Transmissionsriemen der Regierungsbotschaften an das einfache Volk zu: Immer wieder wurde hier aus sensationsgier Zweifel geweckt, immer wieder wurden akute Gefahren verniedlicht, indem etwa die Zahl der Arten, an Hitze zu sterben, absichtlich niedriger angesetzt wurde.

Nach dem Fall der Brandmauer gilt es nun, die Schuldigen klar zu benennen, ihre Opfer zu bergen und schnellstmöglich zur Tagesordnung überzugehen. Die Ampel blinkt nun hektisch, um auf die Überholspur zu kommen, damit beschlossen wird, was weh tun wird, so lange die eigene Kraft noch reicht. Friedrich Merz dagegen wendet sich gegen die eigenen Leute, Spaltung und Niedertracht sind sein Weg zur Macht. Der Kanzler sitzt die Sache aus wie immer. Auch die EU-Kommission schweigt. Nicht Sonneberg und seine Bevölkerung müssen überzeugt werden, umzukehren, die kleine Stadt im Wald ist ein verlorenes Stück Land, dessen  Beitrag zum Bruttoinlandsglück vollkommen zu vernachlässigen ist. Der letzte Dienst, den die Menschen dort leisten können, ist, den Regionen rundherum als abschreckendes Beispiel zu dienen, um zu zeigen, wie besser nicht gewählt werden sollte.



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