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Debatte über Giersteuern: Wie zockt uns Vater Staat ab?

Das Geld der Steuerzahler ist nicht weg, es gibt nur ein Anderer aus.

Die Inflation lässt nach, aber nur ihre Steigerungsrate. Bei zuletzt sieben Prozent halbiert sich ein kleines Vermögen von 10.000 Euro bis kurz vor dem endgültigen Verbrennerverbot, abzüglich der neuen Pflichten für Heizungsaustausch und der anstehenden EU-Dämmungspflicht bleibt vielen Bürgerinnen und Bürgern nur noch die Flucht in die Armutsbetroffenheit. Zugleich aber gibt es gute Nachrichten: der Bund und die Länder haben noch niemals zuvor so hohe Steuereinnahmen generieren können wie seit dem Beginn der Zeitenwende.  

Auf ein Plus von 126,4 Milliarden Euro kam die letzte Schätzung allein für den Bundesfinanzminister. Die Mehreinnahmen des Staates summieren sich bis 2027 auf mehr als 1,1 Billionen Euro - verglichen mit dem Jahr 2013 entspricht das einer knappen Verdoppelung. Vater Staat ist der große Inflations-Profiteur, nicht trotz Energiekrise und erwarteter Rezession, sondern gerade wegen der erodierenden wirtschaftlichen Basis der immer noch größten Volkswirtschaft der EU können Bund, Länder und Kommunen auch in den kommenden Jahren mit mehr Steuereinnahmen rechnen als gedacht. Bis 2030 sollen die Erlöse aus Pflichtabgaben weiter steigen. Dann rechnen Experten damit, dass der schwache Staat mit einem Einspielergebnis von über 1,4 Billionen Euro rechnen kann.

Die große Frage ist, wer das alles bezahlt, warum und weswegen die sogenannten "Giersteuern", wie sie der "Spiegel" nennt, keinerlei Aufregung verursachen - weder bei den Medien noch bei denen, die sie bezahlen. Ein Rätsel, das die Finanzexpertin Ursel Lammert-Schwede aufmerksam erforscht. Als Lehrbeauftragte am Institut für Behavioral Taxes an der Abendschule in Bautzen hat die 33-jährige Nachwuchswissenschaftlerin über Monate hinweg verfolgt, wie bei welchen Steuerarten der Staat richtig "abzockt" (Der Spiegel), wieso das niemand merkt und wie es der öffentlichen Hand gelingt, die Inflation als Trittbrettfahrer zu nutzen, aber gleichzeitig den Eindruck zu erwecken, man sei selbst das am schlimmsten betroffene Opfer der Entwicklung.

PPQ: Frau Lammert-Schwede, erklären Sie uns, wie Vater Staat es anstellt, uns glauben zu lassen, es gehe ihm richtig schlecht, obwohl er doch mehr Geld hat als jemals zuvor?

Lammert-Schwede: Nun, da haben wir es mit einem Phänomen zu tun, das wir aus de Wahrnehmungsforschung im Bereich der Medien schon lange kennen. Der Kollege Achtelbuscher vom An-Institut für Entropie bei der Bundesstiftung für Erosionsforschung könnte Ihnen Vorträge darüber halten. Kurz gesagt ist es so, dass hier einerseits Zahlen im Spiel sind, die ein Empfänger von gewöhnlichen Löhnen und Gehälter nicht fassen kann. Andererseits aber Erklärmuster bemüht werden, die diese Zahlen als Naturgewalt interpretieren, die sich kaum beeinflussen lassen. So wie das Wetter letztlich stoisch hingenommen wird, egal, wie es gerade ausfällt, wird auch diese stolze Erfolgsbilanz eines Gemeinwesens, das immer tiefer in die Taschen greift, als unumgänglich akzeptiert.

PPQ: Nun ist aber eigentlich jeder betroffen, niemand zahlt gern Steuern, schon gar nicht zahlt man gern mehr. Trotzdem gibt es eine hohe Akzeptanz für diese staatliche Selbstbedienungsmentalität?

Lammert-Schwede: Weil sie einerseits unbegreiflich erscheint, andererseits natürlich fortwährend konterkariert wird. Es ist viel Geld, sehr viel Geld und es wird immer mehr Geld. Auf der anderen Seite werden diese explodierenden Einnahmen aber konterkariert und relativiert, indem unablässig das Lied von den fehlenden Mitteln gesungen wird. Verdeutlicht wird das den Bürgerinnen und Bürgern im Alltag, indem für dieses kein Geld da ist und für jenes auch nicht, Schulen und Brücken verfallen, Straßen haben klaffende Löcher und Städte stöhnen demonstrativ unter sogenannten knappen Kassen. Ein ganz normaler Bürger oder auch eine Bürgerin bekommt das natürlich immer wieder mit, während die fantastischen Zahlen auf der Einnahmeseite nur hin und wieder wie ein Blitz aufzucken. Das ist dann auch gleich wieder vergessen.

PPQ: Sie haben sich angeschaut, wie der Staat die Unausweichlichkeit inszeniert, mit der er von der Inflation profitiert. Und wie er zugleich bemüht ist, den Eindruck zu erwecken, es reiche hinten und vorn nicht.

Lammert-Schwede: Ja, das ist der interessante Punkt. Denn letztlich leidet der Staat ja selbst unter diesen astronomischen Geldzuflüssen. Er ist ständig unter Druck, sie möglichst schnell auszugeben, um sich nicht den Vorwurf gefallen lassen zu müssen, dass er knausert und den Menschen unnötig Geld wegnimmt. Der moderne Staat hat dabei einen Einfallsreichtum entwickelt, der das alte Vorurteil, eine Ministerialbürokratie sei ebenso wie eine politische Führung unfähig zu jeder Art Fantasie, schlagend widerlegt. Mit der Bundesbehördenansiedlungsinitiative (BBAI) und den vielen anderen Löchern, die in den zurückliegenden Jahren ins Steuersäckel gestochen wurden, hat er sich tatsächlich in die Lage gebracht, dass es nie reicht, weil es nie reichen kann.

PPQ: Diese Erzählung ist bei vielen Menschen sicher längst zu einer festen Überzeugung geworden. Dabei widerspricht sie doch allem, was man von den Staatseinnahmen weiß. Ist das nicht absolut erstaunlich?

Lammert-Schwede: Bei Lichte besehen nicht. Schauen Sie sich das Beispiel mit dem wetter an, Das Ich Vorhin genannt habe. Sobald es Ihnen gelingt, ein System aufzubauen, das mit einer quasi mechanischen Präzision funktioniert, sich also aktuellen Entscheidungen entzieht oder sie zumindest so kompliziert macht, dass jede Änderung einer Regelgröße eines sehr, sehr komplizierten Vorablauf bedarf, bei dem jeweils sehr, sehr viele unterschiedliche Interessen und Ansichten berücksichtigt werden müssen, kann es kaum noch zu Veränderungen dieses mechanischen Ablaufes kommen. Jede inhärente  Veränderung wie etwa die extrem stark steigender Steuereinnahmen durch explodierende Preise und nachfolgend zumindest numerisch steigender Löhne und Gehälter erscheint als gottgewollt und unveränderbar. Es reicht dann, ab und zu Bedauern darüber zu äußern und zuzusichern, dass bei nächster Gelegenheit mal richtig durchgekehrt wird, damit sich das nicht wiederholt. Aber so lange die Situation so ist, geschieht das nicht., Und ist sie vorübergegangen, besteht keine Notwendigkeit mehr, sie zu ändern.

PPQ: Es bleibt den zahlenden Massen also nur die Duldungsstarre?

Lammert-Schwede: So ist das. Notgedrungen richtet man sich ein im Glauben, das könne gar nicht anders sein. Dazu kommt dann noch die mediale Präsentation der Kombination aus übersprudelnden Kassen und offiziellen Leidensgesängen über hier und da und überall fehlende Mittel, die nie nach den Ursachen dieser Differenz fragt, sondern sich bemüht, daraus griffige personality stories über geizige  Finanzminister, den guten Zweck freigiebig ausgeteilter Milliarden und die emsigen Anstrengungen aller, sogenannte "Entlastungen" zu bewirken. Entlastungen, die es ja nicht bräuchte, wären die Belastungen nicht so hoch, dass der Durchschnittszahler die Hälfte seines Erwerbseinkommens an den Staat abgibt und vom Rest noch mal Verbrauchssteuern bezahlt. 

PPQ: Das sind Erkenntnisse, deren Wucht sicher viele erschrecken würde. Spielen Sie damit nicht den Falschen in die Hände?

Lammert-Schwede: Das ist keine Frage, die ihnen eine ernsthafter Wissenschaftler beantworten kann. Sicher könnten diese unsere Forschungsergebnisse Teile der Bevölkerung verunsichern. Aber da sind wir wieder bei dem hermetischen Prinzip, das ich vorhin erwähnt habe: Auch verunsicherte Steuerzahler sind Steuerzahler, deren Pflicht zur Abgabe nicht aufgeweicht wird, nur weil sie das ungute Gefühl haben, abgezockt zu werden. Zudem erscheint es nach unserem momentanen Wissensstand so, dass große teile der Längerhierlebenden, wenn ich mal einen Begriff unserer früheren Kanzlerin verwenden darf, durchaus der Meinung sind, der Staat wisse sowieso besser, wofür er das Geld der Bürgerinnen und Bürger ausgibt.



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