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9. Mai: Sieger der Geschichte

Bedauernswerte frühere Sieger: Selbst das eigene Logo konnten Sowjetsoldaten kaum malen.

Bis in die Nachspielzeit musste gebibbert werden, bis weit Nach Spielende sogar. 1945, Stunde Null, Neuanfang mit altem Personal, aber sauberer Weste.Allerdings blieb bei aller Befreiung doch das Gefühl, etwas verloren zu haben, das sich durch gebeugte Knie nicht ersetzen ließ. Der Westen ernannte die Amerikaner zu seinen besten Freunden, zumindest, so lange die Franzosen nicht im Zimmer waren. Im Osten dagegen wurde auf die Winnetou-Art gleich Brüderschaft geschlossen: Klassenbrüder, Waffenbrüder, Kampfgenossen. Ruhm und Ehre nicht mehr der Waffen-SS. Sondern nun eben Ruhm und Ehre der Sowjetunion.

Freunde und Klassenbrüder

Manchmal ist es so einfach. Manchmal ist es damit aber noch nicht vorbei. So sehr sich die Deutschen auf beiden Seiten ihres ideologischen Grabens wohlzufühlen versuchten, den die besten Freunde und Klassenbrüder in Jalta gegraben  hatten, so sehr grummelte in ihnen doch immer die Sehnsucht nach der "Wiedervereinigung" (Walter Ulbricht). das ganze Deutschland halb oder das halbe ganz, ein Stück vom Kuchen, geteilt mit dem besten Freund, oder ein anderes, das der große Bruder langsam wegfrühstückt: Hier wie da herrschte schicksalhafte Ergebenheit. Strafe muss sein, und das war sie eben.

Durch Fleiß und Einfallsreichtum, die Sekundärtugenden, die schon geholfen hatten, fast sechs Jahre gegen die ganze Welt zu bestehen, beschämte die beiden Deutschlands ihre Nachbarn. In aller Bescheidenheit: Der Bonner Republik ging es schon 20 Jahre nach dem verlorenen Krieg besser als den Alliierten, die ihn gewonnen hatten. Für die DDR galt, im bescheidenen Maßstab der kommunistischen Entsagungswirtschaft, dasselbe. Das bisschen Wohlstand, von den Ostdeutschen oft als schäbig und ungenügend empfunden, sah aus Polen, der Sowjetunion und Rumänien aus als werde von Ostberlin aus eine Siegermacht des Zweiten Weltkrieges regiert. 

Kriegsverlierer im Büßerhemd

Es verbot sich allerdings für alle, laut darüber zu reden. Die Kriegsverlierer trugen das Büßerhemd und lachten die Sieger aus, gingen dazu aber in den Keller. Die "Niederlage" im Krieg verwandelte sich nur ganz langsam in eine Befreiung, die auf dem besten Wege war, schließlich eines Tages als deutscher Sieg über sich selbst gefeiert werden zu können. dass es bis dahin noch dauern würde, bis auch die letzte Generation nicht mehr Gefahr lief, im Unterricht oder aus Büchern etwas über Geschichte zu erfahren, war ausgemacht. Aber Beharrlichkeit, das hat das lange Warten auf die Wiedervereinigung gezeigt, ist auch eine deutsche Tugend.

Die nun belohnt wird. Vor Jahren schon begann ein Kampf um die Erinnerung, der die Täter nach und nach in Opfer von Verführern und falsch verstandenen Idealen verwandelte. Die klassischen Bilder des Deutschen als Lehrer der Völker tauchten wieder auf, Siegesfeiern unterm Eiffelturm und zugleich verschwand einer der Sieger aus den Annalen. Nun war es der D-Day, der den Krieg entschied, und der alte deutsche Traum von einem vereinten Westen, der wie eine Wand gegen den Mongolensturm aus dem Osten steht, er erfüllte sich.

Der Mythos bröckelt

78 Jahre nach der bedingungslosen Kapitulation ist es geschafft. Ganz allgemein herrscht Konsens darüber, dass der 8. Mai das Kriegsende brachte, obwohl Feldmarschall Wilhelm Keitel zwar eine Kapitulationsurkunde für die deutsche Wehrmacht am 7. unterschrieb und eine weitere am 9., nur eben keine am 8. Zugleich ist ein historischer Seitenwechsel vollzogen: Die Flagge des einstigen Siegers darf in der Hauptstadt der einstigen Besiegten nicht mehr gezeigt werden, der "Mythos vom unbesiegbaren Russland bröckelt", frohlocken Fachzeitschriften für Militärtechnik, und die deutsche Arbeiterbewegung nutzt die Gelegenheit für einen Vorschlag, der ganz EU-Europa erfreuen soll. Kommt, habt Teil am Jubel der ehemaligen Besiegten, die nun eindeutig die Gewinner sind!

Der Kanzler weilt zur Feier dieses großen Tages demonstrativ in Europa, dieser 9. Mai ist ja auch ein "symbolisches Datum" (Tagesschau) gewählt: der Jahrestag der Unterzeichnung der Schuman-Erklärung, ein Papier, das 440 Millionen Bürgerinnen und Bürgern heute "als erster Schritt zur EU" gilt.

Spätestens zum 80. Geburtstag des deutschen Sieges über den Zweiten Weltkrieg wird die Verwandlung vollendet sein. Der 8. Mai wird dann ein bundesweiter Feiertag mit Biergartenwetter und bedauernden Blicken aus Berlin auf die Verlierer im Osten: Ja, damals endete "mit der Kapitulation des Deutsches Reichs der Zweite Weltkrieg in Europa"*. Ja, nach mehr als zwölf Jahren konnten die Deutschen das Joch des "Terrorregime der Nationalsozialist*innen" endlich abschütteln. Ja, die Erinnerung daran, diesen übermächtig scheinenden Gegner bezwungen zu haben, darf dem deutschen Volk nie verlorengehen, gerade mit Blick auf den russischen Angriffskrieg.

*Zitate "Vorwärts"





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