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Krone der Schöpfung: Nie war er so wertvoll wie heute

Mit einem Pinsel aus Haaren des Monarch-Katers hat der junge Künstler Kümram dieses Porträt des britischen Königs auf Seide aus Siam gemalt.


Schon den letzten Geburtstag der Mutter feierten alle gemeinsam. Für einen kleinen Augenblick vergaßen Deutschlands Medien die Jahrhunderte der grausamen Gewaltherrschaft, die Sklaverei, Unterdrückung ganzer Erdteile, die Kriege, die man gegeneinander geführt hatte, und sogar den Brexit, mit dem sich der kleine britische Blinddarm selbst aus dem großen Europa  herausoperiert hatte. Man war wieder Familie, die Windsors wieder Blutverwandte aus Sachsen und Gotha, die Königin nicht mehr eine irrsinnig reiche alte weiße Frau mit einem Lebensstil, der binnen weniger Tage zum Untergang der Menschheit im Klimaofen führen würde, pflegten ihn auch nur vier der acht Milliarden Erdenbewohner.

Herren eines Reiches, in dem die Sonne nie untergeht

Die Charles-Begeisterung der Deutschen ist messbar.
Nun war das aber alles egal. Elisabeth, immer noch Herrin des größten Kolonialreiches der Welt und Oberhaupt eines zusammengeraubten Imperiums, in dem die Sonne nie untergeht, galt kurz vor ihrem Tod als weise, mehr Mensch als Symbol. Noch gegen Hitler gekämpft habe sie und gegen den Klimawandel sei sie auch, die Übermenschliche, zusammengeschraubt aus Pflichtgefühl und Vaterlandsliebe, jajaja, ein rurales, jeden guten Deutschen beängstigendes, atavistisches Gefühl, das auf der Insel noch gehabt werden darf, weil es zur Folklore gehört wie Bärenfellmützen und Beatles. Im leichten Gruseln der großen Reportagen aus dem großen Britannien war Staunen zu spüren, aber auch Neid, der das Bedauern überwog. 

Natürlich hat Deutschland seine Bundespräsidentenwahl, einen Festtag der Demokratie jedes Mal, an dem nicht nur Politikprofis, sondern auch allerlei Dichter, Sänger, Schauspielende und verdiente Engagierte als eine Art Gesellschaftsrat zusammentreten, um den neuen Mann - bisher war es immer ein Mann - abzunicken, auf den sich die Parteichefs in den Hinterzimmern geeinigt hatten. Nach wochenlangem großen Zetern in den Gazetten. Aber bei allem, was Horst Köhler, Joachim Gauck und aktuell Walter Steinmeier an royale Gesten einstudiert haben: Ein richtiger König war keiner von ihnen, nicht einmal Christian Wulff, obschon im weitesten Sinne ein Kind aus dem Hause Hannover.

Königliche Grundversorgung im ZDF

Als stünde der frühere Prinz Charles nun kurz davor, Schloss Bellevue in Berlin zu beziehen, legen ihm die deutschen Zeitungen, Magazine und Fernsehstationen ganze Wälder an Papier und ganze Tage an Sendezeit zu Füßen. Beim ZDF läuft als Grundversorgung ein "Countdown zur Krönung", richtig historisch wird es aber dann bei der ARD, die "exklusiv" (ARD) für fünf Stunden auf Sendung geht, wenn "ganz London Kopf steht, wenn die Feierlichkeiten zur Krönung des Königs Charles III. stattfinden werden".  Selbst der proletarische Pressearm der deutschen Sozialdemokratie jubelt und verfolgt die Krönung des Königs im Liveticker.

Die flammende Liebe zur Monarchie als dem jahrtausendelang gepflegten Gegenstück zur Demokratie, sie brennt so heiß wie nie. Verstanden die alten Griechen Erbkönigreiche noch als Form der Tyrannei, gilt sie selbst den fortschrittlichen Medien heute als hübsche Tradition mit lustigen Regeln und einem netten Hauptdarsteller, der nach 71 Jahren im Wartesaal als am längsten amtierender Prinzen von Wales aller Zeiten immer noch jünger ist als US-Präsident Joe Biden, sich sehr für Umwelt, Natur und Klima engagiert, wie man das so tut, und der überhaupt auch Namensgeber für eine Froschart ist.

Ein Land ohne Jahrhundertfigur

Deutschland, seiner imperialen Sehnsüchte ebenso beraubt wie seit dem Tod Helmut Schmidts und Helmut Kohls jeder noch lebenden historischen Figur, kennt dergleichen nicht. Selbstverständlich ist auch Walter Steinmeier gegen Plastikmüll, natürlich haben auch Köln und Mainz prächtige Paraden mit Menschen in bunten Fantasieuniformen. Doch so etwas wie die Krönung von Charles III. und Camilla, ein Ritual, das einem vor tausend Jahren ausgedachten strengen Zeremoniell folgt, das hat die junge, quicke Demokratie der Berliner Republik nicht zu bieten.

Trotz Sondervermögen ist die Bundeswehr noch immer froh, wenn sie eine Ehrenkompanie zusammenbekommt, die halbwegs im Gleichschritt stolpert. Eine Krönungsprozession zur Gendarmenkirche - statt zur Westminster Abbey - wäre unter diesen Voraussetzung undenkbar. Auch beim Weg zurück zum Reichstag - statt zum Buckingham-Palast - könnte eine deutsche Monarchie kein "prunkvollstes Gesicht" (WDR) zeigen. Und seit der Beerdigung Preußens durch die Alliierten auch kein preußisch-herbes Kartoffelkönigstum.

Glänzende Journalistenaugen für den König

Wohl daher kommt es, dass die deutsche Medienarbeiter, ausgebildet von progressiven Lehrerinnen und Lehrern in zumeist sehr gut mit Stühlen, Tischen und Tafeln ausgestatteten Schulen, mit glänzenden Kinderaugen nach London schauen, wo der spät berufene König endlich den Thron besteigen darf. Für die Branche, die seit Jahren unter so akutem Prominentenmangel leidet, dass mittlerweile schon völlig Unbekannte als berühmt gelten, sind die Ereignisse in London ein Gottesgeschenk. Wie sonst nur bei einer Papstwahl oder eine Fußball-WM werfen die Anstalten und Redaktionen sich mit Verve und Leidenschaft in die Aufgabe, den Deutschen den Ärger der Briten über Charles' und Camillas Quiche zu erklären, das "düstere Geheimnis von Camillas Krone" zu lüften und nachzuweisen, dass mit dem neuen Mann im alten Palast doch eigentlich wieder ein Deutscher über das perfide Albion herrscht.

Nun heißt es zurücklehnen und genießen. Die Blutdiamanten am Zepter, die Uniform, die schon in  zahllosen eroberten Ländern für Angst und Schrecken sorgte. Die Blumenmeere, die von im Zwist mit der einen Kirche abgespaltenen Predigern gesprochenen Gebete zu einem Gott,  der sich seit dem 16. Jahrhundert eigenen eigenen zweiten Papst nur für die Engländer hält.




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