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Emmanuel Macron: Der Querdenker

Emmanuel Macron gefährdet den Zusammenhalt des Westens. Zeichnung: Kümram, Blaubeersaft auf Geschenkpapier, radiert

E
s war die höchstmögliche Demütigung, die die deutsche EU-Chefin Ursula von der Leyen in China hinnehmen musste. Absichtlich zu spät kommen, um die Ehrenparade nicht als Zaungast miterleben zu müssen. Durch den Touristeneingang einreisen zu müssen, empfangen nur vom Umweltminister, ein Posten, der in Peking als Frühstücksdirektor gilt. Und dann an der Pressekonferenz von Xi Jinping und Emmauel Macron nicht teilnehmen zu dürfen, sondern sich eine eigene machen zu müssen. Während der Franzose den Weltpolitiker spielte, schrumpfte die Chefeuropäerin zum Reisegepäck. Selbst dass sie ganz und gar undiplomatisch über ihre Gastgeber schimpft, mit Sanktionen drohte und  sich zwei Meter größ0er machte als sie - in Hackenschuhen - ist, wurde ausschließlich daheim in Deutschland zur Kenntnis genommen.

Auf dem Weg zur Emazipation

Für Macron, der daheim unter schwerem Druck fortschrittsfeindlicher Kräfte steht, ein gewaltiger Erfolg. Für Deutschland und die EU aber eine bittere Niederlage. Die weltgrößte Staatengemeinschaft hatte sich zuletzt auf Dem Weg Zur endgültigen Emanzipation gewähnt: Frei von russischem Gas, frei von amerikanischer Bespitzelung, gemeinsam unterwegs zu den Klimazielen, eine nachhaltige Dienstleistungswirtschaft, die CO2-neutral auch wieder viel Schwerindustrie, Hightech-Fertigung von der Atemmaske bis zum elektrischen Chip und Gesundheitsfabrikation zurück auf die eigene Scholle holt.

Dass sich Emmanuel Macron im Dienst der europäischen Flugzeugindustrie entschieden hatte, Ursula Von Der Leyen nicht beiseite zu springen, als ihr die Chinesen die kalte Schulter zeigten, störte das Selbstbild kaum. Auch deutsche Interessen stecken in jedem verkauften Airbus, auch deutsche Arbeitsplätze hängen an der weiteren Expansion des globalen Flugverkehrs, die Asiaten und Amerikaner werden schultern müssen, wenn in Europa die Flugscham erst auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Funkdienstes ergreift. Als der Franzose dann aber begann, seine eigene Version der Weltzusammenhänge zu erzählen, reichte es. "Was erzählt er da?", fragte die Süddeutsche Zeitung. Das ehemalige Nachrichtenmagazin Der Spiegel protokollierte "scharfe Kritik deutscher Politiker" an den kruden Thesen des Mannes aus dem Elysee-Palast. Das Politik-Blatt Bild" erkannte einen "gefährlichen Kniefall" vor Peking. Und der "Tagesspiegel" attestierte einen Fall von "Größenwahn".

Was gestern richtig war, ist heute falsch

Ein Aussetzer. Ein Rückfall in alte Zeiten. Ein Schuss ins Knie der ohnehin durch die Weltläufte humpelnde EU. Was war nur in den jüngsten der europäischen Staatenlenker gefahren, der noch zu Zeiten Angela Merkels als halber Kern des Kerneuropas der vielen Geschwindigkeiten gegolten hatte, ein Liebling der hiesigen Medien und eine Sehnsuchtsfigur der Kommentäter? Auf einmal sagt der Franzose, was früher als Grundton von allen weitsichtigen deutschen EU-Visionären gesungen wurde: Europa brauche eine autonome EU, Europa müsse sich aus der gefährlichen Abhängigkeit von den USA lösen. Europa brauche mehr Distanz zu den USA. Europa dürfe kein Mitläufer sein.

Strategische Autonomie. Dritte Weltmacht. Eigene Armee. Kraftzentrum einer viel höheren Moral. Das stete Gebet von Angela Merkel, Martin Schulz, Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel ist im Augenblick aber keine positiv motivierende Vision mehr wie noch zu Zeiten von Jean-Claude Juncker. Sondern "mehr als nur ein diplomatischer Fauxpas" (Tagesspiegel). Es sei "seine außenpolitische Bankrotterklärung", erklärt der "Spiegel" Macron als "von allen guten Geistern verlassen".

Um Kopf und Kragen

Über Nacht hat sich der 45-Jährige von einem Baustein, auf dem das erneuerte EU-Reich mit dem green deal und dem Wiederaufbaupakt errichtet werden sollte, zu einem Querdenker, der den Westen spaltet und schwächt.  Daniel Friedrich Sturm, eine Applausmaschine aus der Merkelzeit, kann auch kritisch: Vielleicht sei Macron der pompöse Empfang in Peking zu Kopfe gestiegen, vielleicht hätten ihm die "Wir lieben Dich!"-Jubelrufer in China zu sehr geschmeichelt.Man kennt das von vielen Politikern: Kaum werden sie gelobt, halten sie sich für unfehlbar und dann rufen sie auch schnell mal "Nichts muss so bleiben, wie es ist". 

Da redet sich einer um Kopf und Kragen . Als hätte er damals nicht schon die Nato beinahe ins Grab geschubst, als er sie für "hirntod" erklärte, folgt nun Gehetze über Vasallentum, schräge Bemerkungen über eine notwendige Annäherung an China, dem Ursula Von Der Leyen doch gerade erst die Instrumente gezeigt hatte, und die Ankündigung, sich keinem "amerikanischen Rhythmus" und keiner "chinesischen Überreaktion" anpassen zu wollen. Als wäre beides das Gleiche.

Olaf Scholz ist gefordert

Berlin wird Macron nun einfangen müssen. Dass Europa "aufwachen" müsse, wie der En-Marche-Gründer fordert, ist so gesehen zutreffend. Wähnten die echten Europäer, die den Kontinent planmäßig zu einer eigenen Staatlichkeit unter Brüsseler Ägide führen, die Gegner und Feinde dieses historisch einmaligen Vorhabens bisher außerhalb der eigenen Reihen, bei den Rechtsextremen, faschistischen Italienerinnen, rassistischen Ungarn und notorisch stimmungsschwachen Sachsen, so stellt sich nun heraus, dass er im Herzen des EU-Lagers steht. Soll nicht wieder der greise Joe Biden die Kastanien für die Wertegemeinschaft aus dem Feuer holen müssen, muss Olaf Scholz nach Paris reisen. Es gilt, der "naiven und gefährlichen Rhetorik" (Norbert Röttgen) schnell ein Ende zu machen.



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