Mit einem Twitter, das Trump sperrt und den Massenmörder Ali Khamenei gewähren lässt, konnte Saskia Esken gut leben. Mit einem Musk-Twitter kann sie es nicht mehr. |
Das war nun eine Windung zu viel. Jahrelang war SPD-Chefin Saskia Esken dem unter Bundestags- und Landtagsabgeordneten ebenso wie unter deutschen Regierungs- und sonstigen Behörden weitverbreitetem Brauch gefolgt und hatte beim amerikanischen Kurznachrichtenportal Twitter einen eigenen Account betrieben.
Ein übelgelaunter Bot geht
Das stand immer schon im Gegensatz zu den letztinstanzlichen Urteilen höchster europäischer Gerichte, störte aber niemanden, weil wenn es die Kanzlerin macht und später auch der neue Kanzler, dann können die Verstöße gegen europäische Datenschutzregeln so schlimm nicht sein. Saskia Esken nutzte Twitter also weidlich, sie pöbelte, beleidigte und blockierte Widerspruch, sie war der weibliche Ralf Stegner, ein übergelaunter Bot, der den Sozialismus als kommendes Menschheitsglück pries und Andersdenkende abbügelte: Wer den Begriff negativ verwende, habe "keine Ahnung".
Kapitalismus muss gemeinnützig sein
Das aber ist offenbar das Mindeste, was Saskia Esken verlangt. Bei Twitter, das ist ihr nach zehn Jahren immerhin aufgefallen, gehe es um "übermäßiges Profitstreben". Diese "Kapitalverwertung hat das WWW kaputtgemacht", so die staatlich geprüfte Informatikerin, die dazu aufruft, dass "wir uns das Netz zurückholen". Einen Vorschlag dazu hatte bereits der CDU-Altnationale Ruprecht Polenz gemacht, allerdings kam seine Idee, die EU solle Twitter kaufen, zu spät.
Das EU-eigene Anti-Twitter §EU-Voice" aber, obwohl nun auch von der "Tagesschau" als hassfreier Sehnsuchtsort von Musk-Müden und Zweifel-Überdrüssigen gerühmt, bleibt auch nach umfangreichen Investitionen der Gemeinschaft ein leerer, trauriger Ort. Die EU-Kommission ist der erfolgreichste Voicer hier in der "neuen, datenschutzfreundlichen Social-Media-Plattform der Europäischen Union", die deren "Unabhängigkeit in der digitalen Welt voranbringen" soll. Sie kommt auf nicht einmal elftausend Follower.
Aber Hauptsache nicht Musk, dessen Vorstellung von Meinungsfreiheit mit dem SPD-Ideal der Politik als oberstem Organisator des Zusammenlebens in der Gesellschaft nicht so recht zusammenpassen will. Einer wie Musk, der "mehr freie Rede" auf Twitter zulassen will, erscheint als Bedrohung, unkalkulierbar und nicht zu beherrschen. Das entschiedene Vorgehen der Staatsmacht scheint Eskens Genossin Jessica Rosenthal angebracht: Social-Media-Kanäle gehörten zur gesellschaftlichen und demokratischen Infrastruktur, so die Juso-Chefin, denn sie seien Ort des Meinungsaustausches, an dem Leute, denen das Unternehmen dies zuvor verboten hatte, nun auch weiterhin keinesfalls wieder teilnehmen dürften. Verweigere sich Elon Musk dieser Forderung der deutschen Sozialdemokratie, "ist es richtig, Elon Musk an der Stelle zu enteignen."