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Gute Kernkraft in Saporischschja, böse Kernkraft hierzulande: Die Angst vor dem deutschen GAU

Deutschland stellt seine Kernkraft kalt, die auf dem ukrainischen Schlachtfeld laufenden Reaktor von Saporischschja hingegen werden von Politik und Medien eifrig beschwiegen.

Deutschland macht dicht, Deutschland bleibt dabei, dass Kernkraft keine Zukunft hat. Zu gefährlich ist die "Risikotechnologie" (Robert Habeck), die jederzeit einem Tsunami zum Opfer fallen kann, einem Bedienfehler oder einem "Cyberanschlag" (Habeck), wie man ihn aus Filmen kennt. Niemand kann sicher sein, solange nicht alle deutschen Kernkraftwerke abgeschaltet sind. Um die französischen Meiler, die tschechischen, finnischen, schwedischen und niederländischen, die belgischen und ungarischen, rumänischen und ukrainischen müssen sich die jeweiligen Regierungen aber selbst kümmern. Die Bundesregierung kann nur Anregungen geben und mit gutem Beispiel vorangehen. Mag es auch zu "stundenhaften Mangelsituationen" kommen.

Die gefährliche deutsche Technologie

Zwei Kernkraftwerke in Süddeutschland bleiben in Bereitschaft, die Armee Wenck des Stromkrieges, der im Winter womöglich droht. Der dritte noch laufende Meiler aber fährt wegen der akuten Gefährdungslage wie geplant herunter. Deutschland kann das. Der Ausstiegsbeschluss steht. Die atomaren Erzeugungskapazitäten werden ja auch gar nicht gebraucht, denn "die deutsche Energieversorgung ist sicher, wir haben genug Energie und unser Netz ist auch sicher", wie Habeck hat ausrechnen lassen.

Wie viel übler dran sind da andere Staaten, deren Abhängigkeit von der Hochrisikotechnologie ungleich höher ist und die zudem auf deutlich ältere Atomanlagen vertrauen müssen, deren Bauart in der Vergangenheit bereits bewiesen hat, wie viel Schaden sie anrichten kann. In der Ukraine läuft das Mitte der 80er Jahre errichtete Kernkraftwerk Saporischschja sogar ungeachtet der Tatsache, dass es einerseits von russischen Truppen besetzt ist, andererseits regelmäßig von russischen oder ukrainischen Truppen beschossen wird und drittens keine Netz-Verbindung über das reguläre Hauptkabel hat. Eine "unhaltbare Situation", wie die Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA) vor Ort festgestellt hat. Es brauche nun umgehend "sofortige Maßnahmen, um ein Unglück zu verhindern". So etwa "eine Sicherheitszone um das Kraftwerk".

Das gellende Schweigen zu Saporischschja

Es sind nur 1.600 Kilometer von den unter Beschuss laufenden sechs riesigen Druckwasser­reaktoren der sowjetischen Bauart WWER-1000/320 bis nach Berlin, 1.600 Kilometer, die der radioaktive Fallout des Reaktorunglücks von Tschernobyl vor 36 Jahren binnen weniger Stunden überwand. Geschähe ähnliches am Fluss Dnipro, dem früheren Dnepr, wäre das weder eine ukrainische noch eine russische Katastrophe, sondern eine für ganz Europa.

Und doch ist das Schweigen dröhnend. Weder im politischen Berlin, das wegen seiner moralischen Vorreiterrolle dafür prädestiniert wäre, noch in Brüssel, bei der IAEA, bei der UNO oder bei irgendeinem einzigen Staat der Welt erheben sich Stimmen, die eine sofortige Abschaltung der Hochrisikotechnologie mitten auf dem Schlachtfeld fordern. Saporischschja läuft, in wessen Auftrag auch immer. In Gefechtspausen schauen internationale Experten regelmäßig nach, ob der GAU bereits eingetreten ist. Ein paar Schäden "nahe der insgesamt sechs Reaktoren sowie der Lagerstätten von nuklearem Abfall" seien festgestellt worden. Aber naja.

Offenes Schweigen überall

Der "offene Streit in der Ampel" (FAZ), er tobt keineswegs rund um die Frage, ob Deutschland die Ukraine oder Russland oder besser sogar beide bitten sollte, Europas größtes Kernkraftwerk herunterzufahren, ehe es durch einen Bombentreffer, einen Raketenangriff oder Gefechte in der Anlage zu einer atomaren Katastrophe kommt. 

Niemand fordert das, weder in Deutschland noch anderswo, nicht einmal einer der üblichen Hinterbänkler und nicht einmal einer aus der staatsfeindlichen Opposition geht soweit. In Brüssel ist es ebenso leise. So tunlichst es Olaf Scholz, Robert Habeck, Ricarda Lang, Jürgen Trittin und die Legionen der übrigen Kernkraftexperten im politischen Berlin vermeiden, das Wort Saporischschja in den Mund zu nehmen, so eisern unterlassen es EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und ihre Kommissare, den nach 40 Jahren deutscher Atomausstiegsdebatte einzigen nur denkbaren Ausweg anzusprechen: Ein Herunterfahren, noch ehe die Hochrisikoreaktoren im Emsland, an der Isar und in Neckarwestheim ihr letztes Atom verbrennen. 

Die Angst vor dem deutschen GAU

Die "Angst vor dem GAU" (Taz), sie kann nicht allzugroß sein. Auch die deutschen Medien haben sich kollektiv entschieden, in den deutschen Reaktoren eine lebensbedrohliche Gefahr zu sehen, den Einkauf von Strom aus den offenbar weitaus weniger gefährlichen Nachbarländern für gut und richtig zu halten und den Weiterbetrieb eines Kernkraftwerkes mitten im Gefechtsgebiet stillschweigend zu akzeptieren. So lange Inspektoren der Iaea Vor Ort sind, wird das schon gutgehen, notfalls werden die internationalen Experten ein Leck sicher mit ihren Körpern verdübeln. Kommt es doch zum größten anzunehmenden Unfall, wäre das ja auch eher hilfreich, Opfer hin, Opfer her. Mit Putin stünde ein Schuldiger bereit.

Wichtig ist, eine dauerhafte Weiternutzung der Kernkraft in Deutschland zu verhindern. Mag da auch im Osten 15 Kernkraftwerke mit 40 Reaktorblöcken unter Bedingungen laufen, unter denen in hierzulande kein Dieselgenerator betrieben werden dürfte, Deutschland hat "den Ausstieg aus der hochrisikoreichen Atomkraft aus gutem Grund beschlossen", sagt Ricarda Lang, also "wird es keine Laufzeitverlängerung, keine neuen Brennstäbe geben", auch wenn alles in Scherben fällt. Die Ukraine hat Deutschland mittlerweile angeboten, im Fall von "stundenhaften Mangelsituationen" mit ukrainischem Atomstrom aushelfen zu wollen.

Eine Antwort hat es nicht gegeben.


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