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Generalistische Pflegeausbildung – Die Entscheidung

Generalistische Pflegeausbildung – Die Entscheidung

Ich werde eine Ausbildung in der Pflege machen. Jetzt ist es raus. Nach dem Abitur mit einem Abschluss, bei dem sicherlich eine „1“ vorne dran stehen wird, mache ich eine Ausbildung, in die auch so manch ein Hauptschüler gar nicht so schwierig reinkommt. Warum werde ich das tun?

Ich glaube, es ist schon recht lange her, Dass Ich über meine Pläne geschrieben habe. Wir sind schon von der Forschung über Informatik zur Autarkie und wieder zurück zur Forschung gewandert, so wie ich das jetzt überblicke, falls es überhaupt noch einen Überblick gibt. Und jetzt also Pflege. Die neue generalistische Pflegeausbildung. Es gibt kaum einen Tag, an dem ich aufwache und mich nicht frage, was mich zu dieser Entscheidung bewegt hat. Und heute möchte ich Ordnung in die Wirren meines Gehirns bringen.

Mitte 2021 werde ich schließlich mein Abitur in den Händen halten. Ich erinnere mich noch recht gut daran, dass mein Blog hier mit dem Wunsch angefangen hat, einfach abzuhauen. Ich wollte die Schule hinter mir lassen und all das hier. Ich war schlicht unglücklich. Die Ursache dafür war für mich recht diffus. Heute glaube ich, lag/liegt diese in einer Mischung begründet: (schulischer) Leistungsdruck, den ich mir gemacht habe. Das Schulsystem, welches meiner Meinung nach vertheorisiert ist, obwohl gerade die Praxis wichtig wäre und das Erfolgserlebnis des Schülers, etwas geschaffen zu haben statt immer nur zu lernen und zu beurteilen. Meine soziale Unfähigkeit, weshalb ich Freunde verloren habe und es an mir vorbeigegangen ist, intensivere Freundschaften aufzubauen. Meine familiären Verhältnisse oder eher die strenge Einstellung meiner Eltern, die weder Diskussion noch Kreativität zulässt. Und schließlich meine Fernbeziehung, mit der ich mir eine weitere theoretische Bürde aufgehalst habe.

„Nur noch das Abitur.“

Und doch habe ich mich gegen das Abhauen entschieden. Weil ich Angst hatte. Angst, loszulassen und das zu tun, was mir halb mein Instinkt, halb mein Gehirn und „Herz“ sagen, was mein Weg ist, was mich glücklich machen würde. Und so habe ich zu mir gesagt: Nur noch das Abitur. Das schaffst du noch, so lange hältst du diese Rolle noch durch, das Leben, mit dem du dich nur zu einem gewissen Anteil identifizieren kannst.

Jetzt ist es bald so weit. Und es ist bereits so weit, dass ich mir Gedanken über das Danach machen muss.

Ich habe mir damals geschworen, diese „Rolle“ nur noch zu spielen, wenn ich sie danach fallen lasse, die Last, die Angst, jeglichen Druck, die familiären und „beziehungstechnischen“ Bürden. Das Abitur ist meine Sicherheit. Dass ich keinen Job bekommen werde, ist keine Ausrede mehr.

Existenzielle Fragen und die Forschung

Parallel gab es die letzten Jahre noch eine weitere Entwicklung in meinem Leben: Die Forschung hat mich nicht mehr losgelassen. Ganz im Gegenteil hätte ich gerne noch viel mehr Zeit, mich mit ihr zu befassen, mit existenziellen Fragen, die mit der Forschung zusammenhängen. Und das über den Ethik– und Biologieunterricht hinaus.

Das Bewusstsein und die Unsterblichkeit sind dabei zwei Begriffe, die mich nicht mehr loslassen. Für mich ist das Faszinierendste das Leben – und dafür muss ich mir anschauen, was dazu führt, dass dieses nicht mehr existiert. Dafür ist maßgeblich unser Bewusstsein verantwortlich. Aus etlichen Gründen „erlischt“ dieses einfach und wir sind (irreversibel?) tot. Das ist der Ansatz, der mir geradezu unter den Fingernägeln brennt. Denn die nächste Frage, die sich aufdrängt, wäre: Was bringt unser Bewusstsein (in dem meisten Fällen) zum Erlöschen? Und da wären wir bei der Altersforschung angelangt, an der ich mitwirken möchte und bei der „relativen Unsterblichkeit“, die jene zum Ziel hat.

Ethik und Naturwissenschaft, möglichst nah am Menschen, möglichst mit dem Tod als Thematik, ist es, bei dem meine Augen so richtig zum Leuchten kommen, bei dem ich Wissen nur so in mich aufsauge und gar nicht genug bekommen kann. Warum? Weil ich das Leben liebe. Trotz allen Übels bin ich so glücklich, leben zu dürfen.

Also wieso Pflege?

Ich habe schon länger mit dem Gedanken gespielt, eine Ausbildung im Bereich Palliativmedizin zu machen, also Leute beim Sterben zu begleiten, bei denen es so gut wie sicher ist, dass sie bald sterben müssen. Bloß habe ich mir das immer so als „Nebenbei-Job“ vorgestellt. Mit meiner Pflegeausbildung bin ich nun in einem etwas anderen Bereich gelandet. In einer Klinik, spezialisiert unter anderem auf Orthopädie, die weltweit ein gutes Ansehen hat und generell – soweit ich in Erfahrung bringen konnte – auch. Orthopädie, muss ich ehrlich gestehen, ist nicht der Bereich, den ich mir vorgestellt hätte. Aber mir hat das Klima dort mega gefallen. Also probierte ich es: Ich bewarb mich nur dort, ging nur dort zum Vorstellungsgespräch und bekam nur dort die Stelle. Vor wenigen Tagen habe ich den Ausbildungsvertrag unterschrieben zurückgeschickt.

Die Pflege wird für mich etwas komplett Neues sein. 3 Jahre sehr praxisorientiertes Arbeiten. Wirklich arbeiten. Ich werde mich meiner sozialen Inkompetenz stellen müssen. Meiner „Blutphobie“ auch, da ich vermutlich auch Blut abnehmen können muss. Ich werde von meinem „hohen Ross als Abiturientin“ herunterkommen müssen und statt zu studieren werde ich vermutlich unter Real- und Hauptschülern sitzen. Das erste Mal Arbeiten, das erste Mal Schichtdienst, das erste Mal Gehalt.

Ich habe keine Angst. Ich bin gespannt, denn ich weiß, dass das meine Chance ist auf ein Leben, das mir gefällt. Mit der Pflege habe ich mein eigenes kleines Gehalt, ein kleines Zimmer, bin zum ersten Mal vollkommen eigenständig und kann mein Leben nach meinen Wünschen gestalten. Da Pflege vorher so gar nicht mein Bereich war, werde ich über meinen Schatten springen müssen. Meine Schwächen zu Stärken machen oder wenigstens eliminieren.

Ganz ehrlich: Ich freue mich mega. Auch wenn mein Pa entgeistert ist und meine Ausbildung als „Praktikum“ bezeichnet, so nach dem Motto, dass ich nach wenigen Wochen sowieso abbrechen werde. Auch wenn das irgendwie eine Wende ist und das die meisten Menschen von mir sicherlich nicht erwartet hätten.

Diese 3 Jahre möchte ich für mich nutzen und ehrlich zu mir sein. Menschen zu helfen gibt mir das Gefühl, gebraucht zu werden. Dass ich in einer Sparte arbeiten werde, in der Leute dringend gesucht werden, zeigt mir, dass ich nicht so leicht zu ersetzen bin, dass ich nicht egal bin.

Mir sind die negativen Seiten durchaus bewusst. Dass man von Ärzten wie Dre** behandelt werden kann, dass man unterbezahlt wird, die Nachtschichten, die schwierigen Patienten, …

Ich freue mich trotzdem und gerade weil ich mir erhoffe, durch diese Ausbildung in Bereichen über mich hinauszuwachsen, in denen ich zurückgeblieben bin. Die Ausbildung ist meine Chance und mein Einstieg in ein Leben, zu dem ich stehen möchte. Es ist meine erste, große, aktive Entscheidung, die wirklich aus meinem Herzen kam. Abgesehen vielleicht von meiner Beziehung (und die macht wirklich aktuell einen beträchtlichen Teil der schönen Seite meines Lebens aus).

Ich weiß nicht mehr genau, wer es war, aber jemand hat meine unerwartete Entscheidung meiner Meinung nach ziemlich gut auf den Punkt gebracht:

Du suchst die Herausforderung, entscheidest dich bewusst für das, was dir Schwierigkeiten bereitet.

Aber ganz so extrem ist es nicht, sonst würde ich mich für das Mathematikstudium einschreiben. Ich suche Herausforderungen, von denen ich mir verspreche, dass sie mir helfen, mich so weiterzuentwickeln, dass ich hinter meinem Leben stehen kann. Glücklich bin.

Und ich glaube, dass es glücklich macht oder potenziell glücklich macht, je besser man mit Problemen und Herausforderungen umgehen kann.

Dazu lese ich aktuell übrigens auch ein ziemlich gutes Buch von Melanie Raabe: Kreativität – Wie sie uns mutiger, glücklicher und stärker macht. Denn wer mit Herausforderungen umgehen kann, hat ein hohes Maß an Resilienz. Und Resilienz führt zu Kreativität und Kreativität zu mehr Resilienz.

Ich möchte Resilienz/Kreativität entwickeln, mich aus meinem Schneckenhaus hinauswagen, über mein Schneckenhaus hinauswachsen und es irgendwann hinter mir lassen.

Pflege ist der Weg. Ein ganz anderer Weg als das Abitur, denn auf die Pflege habe ich Einfluss. Ich bin ihr nicht passiv ausgeliefert durch Umstände und die Rolle, in der ich gefangen bin, sondern habe die Chance, sie aktiv zu gestalten. Ein anschließendes Studium (vielleicht in der Medizin), um die Altersforschung voranzutreiben, während ich ein Leben lebe, hinter dem ich stehe, ist das Ziel.



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