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Und plötzlich war da dieser Anruf – nach über 6 Jahren

Tags: mehr mein mich

Noch schwer atmend steige ich die Treppen zu meinem Zimmer hinauf, als mir Mein Bruder kommentarlos das Telefon in die Hand drückt. Ich schnalle natürlich sofort, dass da jemand dran ist, der mich sprechen möchte. Mein erster Gedanke – meine Mutter. Auf die hatte ich gerade echt keine Lust, wollte ich doch erst Mal zur Ruhe kommen.

Als ich dann aber die Stimme am anderen Ende höre, falle ich aus allen Wolken.

Die Vorgeschichte – Meine Kindheit

Ich war gerade mal in der 2. Klasse, als ich meine Mutter das letzte Mal bei uns zu Hause gesehen habe. Aber es dauerte noch viel länger, bis ich begriff, dass das das letzte Mal gewesen war.

Es war eine schwierige Zeit zu dritt. Mein Bruder, mein Vater und ich. Wie genau das damals abgelaufen ist, weiß ich gar nicht mehr. Aber was ich mit Sicherheit weiß, ist, dass es kein Zuckerschlecken für uns war.

Irgendwann hat es dann angefangen mit den Aupairs. Für alle, die nicht wissen, was das ist: Das ist jemand, der aus dem Ausland kommt, um die Sprache zu lernen, nebenher in einer Familie zu wohnen, sich u.a. um Kinder und Haushalt zu kümmern und dabei auch noch Geld zu verdienen.

Mein Vater hielt diese Möglichkeit der Unterstützung wohl für eine sehr gute Idee. Was sie auch war. An sich.

Die Aupairs – Eine Idee mit 2 Seiten

Wir hatten 4 hintereinander. Bis die vierte uns so blöd kam, dass mein Vater nie und nimmer mehr daran dachte, eine 5. kommen zu lassen. Ich sage nur, unmögliches Benehmen. Als sie einfach gegangen und nicht mehr aufgetaucht ist, obwohl sie angeblich nur für 3 Tage Urlaub bei ihrem Freund machen wollte, hinterließ sie ein komplett heruntergekommenes Zimmer.

Der Teppich, die Tapete – alles war verschimmelt.

Keine weiteren Details dazu.

Jedenfalls, vielleicht dachte mein Vater auch, dass wir, mein Bruder und ich, nun in einem Alter waren, in dem wir es zu dritt besser meistern könnten als zuvor.

Vielleicht aber auch dachte er an eine Patchwork-Familie. Damals hatte er nämlich eine Freundin mit einer kleinen Tochter. Obwohl ich immer freundlich zu ihnen sein wollte, konnte ich diese jedoch nie leiden und war froh, als die Besuche plötzlich endeten.

Aber zurück zu dem Anruf.

Eine beste Freundin – das Schönste auf Erden

Ihr könnt euch sicher vorstellen, wie sehr einem diese Aupairs ans Herz wachsen können. Besonders mir sind sie ans Herz gewachsen, obwohl teilweise 15 Jahre älter als ich.

Mein Gott hatten wir viel Spaß zusammen. Haben von Justin Bieber geschwärmt, einfach nur, um schwärmen zu können. Dieses Gefühl dabei zu haben und herauszulassen. Oder, ich korrigiere, sie hat von ihm geschwärmt. Meine Gedanken hingen viel mehr an einem anderen Typen, dessen Zuneigung mir gegenüber zwar wahrscheinlicher war als die Justin Biebers zu ihr, dennoch nie zustande kam. Und wenn, dann hat mich darüber zumindest nie jemand in Kenntnis gesetzt.

Der Schmerz war natürlich dementsprechend groß, wenn die Aupairs wieder gehen mussten. Ob ihr es glaubt oder nicht, zwei von ihnen sind sogar meine besten Freundinnen geworden. Ich habe an ihrem Fast-noch-Teenager-Leben teilgehabt.

Beste Freundin – Trennung und große Enttäuschung

Umso größer war natürlich die Enttäuschung, als sich keines der Aupairs jemals wieder meldete. Gut, eine E-Mail kam von der zweiten. Die vierte, die so schrecklich war, hat mich allerdings dauernd angeschrieben. Auf Facebook. Was für eine Ironie, dass gerade die, die immer so schrecklich war und einfach gegangen ist, am meisten Interesse an einem fortwährenden Kontakt gehabt hatte.

Oder, vielleicht war viel eher das der Grund, dass ich bei der vierten natürlich schon älter war und dementsprechend länger und häufiger Zeit am Laptop verbrachte.

Wie dem auch sei.

Der Anruf bescherte mir die Erkenntnis

Vor einer Woche kam dieser Anruf. Von der dritten. Wie aus dem Nichts habe sie unsere Nummer gefunden – die sie angeblich schon so lange gesucht hat – und konnte es kaum erwarten, meine Stimme zu hören.

Ihr könnt euch vorstellen, wie überrumpelt ich war.

Wir haben uns primär über früher ausgetauscht und dem jeweils anderen recht knapp unsere derzeitige Situation geschildert.

Was soll ich sagen? Sie konnte sich scheinbar an noch einiges mehr erinnern als ich mich. Dabei dachte ich immer, ich hätte eine so gute Erinnerung.

Aber nun kommen wir zu dem wichtigsten Punkt.

Dieses Telefonat hat mir in gewisser Hinsicht die Augen geöffnet. Obwohl es mir die meiste Zeit unangenehm war, mit ihr zu reden, oder gerade deshalb, wurden mir die Augen geöffnet.

Als sie von ihren Erinnerungen mit mir berichtete, stiegen mir mehrmals Tränen in die Augen und ich brachte kein Wort mehr heraus, froh, dass sie den größten Teil des Redens übernahm.

Und wenn ich mal was sagte, war es sehr ernst. Oder ein nervöses Lachen. Es war genau die Stimmung, oder eher Atmosphäre, die ich seit neuestem oder in einem immer stärker werdenden Prozess gegenüber Menschen verspüre. Eine Art Entfremdung. Rückzug. Oder dieses Sich-Zurückziehen-Wollen. Emotionslos.

Es ist fast, als habe man den Spaß am Leben verloren.

Und genau so habe ich mich plötzlich gefühlt. Immer wieder schwirrte die gleiche Frage durch mein Gehirn:

Katharina, was bist du geworden? Wo ist der Spaß hin? Wo ist er nur? Und wann, bitte schön, ist er verschwunden? Wie kriege ich ihn zurück? Will ich ihn überhaupt zurück?

Es war ein Konflikt mit mir selbst.

Es war, als würde die Katharina, die Alte, direkt neben mir stehen. Mit ihrer grandiosen Fantasie, diesen durchtriebenen Ideen. Und nicht nur Ideen. Taten. Diese Freude am Leben, eine Ausgelassenheit, die ich zu beneiden begann. Vermissen.

Und dann der Blick auf mich selbst. Die aktuelle Katharina. Ich schreckte fast vor mir selbst zurück, während ich ab und an mein nervöses Lachen verlauten ließ, um zu zeigen, dass ich noch da war.

Als das Gespräch endlich beendet war und wir unsere Whatsappnummern ausgetauscht hatten, war ich sichtlich erleichtert.

Wer bin ich? Was ist aus mir geworden? Wie möchte ich sein?

– Ein Konflikt zwischen Gegenwart und gegenwärtigen Bedürfnissen – ausgelöst durch Erinnerungen

Ich saß nun da, auf meinem Bett, und mir war ganz schön seltsam zumute. Es war fast, als hätte ich den Bezug zu mir selbst verloren. Als wüsste ich nicht mehr, mit welcher Katharina ich mich identifizieren sollte. Oder viel mehr, möchte.

Ich wusste genau, da war noch ein Funke in mir. Ein Funke Altes, der manchmal hervorbrach und mich komplett einnahm. Den ich aber niemandem mehr zeigte. Meinem Freund nicht, weil er, so glaube ich, damit nicht klar kommt. Meiner besten Freundin nicht, weil ich keine mehr habe.

Ein Funke, der nur noch für mich bestimmt war. Oft freigesetzt durch Musik. Den ich so gerne mit jemandem geteilt hätte, dazu aber nicht mehr den Mut habe. Und nicht die richtige Person.

Und plötzlich fühlte ich mich verdammt einsam mit mir selbst.



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