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Öffentlicher Brief an Irma Kreiten

Liebe Irma Kreiten,

Ich google nicht oft nach meinem Namen und habe erst jetzt festgestellt, Dass Sie mit Hilfe von Screenshots vieler Aussagen Dritter eine Art Verschwörung aufzudecken versuchten, in der Sie mir eine prominente Rolle zuwiesen. Unser Streit entzündete sich an der Frage, ob Sie - Ihr Forschungsgebiet ist ja der Völkermord an den Tscherkessen - auch den Völkermord an den Armeniern anerkennen. Sie haben sich mir gegenüber stets ausweichend geäußert. Zweitens mochten Sie nicht Erdogans Chauvinismus und Nationalismus kritisieren; forderten hingegen eine Verurteilung Jan Böhmermanns.
Gerade ging in der Türkei das Referendum zu Ende. Zahlreiche Verstöße gegen die Wahlordnung, massive Behinderung der Opposition auf allen Ebenen und 40.000 politische Gefangene entsprechen Erdogans Ziel: Errichtung einer Autokratie und Abschaffung der letzten Reste demokratischer Strukturen. Auch ist die fundamentale Spaltung der türkischen Gesellschaft (in der Türkei wie in Deutschland) zu besichtigen. Sie aber fordern die Verurteilung Böhmermanns, weil DER die Gesellschaft spalte. Ihnen sei ein Zitat Erdogans von 1997 in Erinnerung gerufen: "Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufspringen..." Ihr Eintreten für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte ist äußerst selektiv. "Wes' Brot ich ess', dess' Lied ich sing"?

Wie sehr Sie die Rechtsstaatlichkeit achten und wo Sie sich selbst verorten, lässt sich aus Ihren unten eingebetteten Worten entnehmen.

Kritisiert wird von Ihnen -  vor dem Hintergrund der türkischen AKP-Auftritte in Deutschland und Erodgans Faschismus-Vorwurf - der deutsche "Rassismus" oder vielmehr, wie Sie formulieren: "Rassismus ohne Rassen", nur um andererseits der Bundesrepublik vorzuwerfen, sie unterstütze die türkische Opposition. Die massiven Wahlverletzungen, verbalen Entgleisungen seitens Erdogan & Co. sowie die Lage von ethnischen und religiösen Minderheiten in der Türkei ("Neo-Rassismus?") erwähnen Sie dabei mit keinem Wort.

In Ihrem viele Seiten langen Artikel, der tatsächlich zu großen Teilen von Problemen ihrer gescheiterten wissenschaftlichen Laufbahn in Deutschland handelt, verknüpfen Sie den Kampf gegen (anti-türkischen) Rassismus oder "Neo-Rassismus" mit Ihrem persönlichen Kampf um wissenschaftliche Anerkennung.


Der Erfolg dieser Kommunikationsstrategie ("Wer mich kritisiert, stellt sich gegen die Menschlichkeit") ist in meinen Augen zwiespältig: Einerseits vergewissern Sie sich autoaffirmativ der Überlegenheit ihres Standpunktes, auf der anderen Seite verlieren Sie Ihre Gesprächspartner. Ich war sicher mehr noch als Sie erstaunt, wie viele Facebook-Bekanntschaften Sie in wenigen Wochen und Monaten blockiert haben.
Wer Sie auf argumentative Unstimmigkeiten oder gar Widersprüche hinweist, gesellt sich in Ihrem Weltbild zu den "Heuchlern" usw. Sie behaupten in dramatisierenden Worten (und dichten Details hinzu), Opfer von Verfolgung und Verschwörung zu sein.

Was aber passiert tatsächlich? Sie selbst schüchtern mit Worten ein, Sie drohen, den Arbeitgeber zu informieren oder vor Gericht zu gehen. Sie erinnern mich dabei an "Reis" Erdogan, in dessen wohl bald wieder Osmanischem Sultanat Sie sich eingerichtet haben. Auch der behauptet, alle Welt habe sich gegen ihn und sein Reich verschworen.

Sie kennen das doch als Autofahrerin: Wenn man nur Gegenverkehr sieht, überprüft man seine Fahrtrichtung, statt aufs Gas zu gehen. Es ist in dem Moment sicher nicht zielführend darüber zu spekulieren, ob all die entgegen kommenden Fahrer "unter einer Decke stecken". Leider nennen Sie zwar (mitunter sehr unterschiedliche) tatsächliche oder vermeintliche politische Standpunkte ihrer "Diskussionspartner" in den sozialen Medien; es wird Ihnen aber das Naheliegende nicht bewusst: Die Leute, die sich nun in großer Zahl negativ über sie bei Facebook auslassen, haben nichts weiter gemein als Erfahrungen mit Irma Kreiten, die einerseits unentwegt mangelnde Meinungs- und Forschungsfreiheit für sie selbst beklagt, andererseits aber durchaus nicht den Anschein erweckt, als ob sie ihrerseits die selben Freiheiten Andersdenkenden zugestehen möchte. Danke übrigens für die Klarstellung, dass Sie nicht meine Entlassung durch eine Beschwerde beim Kultusministerium erreichen wollten, sondern nur eine Disziplinarmaßnahme, vulgo "Maulkorb". Da bin ich ja beruhigt, dass Sie von der nunmehr in der Türkei verbreiteten Sitte Abstand nehmen mögen, per Beschwerde beim Arbeitgeber meine andersgeartete Meinung zu Erdogan und Böhmermann zum Schweigen zu bringen.

Ähnlich verhält es sich mit Ihren Klagen über mangelnde Meinungsfreiheit in der deutschen Presse, dass etwa Ihre Leserbriefe von TAZ nicht online gestellt bzw. gedruckt würden. Wie wäre es, Frau Kreiten, wenn Sie selbst mit gutem Beispiel vorangingen und meinen Kommentar auf Ihrer Blogseite (immerhin mit einem Text über mich!) einmal freischalten würden?

Aufmerksamkeit geht Ihnen über alles?

Eine "Art Minimalrespekt" scheinen Sie für sich selbst bitter zu vermissen.

Ist die Behandlung bis heute nicht erfolgt?  Anders kann ich mir nicht erklären, warum Sie - um der Aufmerksamkeit willen! - das eigene Schicksal offenbar für bedauernswerter halten als das des zu Unrecht inhaftierten Deniz Yücel.


Das war vielleicht ein Fehler. Aber im Grunde kennen Sie selbst den Weg heraus aus Opfermythos und Schmollecke:


Oder wollen Sie weiterhin darauf bestehen, dass eine psychiatrische Diagnose nur in Kenntnis ihrer akademischen Argumente zu den Tscherkessen erfolgen könne?






Für die Suchmaschine: Sönke Henning Tappe, Irma Kreiten



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