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Killertrip Teil 6

Ich behielt meinen Kurs jedoch bei, fuhr geradeaus und beschloß, Mich meiner Haut zu wehren, so gut ich konnte auch wenn ich allein gegen vier Leute antreten mußte. Nach jeder Kurve rechnete ich damit, den VW-Bus quer stehend vorzufinden, um mich damit zum Halten zu zwingen. Aber das Erwartete geschah nicht. Jede Serpentine, die ich ohne Hinderung passierte, ließ mich erleichtert aufatmen.
Als die Straße wieder sanft verlief und sich etwas zum Gefalle neigte, sah ich endlich ein Rasthaus, auf dessen Parkplatz der Bus angehalten hatte. Die Männer standen lachend daneben und winkten, als ich an Ihnen vorbeifuhr. Ich konnte mein Glück nicht fassen, beschleunigte den Golf und war froh, hier wegzukommen. Es war vielleicht wirklich das Beste, diesem Horror durch den eigenen Tod zu entkommen. Ich hatte mehr Angst vor der Grausamkeit meiner Peiniger, als vor dem Sterben. Diese Menschen hatten Spaß am Quälen. Sie mußten krank sein. Doch alles Lamentieren half nichts, - meine Situation hatte sich nicht verändert. Wie konnte Gott das zulassen? Allerdings ließ er in der Welt genügend andere Grausamkeiten zu, so das ich nicht ernsthaft in der Lage war, meine Reste von Religion auszugraben. Ich hoffte nicht auf Hilfe von oben. Es war allerdings niemand da, dem ich vertrauen konnte außer Gott. Ich fing an, mich an diesen Gedanken zu klammern, und schöpfte wieder Mut.
Ich kam nun durch einen Ort, nachdem ich eine längere Zeit lang keine Menschen und Häuser mehr gesehen hatte. Ich wollte die Gelegenheit nutzen und meine Kehle anfeuchten, die sich völlig ausgedörrt anfühlte. Ich suchte mir eine Gaststätte und betrat sie nach meinen letzten Erfahrungen wohl etwas zu langsam und vorsichtig. Ich wollte meinen Saft auf der Veranda trinken und nicht in dem dunklen ungemütlichen Gastzimmer. Eine Frau zog ängstlich ihr Kind zur Seite, als ich an ihr vorbeiging. Ich vermutete wieder einen bösen Spruch auf meinen Spiegeln und konnte sogleich lesen: „He trusted in God, but God sent him to hell. He can go everywhere, somebody will be there. He will cut bis throat and throw him over board." Ich versuchte die Fassung zu bewahren, orderte beim Barkeeper mein Getränk, zahlte und verließ sofort den Raum. Ich stürzte den Saft hinunter, warf die leere Flasche in den Abfalleimer und ging zurück zum Wagen.
Meine grauen Zellen und die Gefühle schienen langsam abzusterben. Der Killer hatte mich inzwischen aufgegeben, und nicht nur das - er war bereit, jemand anderem den schmutzigen Part zu überlassen. Damit war ich nach diesem Spruch des Spiegels Freiwild für alle. Aber das allein war nicht das Bedrohlichste. Ich fühlte mich auch von Gott verlassen. Damit war ich endgültig und völlig alleingelassen. Hoffnungslos starrte ich auf die Straße. Ich wußte nicht mehr weiter. Lähmung überfiel mich und ließ mich fast absterben. Die Spiegel wiederholten den Text. Nach einer Stunde untätigen Wartens, in der ich nur stumm im Wagen gesessen hatte, startete ich wieder und nahm die alte Route auf. Ich ließ mein Leben Revue passieren und fragte mich, was ich alles falsch gemacht hatte, wofür ich diese Strafe verdiente. Mir fiel nichts ein, was diese Quälerei rechtfertigte, von kleinen lächerlichen Verfehlungen abgesehen. Vielleicht hatte ich durch mein Verhalten im Leben eines anderes Menschen Negatives ausgelöst und wußte nichts davon. Außerdem war das alles Jacke wie Hose. Ich konnte jetzt nichts mehr ungeschehen machen. Gott wußte schon, was er tat, und spätestens, wenn ich tot war, würde ich es erfahren! Ich versuchte, mich mit meinem Schicksal abzufinden.
Lange Zeit fuhr ich einfach so dahin, immer in Richtung Igoumenitsa, und ließ meine Gedanken plätschern. Ich hatte über Jahre nicht mehr derartig philosophische Gedanken gewälzt. Existentielle Fragen verdrängte ich in der Regel mit meiner rationellen Einstellung, aber jetzt war ich gezwungen, mich damit auseinanderzusetzen. Ich suchte nach Antworten und bemühte mich um Gott. Ich versuchte, mir den Himmel und die Hölle vorzustellen, und überlegte, in welcher Etage ich wohl landen werde.
Es war Mittag geworden, und die Hitze machte mir zu schaffen. Ich beschloss, eine Pause einzulegen und die nächsten Stunden vielleicht ein Nickerchen zuzulassen, sofern ich einen sicheren Ort dafür fand. Vorher startete ich einen neuen Versuch, zu einer Mahlzeit zu kommen, die ich in dieser kleinen Ansiedlung, die ich jetzt erreicht hatte, zu mir nehmen wollte. Vor dem Rasthaus, das sich schon allein durch seine Größe von den anderen Gebäuden abhob, standen einige Bäume, die angenehme Schatten warfen. Darunter waren Tische und Bänke aufgestellt, an welchen Griechen saßen, die Wein tranken und Karten spielten. Ein Huhn lief gackernd herum und pickte nach Körnern und Brotkrumen. Ich konnte genau spüren, daß meine Spiegel wieder Text produzierten, aber im Augenblick war mir das völlig egal. Sollten doch alle wissen, was mit mir los war! Ich hatte keine Lust mehr, etwas zu verbergen. ,,He trusted in God. But God sent him to hell. He thinks he is good, but he was always bad. Give him to eat, tomorrow he will be dead. He can go everywhere, somebody will be there. He will cut his throat and throw him over board." Und dazu immer wieder: ,,Malaga, Malaga", begleitet von Rudolfs widerlich höhnischem Gelächter. Sie waren wohl aufgewacht.
Ich setzte mich an einen Tisch, und gleich darauf kam ein Kellner, um mich nach meinen Wünschen zu fragen. Da ich Appetit hatte und die Gelegenheit nutzen wollte, bestellte ich Brot, Bauernsalat und Schafskäse und ein halbes Grillhuhn. Dazu ein großes kaltes Mineralwasser. Henkersmalzeit! Fast fühlte ich mich wohl, als ich das alles verputzt hatte, und verlangte nach einem Kaffee. Der Schatten, die Ruhe und das Essen taten mir gut.
Ich beschloss hier zu bleiben, vielleicht etwas zu dösen und erst gegen 16 Uhr weiterzufahren. Einen Augenblick lang begann ich zu zweifeln, ob ich mich nicht auf dem besten Wege zum Wahnsinn befand. Was hatte nur dieses Chaos ausgelöst? Ich empfand es so real, daß es realer nicht mehr ging. Konnte es trotzdem sein, daß ich mir alles einbildete? Ich dachte daran, den Gedankengang zu überprüfen, ob sich die ganze Angelegenheit nur in meinem Kopf abspielte. Ich hörte Rudolf wieder sagen: „Paß auf jetzt!"
Die Spiegel waren wieder da und signalisierten den Text von vorhin. Ich fragte den Wirt, ob er Englisch verstünde, doch dieser schüttelte den Kopf. Er deutete auf einen Jungen, der hier bediente. Ich wartete, bis er mit einem leeren Tablett hereintrat, hockte mich vor ihn auf den Boden und zeigte auf meine Augen: „Do you speak Englisch?" Als er bejahte, schrieben die Spiegel: „Malaga, Malaga!" Ich fragte wieder: „And what can you read in my eyes now?" Ohne zu zögern, antwortete der Junge und lachte dabei: „Queer!" Ich bedankte mich und verzog den Mund zu einem bösen Grinsen. „Queer" bedeutet „irre" und im Slang auch „schwul". „Malaga" mußte zumindest etwas Ähnliches bedeuten. Also doch! Es stimmte! Die Spiegel waren wieder in Aktion. Das war der Beweis. Konnte man sich so etwas einbilden? Konnte er es sich einbilden? Dies war die verrückteste Realität, mit der ich je konfrontiert wurde. Allerdings war es für die Leute, die in diesen Spiegeln lesen konnten, auch keine Alltäglichkeit. Warum reagierten sie so seltsam gleichgültig, als ob jeder mit diesen Dingern herumliefe? Rudolf konnte mir einfach alle erdenklichen Gemeinheiten aufsetzen, und ich konnte nichts dagegen tun!
Ich ging wieder nach draußen, nippte an meinem Mineralwasser und überlegte mir, wie das alles technisch machbar sein konnte. Mir fiel keine plausible Erklärung ein, aber das musste nichts heißen. Die Technik konnte weiter sein als meine Vorstellungskraft. Vielleicht handelte es sich hier um eine Insiderentwicklung, mit der die Allgemeinheit nicht konfrontiert wurde, und das aus gutem Grund.
Um 16.00 Uhr reiste ich weiter. Ich nahm Kontakt auf mit Wolfgang und fragte ihn, weshalb Rudolf mich ständig diffamierte. „lch kann es dir nicht sagen, Rolf. Ich werde versuchen, ihn zu beeinflussen, das künftig zu unterlassen." Die Verbindung mit Wolfgang wurde immer schlechter. Möglicherweise war das aber nur auf die größer werdende Entfernung zwischen Paros und meinem Standpunkt zurückzuführen. Vielleicht ließ auch die Wirkung der Droge nach. Ich fühlte mich mit meinen Gedanken sterbensallein!
Es ging erneut bergauf. Diesmal hatte ich den Eindruck, durch eine Mondlandschaft zu fahren, da es keinen Baum und keinen Strauch gab. Nichts schien sich zu regen. Eine tote Gegend - passend zu meinem Gemütszustand und dem, was mir bevorstand. Eine gute Gegend, um zu sterben! Ich hatte die Vorstellung, mutterseelenallein durch diese karge Region zu kurven, ohne jemals jemandem zu begegnen, ohne irgendwann an ein Ziel zu gelangen. Der Gedanke jagte mir solche Schauer über den Rücken, daß mich Panik erfaßte. Ich konnte meine Gedanken nicht mehr kontrollieren. Sie hatten sich selbständig gemacht, und ich war dem hilflos ausgeliefert.
Eine Idee setzte sich durch. Ich wollte meine Reaktionen überprüfen, ob überhaupt noch irgendetwas funktionierte. Beispielsweise anhalten, dann aussteigen und wieder weiterfahren. Ich stoppte an einem breiteren Randstreifen. Meine Hände, die sich um das Lenkrad gekrallt hatten, waren feucht. Ich stieg aus und atmete erleichtert auf, als meine Füße den Boden berührten. Eine Weile marschierte ich auf und ab, versuchte soviel Sauerstoff wie nur möglich zu tanken und mich zu entspannen. Ich stieg wieder ein, startete und machte mich auf den Weg. Auf welchen Weg?
Nach einiger Zeit produzierten meine Spiegel einen neuen Text: „He did not want to die, so he has to live forever." Ewiges Leben? Das was viele Menschen ersehnten und als wünschenswert erachteten, bereitete mir jetzt unsagbare Angst. Seltsame Bilder entstanden in meinem Kopf. Ich sah mich als alten Mann, vor einer Holzhütte sitzend, einsam und gemieden, ausgegrenzt von allen Menschen, gezeichnet bis zum Sanktnimmerleinstag durch meine Augenschrift. Ich aktivierte schnell meine Logik und zerrte mich in die Gegenwart zurück. Münchhausen im Sumpf ... Wollte ich nicht verrückt werden, mußte ich die anderen für verrückt erklären und die Vorstellung pflegen, daß ich ein Opfer von perfider Technik und Drogeneinwirkung war. Damit war dann meine Geistesverfassung aus dem Schneider. Ich wollte jetzt wieder mit den anderen reden und Zugeständnisse erkämpfen, die mir halfen. Ich fing einfach an zu reden und hörte nicht mehr auf. Ich erzählte von meinen Erkenntnissen, von meinem Leben, meinen Vorsätzen und Bemühungen. Ich versuchte, die anderen in meine Lage zu versetzen, um auf diese Weise Verständnis und Mitgefühl zu erwecken. Es schien mir endlich auch zu gelingen. Nur Rudolf sperrte sich noch, wollte nicht lockerlassen. Aber dann hatte ich auch ihn überzeugt. Es gab wahrhaftig andere, schönere Spiele, die noch dazu produktiver waren, als dieses Katz-und-Maus-Spiel mit mir.



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