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Sprache ist niemals unschuldig

So komplex wie sprachliche Kommunikation ist, so komplex können auch die Gründe dafür sein, dass sie misslingt. Schon in der Kinderstube haben wir beim Spielen der „Stillen Post“ erfahren, wie schnell sich Nachrichten verfälschen lassen bzw. verfälscht werden. Spielerisch lernten wir, dass die Ursache sowohl in der subjektiven Wahrnehmung als auch in der Sprache selbst begründet ist.

Aber was ist Sprache eigentlich? Und was kann Sprache überhaupt? Welche Grenzen und Möglichkeiten hat sie? In der Linguistik spricht man zunächst von einem mit Regeln ausgestatteten abstrakten Sprachsystem. Dem zugrunde liegt das Werkzeug Der Sprache, in der sogenannten Grammatik, die jeder kompetente Sprecher beherrscht. Dieses Regelwerk reicht alleine zur sprachlichen Kommunikation aber nicht aus. Es muss mit Inhalten gefüllt werden. Dies geschieht durch Worte, die die Bedeutung von Phrasen und Sätzen bestimmen.

Das heißt nicht, dass die Konzepte, die sich hinter den Worten und Phrasen verstecken, immer klar definiert sind. Ab wann ist ein kleiner Ball kein großer Ball? Und welche Äpfel sind rot und nicht gelb oder grün? Darüber hinaus lassen viele Ausdrücke auch mehrere voneinander unabhängige Bedeutungen zu. Der Zahnarzt kennt sich mit Kiefern aus, aber auch der Förster; jedes Schloss hat viele Schlösser und so weiter. Derlei Mehrdeutigkeiten findet man überall. Doch woher weiß der Rezipient einer vagen oder ambigen Äußerung, welche Interpretation der Sprecher intendiert?

Der Kontext legt die Bedeutung fest

Unsere Sprache ist geprägt von vagen Bedeutungen und Ambiguitäten. Und das ist auch gut so. Nur durch dynamische, sich den rasanten gesellschaftlichen Veränderungen anpassende Bedeutungskonzepte bleibt Sprache jederzeit aktuell. So erlaubt sie es dem kompetenten Sprecher, sich in jeder Situation adäquat auszudrücken. Und hier liegt die Betonung auf Situation, denn der situative Kontext legt die Bedeutung fest. Wäre Sprache statisch und starr, würde man unter den Begriffen Demokratie oder Pressefreiheit in jeder Situation – sprich: in jedem Land – genau dasselbe verstehen. Analoges gilt für Ambiguitäten.

Doch hier liegt auch die Krux der ganzen Sache: Diese der Sprache innewohnende Bedeutungsflexibilität birgt kommunikative Gefahren. Insbesondere dann, wenn unterschiedliche Interpretationen zulässig sind, kann dies fatale Auswirkungen auf die Gesamtnachricht haben. Die Intention der Botschaft erreicht den Rezipienten nicht, weil das Gemeinte nicht mit dem Verstandenen kongruiert.

Je weniger Kontext, desto mehr Interpretationsmöglichkeiten

Mit einem Satz wie „Die Bundeswehr hat ein Haltungsproblem, und sie hat offensichtlich eine Führungsschwäche auf verschiedenen Ebenen“ wird die gesamte Bundeswehr angesprochen. Alle Soldaten können sich angesprochen fühlen. Es sei denn, die Reichweite der Verantwortlichkeit wird dadurch auf einige wenige Soldaten eingeschränkt, dass man den meisten Soldaten einen vorbildlichen Dienst bescheinigt. Doch dies sagt man besser vorneweg, um eine Fehlinterpretation zu vermeiden. Je mehr Kontext wegfällt, z.B. die Äußerungssituation, Mimik, Gestik oder Intonation, desto größer die Gefahr der falschen Interpretation. Geschriebene Texte sind dabei grundsätzlich prädestinierter Missverständnisse hervorzurufen. Und je kürzer die Äußerung ist, desto wichtiger ist die Wortwahl.

Sorgfalt in der Wortwahl 

Als Beispiel dienen an dieser Stelle die telegrammartigen Kurznachrichten von Twitter.  Sie ähneln in ihrer Wortwahl und Spontanität  der gesprochenen Sprache. Dabei fallen jedoch viele kontextuelle Elemente der  gesprochenen Sprache weg. Sie haben somit vermehrt das Potential wie Schnipsel daher zu kommen- ohne den Kontext, den der Leser benötigt, um auf die intendierte Lesart rückschließen zu können. Der folgende Satz könnte ein Tweet des heutigen Präsidenten der USA sein, wird aber Abraham Lincoln zugeschrieben.

„You can fool some of the people all of the time, and all of the people some of the time, but you can not fool all of the people all of the time.”

Dem normalen Leser wird dieser Satz wohl zunächst eindeutig erscheinen. Dem Sprachwissenschaftler Jerry Hobbs aus Stanford zufolge hat dieser Satz aber über hundert Lesarten, die nur durch kontextuelles Wissen eingeschränkt werden können. Die maximal 140 sprachlichen Zeichen eines Tweets bieten damit Platz für eine Fülle von Interpretationsmöglichkeiten und dabei benötigt es nicht unbedingt eines gewieften Sprachwissenschaftlers.

Verantwortungsträger sollten sich also dessen bewusst sein, dass Sprache – wie Roland Barthes, der französischer Philosoph, Schriftsteller und Literaturkritiker des 20. Jahrhunderts bereits feststellte – niemals unschuldig ist. Insbesondere kurze Statements können aufgrund der Kontextabhängigkeit sprachlicher Interpretation missverständlich sein. Genauso können Vagheiten und Mehrdeutigkeiten der Sprache auch bewusst benutzt werden, um sich zum Sprechzeitpunkt über einen Sachverhalt nicht in Gänze festlegen zu müssen. Ob sich Lincoln der Vielzahl der Interpretationen seiner (vermeintlichen) Äußerung bewusst war wird uns nicht zu erschließen sein. Genauso wenig wie wir es bei Bundesverteidigungsministerin von der Leyen wissen. Jedenfalls wusste sie um die Möglichkeit einen Kontext nachzureichen, der  die Härte ihrer Äußerung über die Bundeswehr abschwächte.

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