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Auf der Suche nach dem Vertrauen

Der Wunsch der Bürgerinnen und Bürger nach mehr Einfluss ist groß. So gaben in einer forsa-Umfrage vom Frühjahr 51 Prozent der Befragten an, dass sie gerne mehr Einfluss auf die Entscheidungen in ihrer Kommune hätten. Andere Befragungen aus der jüngeren Vergangenheit weisen in eine ähnliche Richtung: Laut einer Emnid-Umfrage für die Bertelsmann Stiftung wünschten sich bereits im Jahr 2012 84% der Bürger mehr Mitsprachemöglichkeiten bei Infrastrukturprojekten. Die Süddeutsche Zeitung stellte dazu 2015 fest, es gehe den Bürgerinnen und Bürgern um die „grundsätzliche Frage: Wer entscheidet eigentlich, was in unseren Städten und Gemeinden passiert?“
Dass diese Frage immer mehr Menschen umtreibt, ist vielerorts zu beobachten. Sie wird besonders häufig dann gestellt, wenn konkrete Projekte vor Ort kontrovers diskutiert werden. Anders als früher nehmen Bürger es immer stärker als ihre Aufgabe wahr, die von ihnen gewählten Mandatsträger beim Ausüben eben jenes Mandats genau zu beobachten. Man möchte also „denen da oben“ genau auf die Finger schauen  – um gegebenenfalls auch auf selbige hauen zu können, wenn der jeweilige Mandatsträger nicht im Sinne der Allgemeinheit (oder der eigenen Interessen) handelt. Offensichtlich fehlt es an Vertrauen in Politik, Institutionen und Verfahren. „Unser Bürgermeister weiß doch gar nicht, was uns bewegt“, formulierte es ein Mitglied einer Bürgerinitiative in einem Gespräch über die Vertretung von Bürgerinteressen. Hier zeigt sich die Lücke, die mittlerweile zwischen beiden Ebenen entstanden ist und die es zu schließen gilt.

Wie weit haben sich Bürger und Politik tatsächlich entfernt?

Wie kann das verlorengegangene Vertrauen langfristig wiederhergestellt werden? Positiv ist zunächst, dass – bei aller Kritik an Politikern und den Verfahren politischer Entscheidungsfindung – die Demokratie selbst nicht in Frage gestellt wird. Laut der eingangs zitierten Emnid-Befragung aus dem Jahr 2012 wiederum könnten sich bis zu zwei Drittel der Bürger vorstellen, in der Planungsphase eines Infrastrukturprojekts mitzuwirken – ein Drittel der Befragten würde dies sogar über längere Zeit hinweg tun. Und auch in der forsa-Erhebung vom Frühjahr 2017 wünschte sich fast die Hälfte derjenigen, die mangelnde Einflussmöglichkeiten bekundeten, mehr Bürger- bzw. Meinungsumfragen oder mehr Informationen und Anhörungen.
Neben dem diffusen Gefühl der Abkopplung von den Entscheidungsträgern und Verfahren stehen also das Vertrauen in die Demokratie sowie das grundsätzliche Interesse vieler Bürger an einer stärkeren Mitwirkung. Ein weiterer Blick in Umfragedaten – nun bei der Studie „Partizipation im Wandel“ der Bertelsmann Stiftung in Kooperation mit der Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung in Baden-Württemberg – aus dem Jahr 2014 zeigt einerseits den Wunsch der Bürger nach einer Ergänzung der repräsentativen Demokratie durch partizipative Elemente und andererseits die (noch) etwas reserviertere Haltung von Ratsmitgliedern und Bürgermeistern gegenüber einer solchen Entwicklung. Weitere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Politiker ihr repräsentatives Mandat anders verstehen als Bürger dies tun: Nur 43% der befragten Bürger stimmten der Aussage zu, dass Politiker ausschließlich nach ihrem Gewissen entscheiden sollten, während beispielsweise 86% der Bürgermeister dieser Aussage zustimmten.  Dabei sind sich beide Seiten grundsätzlich einig, dass die Information und Konsultation der Bürger im Vorfeld politischer Entscheidungen notwendig ist. Uneinigkeit herrscht vor allem bei der Frage nach der direkten Demokratie, der die Bürger offener gegenüberstehen als Politik und Verwaltung. Berücksichtigt man die genannten forsa-Daten, so scheint der Wunsch der Bürger nach mehr Einflussmöglichkeiten weniger auf die direkte Demokratie als vielmehr auf Einbeziehung im Sinne einer Information und Anhörung gerichtet zu sein. Befunde aus der BP-Gesellschaftsstudie (Walter et.al. 2013) weisen in die gleiche Richtung.

Neue Modelle sind gefragt

Eine auf den ersten Blick naheliegende Lösung wäre es also, verstärkt partizipative Elemente in Entscheidungsverfahren zu integrieren und die Auswirkungen auf die Qualität der Verfahren selbst sowie auf die gegenseitige Wahrnehmung von Bürgern und Politik zu beobachten. Dass die Kombination von partizipativen und repräsentativen Elementen möglich ist und positive Effekte auf die Akzeptanz von Entscheidungen sowie auf das Vertrauen in politische Institutionen haben kann, zählte zu den Kernergebnissen der Studie „Partizipation im Wandel“.
So weit die Zahlen und die Theorie . In der Praxis stehen dem noch mehrere Fragen entgegen, die es zu klären gilt: Jede noch so aufwändig gestaltete Bürgerbeteiligung zu einem hochspannenden Thema verzeichnet tendenziell eine Schieflage, was die Zusammensetzung der Teilnehmerschaft angeht. Hier gilt es, beteiligungsferne Gruppen stärker zu mobilisieren, um Repräsentativität überhaupt herstellen zu können.

Des Weiteren wäre zu klären, welche Verfahren auf welchem Wege eine solche Öffnung erfahren, zum Beispiel durch Leitlinien für die Bürgerbeteiligung, wie sie in mehreren Kommunen bereits erstellt wurden. Hinzu kommt, dass jedes Beteiligungsverfahren anders ist: Für Bürgerhaushalte müssen andere Aspekte berücksichtigt werden als bei Umgehungsstraßen oder Unternehmensansiedelungen. In jedem Vorhaben gilt es sorgfältig abzuwägen und genau hinzuschauen, welche Wege der Einbeziehung sinnvoll sind: Wie groß oder klein ist der Gestaltungsspielraum? Welches Level der Beteiligung ist umsetzbar? Wie sind die Bedürfnisse der Stakeholder und wie kann darauf eingegangen werden?
Wenn sich Bürger und Politik auf diese Art und Weise aufeinander zu bewegen, könnte es gelingen, einerseits die Vorbehalte der Mandatsträger abzubauen und auf der anderen Seite das Verständnis für die Rahmenbedingungen politischer Entscheidungsfindung zu stärken. Denn: Wer als Bürger an Beteiligungsverfahren teilnimmt, handelt unter ähnlichen Rahmenbedingungen wie die so gerne kritisierten Politiker.
Übrigens: Die NRW-Beteiligungskonferenz widmet sich diesen und weiteren aktuellen Fragen im Themenfeld Bürgerbeteiligung – eine Anmeldung ist noch bis zum 21. April 2017 möglich.

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