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Eigentum und Medien

Wie umgehen mit der Konzentration und Monopolisierung der (medialen) Öffentlichkeit? Welche Rolle spielen unterschiedliche Eigentumsformen für eine demokratische und partizipative Form des öffentlichen Austauschs? Welche Reform- und Transformationsvorschläge sind denkbar? Antworten und Lösungen zeigt der neue Tagungsband des Netzwerks Kritische Kommunikationswissenschaft mit dem Titel „Eigentum, Medien, Öffentlichkeit“. Beiträge aus der Kommunikations- und Medienwissenschaft sowie aus Nachbardisziplinen wie der Soziologie, der Politologie, der Science and Technology Studies, der Wirtschaftswissenschaft und der Geschichtswissenschaft ermöglichen einen umfassenden Blick auf das Thema und bieten eine breite Diskussionsgrundlage. Ein Auszug.

Das moderne Eigentum ist kein überhistorisches Konzept, sondern eingebettet in spezifische historische, ökonomische und politische Entwicklungen. Die Herausbildung des Kapitalismus, wie wir ihn heute kennen, veränderte die Art und Weise, wie Menschen zueinander und zu den Mitteln der Aneignung der Natur in Beziehung stehen, nachhaltig. Noch bis vor etwa 500 Jahren waren Grund und Boden das wichtigste Produktionsmittel überhaupt. Im Rahmen spezifischer Abhängigkeitsverhältnisse, wie zum Beispiel der Leibeigenschaft, hatten die sozial untergeordneten Menschen direkten Zugang zum Boden und lebten im Wesentlichen von der Subsistenzwirtschaft, das heißt von den Früchten des Landes, welches sie beackerten und bewohnten (Wood 2015).

Die massenhafte Vertreibung der Landbevölkerung, beginnend im späten Mittelalter bis weit in das 19. Jahrhundert hinein, war einer der Treiber für das, was wir heute moderne Marktwirtschaft oder Kapitalismus nennen. Die Menschen waren zwar nun aus ihrer feudalen Herrschaftsbeziehung befreit und wurden dank der bürgerlichen Revolution zu Subjekten mit gleichen Rechten. Gleichzeitig waren sie aber ihrer Subsistenzmittel beraubt. Wenn sie nicht verhungern wollten, mussten sie sich ins Benehmen setzen zu denjenigen, die das Kapital besaßen. Dieser stumme Zwang der ökonomischen Verhältnisse führte dazu, dass die Menschen ihre Arbeitskraft verkauften. Sie entwickelten sich daher historisch von Fronarbeitenden zu Lohnarbeitenden. Das hatte Konsequenzen für das zu jener Zeit herrschende Bewusstsein von Aneignung. Erst mit dieser Transformation schälten sich zwei Kategorien so trennscharf heraus, wie wir sie heute kennen: Besitz und Eigentum (Wesel 1997).

Besitz ist die tatsächliche, konkrete Verfügungsgewalt; Eigentum die rechtliche, abstrakte Verfügungsgewalt. Man kann Eigentümer*in eines Objektes sein, ohne es in seinem Besitz zu haben, und man kann Besitzer*in eines Objekts sein, ohne es sein Eigentum zu nennen. Beispielsweise ist eine Mieterin zwar Besitzerin ihrer Wohnung, aber nicht Eigentümerin. Bei Selbstnutzer*innen fallen die beiden Kategorien dagegen zusammen. In ihrer historisch neuen sozialen Rolle kamen die subsistenzlos gewordenen Landarbeiter*innen wieder in den Besitz von Produktionsmitteln. So, wie sie früher das Land bewirtschaftet hatten, bedienten und benutzten sie auch die Produktionsmittel einer modernen Fabrik. Aber die Arbeiter*innen besitzen nur – die abstrakte, rechtliche Verfügungsgewalt liegt bei den Eigentümer*innen. Nur sie geben daher auch die Art und Weise der Verwendung vor, die im Wesentlichen darin besteht, das vorgeschossene Kapital zu vermehren (Heinrich 2021).

Die Trennung der Mehrheit der Menschen von der Verfügungsgewalt über das produktive Eigentum macht sich dann am schmerzlichsten bemerkbar, wenn ihre Arbeitskraft nicht mehr oder nicht ausreichend rentabel ist. Denn das Verhältnis zwischen Eigentümer*innen auf der einen Seite sowie Arbeiter*innen und Produktionsmitteln auf der anderen hat einen rein instrumentellen Charakter. Mensch und Natur werden einzig und allein dazu eingesetzt, das investierte Kapital zu vermehren. Zudem produzieren Unternehmen unabhängig voneinander in Konkurrenz für einen anonymen Markt und wissen deshalb nie, ob sich die eingekaufte Arbeitskraft gelohnt hat. Daher heißt das produktive Eigentum auch Privateigentum: Die Aneignung von Natur ist nicht der öffentlichen, demokratisch legitimierten Verfügung zugänglich und wird nicht in transparenter Abstimmung der Unternehmen untereinander kooperativ produziert, sondern isoliert, unter Geheimhaltung, auf eigene Rechnung. Diese Praxis birgt ein enormes Potenzial für regelmäßig ausbrechende Krisen und setzt die Arbeiter*innen den jenseits ihrer Kontrolle stehenden und ihnen als quasi natürlich erscheinenden Marktbewegungen aus. Diese äußern sich in Form von Lohnsenkungen, Preissteigerungen der Güter des täglichen Lebens oder schlimmstenfalls Arbeitslosigkeit. Dann ist die Trennung der Arbeiter*innen vom gesellschaftlich produzierten Reichtum vollständig durchgesetzt, ihr Zugang zu konsumtivem Eigentum endgültig abgeschnitten und sie werden zu Bittsteller*innen gegenüber dem Staat (Kaufmann und Muzzuppa 2020).

Diese allgemeinen Überlegungen zur Rolle des modernen Eigentums in kapitalistischen Ökonomien lassen sich auch auf Medien übertragen, da diese nicht außerhalb der Ökonomie angesiedelt, sondern ihrerseits ein essenzieller Teil des Wirtschaftssystems sind. Dies aus drei Gründen: a) Als privatwirtschaftliche Organisationen befinden sie sich im Familien-, Einzelpersonen- oder Aktienstreubesitz; b) aufgrund der Wichtigkeit von Werbung als Einnahmequelle knüpfen sie an die damit verbundenen Wertschöpfungsketten an; c) so sie unter dem Dach von Unternehmenskonglomeraten firmieren, hängen sie strukturell mit anderen Wirtschaftsbereichen zusammen (Ferschli et al. 2019). Hinzu kommt, dass Medien eine besondere Stellung in der Gesellschaft und Ökonomie einnehmen, weil sie in der Lage sind, Narrative zu verbreiten, Diskurse zu beeinflussen und die öffentliche Meinung zu prägen (Grisold und Theine 2017; 2020).

Ganz grundlegend ist festzustellen, dass keine Unterschiede zwischen Medien und anderen privatwirtschaftlichen Organisationen bestehen: Mit genügend Startkapital kann, wer immer will, ein Medienunternehmen gründen und so Medieneigentümer*in sein. Ein solches Individuum hat dann die individuelle Verfügungsgewalt über das Unternehmen, kann dessen Ausrichtung vorgeben und nach Gutdünken Journalist*innen einstellen. Ein wichtiger Grund für diese Freiheit liegt in Deutschland im Grundgesetz begründet. Nach Artikel 5 GG hat jede Person das Recht, ihre eigene Meinung frei zu äußern und zu verbreiten (Branahl und Eberwein 2010).

Meinungs- und Pressefreiheit unterliegen wenigen Einschränkungen. Klassische Ausnahmen, die im Einzelfall immer wieder der Abwägung durch Gerichte bedürfen, stellen die Persönlichkeitsrechte Dritter, die freiheitlich-demokratische Grundordnung sowie mögliche Auflagen im Fall von Monopolstellungen dar (ebd.; Pöttker 2016). Darüber hinaus gesellen sich für Printmedien und das Internet einige weitere rechtliche Vorgaben hinzu, so zum Beispiel die Pflicht, im Impressum den Verlag oder die Herausgeber*innen und die verantwortlichen Redakteur*innen auszuweisen sowie Werbung als solche zu kennzeichnen und vom redaktionellen Teil zu trennen. Die Anforderungen an Privatsender liegen nochmals etwas höher: Sie benötigen eine Zulassung der zuständigen Landesmedienanstalt und werden von der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich überwacht, welche insbesondere für die Sicherung der Meinungsvielfalt zuständig ist und beispielsweise Auflagen bei geplanten Firmenfusionen erlassen kann (Branahl und Eberwein 2010).

Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass Medien nicht von sich aus die vielfältigen Funktionen erfüllen, die ihnen oft zugeschrieben werden. Diese Einsicht findet sich schon bei Marx (1972 [1842]), der anmerkte, dass Gewerbefreiheit nicht die Freiheit der Presse garantiere: »Die erste Freiheit der Presse besteht darin, kein Gewerbe zu sein« (siehe auch Koschwitz 1970). Etwas aktueller stellt dies Paul Sethe (1965, 18), Gründungsherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, prägnant in einem Leserbrief an den Spiegel fest:

»Pressefreiheit ist die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten. Journalisten, die diese Meinung teilen, finden sie immer. […] Frei ist, wer reich ist. Das ist nicht von Karl Marx, sondern von Paul Sethe.«

Die Kontrolle staatlicher, wirtschaftlicher, politischer und gesellschaftlicher Entwicklungen – der Grund, weshalb man sie häufig als »vierte Gewalt« bezeichnet – gehört also nicht originär zum Repertoire der Medien und steht sogar tendenziell im Widerspruch zur Profitorientierung privatwirtschaftlich organisierter Häuser sowie deren wichtigster Einnahmequelle: der Werbung (Herman und Chomsky 2002). Wenn Medien ihrer öffentlichen Aufgabe als Kontrollinstanz im Staat gerecht werden sollen, dann muss das System um sie herum auch so gestaltet sein, dass sie dieses Ziel zumindest ansteuern, idealerweise aber erreichen.

Weiterhin gilt die anfangs getroffene Unterscheidung zwischen dem Eigentum der Produktionsmittel und deren Besitz oder Nutzung durch die Arbeiter*innen – in diesem Fall durch die Journalist*innen. Die letztliche Verfügungsgewalt liegt weiterhin bei den Eigentümer*innen der Häuser. Aus diesem Grund arbeiten die dort angestellten Medienschaffenden unter einer bestimmten Redaktionshierarchie, die sich aus den etablierten Verhältnissen herleitet (Schwerdtner 1972). Dadurch sind sie abhängig von den Eigentümer*innen und den von ihnen eingesetzten Chefredakteur*innen.

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