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Endspiel für die Menschheit

Dass der Klimawandel eine sehr große und ernste Bedrohung ist, das wissen wir nicht erst seit den jüngsten Geschehnissen in Libyen oder Griechenland, und die meisten Menschen wünschen sich strengere Maßnahmen von ihren Regierungen. Doch wenn es konkret wird, formiert sich Widerstand. Die Autorin und erfahrene Energiemanagerin Marie-Luise Wolff erklärt in ihrem neuen Buch „2,8 Grad! Endspiel für die Menschheit“, warum dies so ist. Als Insiderin der Energieszene legt sie dar, dass die Weltgemeinschaft die Klimaziele von Paris verfehlen wird. Stattdessen steuern wir ungebremst auf eine globale Erwärmung von +2,8 Grad zu – mit verheerenden Auswirkungen. Es muss endlich anerkannt werden, dass die bisher vereinbarten Regelungen nicht genügen. Für eine wirksame Klimapolitik ist es dringend notwendig, die Dinge endlich beim Namen zu nennen. Marie-Luise Wolff entwirft einen konkreten Plan für eine rasche und radikale CO2-Senkung, der nicht weniger als eine Renaissance des Freiheitsbegriffs einschließt. Ein Kommentar.

Am 14. Juli 2021 geschah etwas, Dass ich zumindest in meiner Lebensspanne so nicht kommen gesehen hatte: Über 200 Menschen starben in Folge einer so genannten „Naturkatastrophe“ – etwa 30 Kilometer von meiner Wohnung in Köln entfernt. Die schrecklichen Bilder der Ertrinkenden, von schwimmenden Häusern und Autos, eingestürzten Brücken und Straßen flatterten also dieses Mal nicht aus Bangladesch oder Nigeria in unsere Wohnzimmer, sondern aus dem idyllischen Ahrtal, einem der beliebtesten Wochenendausflugsziele von uns Rheinländern. Der Schock saß tief – nicht nur bei mir. Wie konnte so etwas mitten in Deutschland passieren? Die Meinung meiner Landsleute und auch der verantwortlichen Politiker aller Couleur war damals sehr einhellig: Wir müssen endlich wirksamere Maßnahmen gegen den Klimawandel ergreifen. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, ja wir alle, müssen unverzüglich handeln, damit die Bilder dieses schrecklichen Hochsommertages an der Ahr nicht zur Regel werden.

Als ich ein knappes Jahr später, im Herbst 2022, mit den Arbeiten an dem Buch „2,8 Grad“ begann, schien es mir, als ob die Toten von der Ahr im kollektiven Gedächtnis der Deutschen schon vergessen waren. Zu viel anderes war seither passiert: Russland hatte die Ukraine überfallen, der Kanzler die „Zeitenwende“ ausgerufen und zu allem Überfluss wurde auch noch das Sonnenblumenöl in den Supermärkten knapp. Ein weiteres Dreiviertel Jahr später, im Juli 2023, erlebten die meisten Deutschen auch noch beinahe fünf verregnete Sommerwochen hintereinander. Wer redet da noch über den Klimawandel?

Die ersten humanen Gesellschaften, die vor etwa 300.000 Jahren begannen, den Erdball zu bewohnen, lebten in der Anfangszeit noch mit einem gewissen Respekt vor den sogenannten „Naturgewalten“. Inzwischen sind diese dem Menschen kein Begriff mehr. Wenn sich eine Naturkatastrophe ereignet, sind technische Hilfswerke dafür zuständig. Danach sind die Katastrophen schnell wieder vergessen. Diese Vergesslichkeit könnte ein Zeichen dafür sein, dass die auf dem Planeten Erde Ansässigen die Beziehung zu ihrem Hauswirt längst verloren haben. Anwandlungen von Nonchalance, von Ignoranz und Dominanz herrschen vor. Bodenschätze, also abgestorbene vorzeitliche Wälder, werden aus immer tieferen Schichten der Erdkruste extrahiert, unzählbare Hohlräume dort hinterlassen, Wasser verunreinigt, unbeherrschbare Massen von Müll produziert, Emissionen ohnegleichen in die Luft gejagt. Das Motto dabei: alles herausholen, was geht. Schließlich müssen acht Milliarden Menschen behaust, ernährt und bespaßt werden. Und jeder weiß, in knapp dreißig Jahren werden es laut den Vereinten Nationen (United Nations, UN) zwischen neun und zehn Milliarden Menschen sein.

Doch unser Planet – der Hauswirt der Menschheit – entscheidet, ob wir zukünftig noch Gastrecht bei ihm bekommen. Als Gäste des Planeten bemerken wir seit einiger Zeit, dass etwas in unserer Beziehung zu ihm nicht mehr stimmt. Die Naturkatastrophen nehmen zu, nicht alle bekommen wir unter Kontrolle. Aber wir leiden unter Planeten-Legasthenie, wir sind nicht mehr in der Lage, unseren Hauswirt zu verstehen. Genauer gesagt sind es die automatisch ablaufenden physikalischen Prozesse in seinen verschiedenen Sphären, die wir nicht mehr verstehen, deren Veränderung wir aber selbst verursacht haben. Es wird doch schon so lange über „Nachhaltigkeit“ gesprochen, wir reden doch schon längst über nichts anderes mehr, denken Sie jetzt. Ja, das stimmt. Aber wir handeln bisher nicht danach. Und auch Nachhaltigkeit ist schon immer auf den Menschen bezogen gewesen, nie auf den Planeten. Nachhaltigkeit sollte jederzeit dem Menschen nutzen und dafür sorgen, dass die Menschheit weiterhin dasselbe oder immer noch mehr aus der Erde herausholen konnte.

Die deutsche Jahrhundertflut ist nun zwei und ein viertel Jahr her. Dem teils verregneten Juli war ein äußerst heißer Juni vorausgegangen und es folgte der mit Abstand wärmste September, den es je gab. Die Temperaturen lagen mehr als 1,8 Grad über dem Durchschnitt verglichen mit der vorindustriellen Zeit. Die Flut-, Brand- und Dürrekatastrophen fanden 2023 zwar bislang nicht an der Ahr, sondern unter anderem in Griechenland, Italien und Spanien statt. Aber auch in unserem Land starben allein in den ersten neuen Monaten dieses Jahres wieder über 3000 Menschen an Hitzefolgen.

Die menschengemachte Klimaerwärmung ist eine existentielle Bedrohung für die Spezies Mensch. Schon heute, schon für die jetzt lebenden Generationen. Wir haben längst nicht mehr die Chance, die Katastrophe komplett zurückzudrängen. Ereignisse wie das an der Ahr werden regelmäßiger, überall auf der Welt. Und auch die Folgeprobleme der Erderwärmung wachsen stetig: Fluchtbewegungen, Mangelernährung, Unbewohnbarkeit ganzer Landstriche und Länder.

Mein Buch Ist Ein Weckruf. Es soll aufrütteln und sensibilisieren. Ich bin keine Prophetin des Weltuntergangs. Aber ich weiß, dass wir etwas tun müssen und ich beschreibe, was das sein kann. Das Buch ist ein kämpferisches Plädoyer dafür, an die Grenzen unserer Möglichkeiten zu gehen. Ich halte die Dekarbonisierung westlicher Gesellschaften nicht für einen Mythos, wie es mittlerweile größere Teile meiner Generation tun, sondern für erreichbar. Handeln wir jetzt, noch ist das Endspiel für die Menschheit zu gewinnen!

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