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Rettet unsere Wälder!

Tags: sind oder wald

Die Deutschen lieben ihren Wald – sagt man zumindest. Doch der Wald ist in Gefahr und kann seine vielfältigen, für unser aller Wohl unverzichtbaren Funktionen nicht mehr erfüllen. Der „Gründervater des Nationalparks Berchtesgaden“, Dr. Georg Meister, hat sich zeitlebens für unsere Wälder eingesetzt und wurde zum Vorkämpfer für eine naturnahe Forstwirtschaft. Damit steht er in der Tradition angesehener Forstakademiker und -praktiker, die seit über 100 Jahren den nachhaltigen Umbau der Wälder fordern. Doch dieser scheitert an dem unheilvollen Zusammenschluss einer rein auf Holzertrag ausgerichteten Forstwirtschaft und einer auf Trophäen fixierten Jagd, die von einer kleinen, aber mächtigen Interessengruppe betrieben wird. Die Folge: veraltete Anbauformen und riesige Monokulturen, die anfällig sind für Windwurf, Borkenkäfer und die große Herausforderung unserer Zeit, den Klimawandel. Georg Meister mahnte über Jahrzehnte ein Umdenken in der Jagd und den Anbau naturnaher, nachhaltiger Mischwälder an, die einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten können. Dieses Buch ist sein Vermächtnis: Bis zu seinem Tod im Jahr 2022 hat er daran gearbeitet. Dass es jetzt posthum erscheint, würde ihn freuen. Denn es geht darum, den Wald für zukünftige Generationen zu retten.

Deutschlands Wälder befinden sich in einem kritischen Zustand. Nach allem, was ihnen in der Vergangenheit abverlangt wurde, Sind sie nun auch noch mit dem Klimawandel konfrontiert. Der Deutsche Verband Forstlicher Forschungsanstalten, kurz DVFFA, fasst die Entwicklung der letzten Jahre so zusammen: »Die Stürme im Winter 2017/18 und die Trockenheit und Hitzeextreme der beiden Sommer 2018 und 2019 haben in den Wäldern Deutschlands gebietsweise erhebliche Schäden verursacht. Von den Stürmen und von Borkenkäferbefall waren vor allem Fichtenreinbestände betroffen; in Kiefernreinbeständen wüteten Waldbrände und es kam vielerorts zu erheblichen Ausfällen durch das [von Pilzen ­ausgelöste] Kieferntriebsterben und Insektenbefall.« Weiter: »Mit zeitlicher Verzögerung traten dann 2019 auch komplexe Erkrankungen bei der Buche auf« – ­namentlich Vitalitätsschwäche durch Trockenheit, Sonnenbrand und von pilzähnlichen Mikroben verursachte Krankheiten –, »die zu Absterbeerscheinungen in bisher nicht beobachtetem Umfang führten.«

Als Folge sind von 2018 »bis Ende 2020 ca. 171 Millionen Kubikmeter Schadholz angefallen; auf rund 277 000 Hektar […] ist der Wald wiederherzustellen.« Fast drei Viertel des eingeschlagenen Schadholzes gingen auf Insektenschäden zurück. 2021 mussten weitere 50,5 Millionen Kubikmeter gefällt werden. Schätzungen beziffern die Fläche vollständig abgestorbener Bestände zwischen 2018 und 2020 auf rund 380 000 Hektar Oder 2,4 Prozent der bundesdeutschen Waldfläche – und auch diese Entwicklung wird sich infolge des Klimawandels fortsetzen: So lassen die Prognosen des Weltklimarats bis 2050, global und für Europa, einen weiteren Temperaturanstieg von 1,6 bis 2,4 Grad Celsius bei gleichzeitig veränderten jährlichen Niederschlagsverteilungen sowie zunehmenden Witterungsextremen wie Trockenperioden, Starkregen und Stürmen erwarten.

Auch Bäume, die nicht vom Sturm gefällt, von Feuern verbrannt oder von Insekten gefressen wurden, sind massiv geschwächt. Das zeigen die Waldzustandserhebungen der vergangenen Jahre. Als Kriterium für die Baumgesundheit wird darin der Grad der Kronenbelaubung beziehungsweise -verlichtung herangezogen. 2020 wies nur gut ein Fünftel der stichprobenhaft begutachteten Bäume eine voll belaubte, 37 Prozent hingegen eine deutlich verlichtete Krone auf. Das sind 13 Prozent mehr als noch fünf Jahre zuvor und markiert den höchsten Wert seit Beginn der Erhebungen im Jahr 1984. Verschlechtert hat sich besonders der Zustand von Fichten und Buchen: Bei ersteren stieg der Anteil der Bäume mit deutlichen Kronenverlichtungen von 28 Prozent im Jahr 2015 auf 44 Prozent im Jahr 2020; bei letzteren nahm er in diesem Zeitraum von 33 auf 55 Prozent zu.

Der desolate Zustand unserer Wälder ist jedoch nicht allein dem Klimawandel geschuldet. Vielmehr spiegelt sich darin erneut das German Problem wider: Das Wechselspiel aus verfehlter Forstwirtschaft und überhöhten Wildbeständen hat zur Anlage naturferner Forste geführt, die sich ihrer natürlichen Regenerationskraft beraubt sehen. Dürre, Wind und Käfer »ernten« heute, was die Förster vor 120, 90 oder 60 Jahren als monotone, jeweils gleichalte Baumplantagen gesät oder gepflanzt haben – und teils noch immer pflanzen. »Tatsächlich sind nach den natürlichen Abläufen, die heute in nicht genutzten Wäldern zu beobachten sind, Windwurf, Schneebruch und Borkenkäferbefall nichts anderes als Methoden der Natur, instabile Försterforste in stabile Naturwälder umzuwandeln«, fasst der Förster und Naturschützer Hans Bibelriether seine Erfahrungen aus drei Jahrzehnten als Leiter des Nationalparks Bayerischer Wald zusammen. »Der Umbau von Nadelbaumreinbeständen – wie sie in großem Umfang zuletzt nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind – hin zu standortgerechten Laub und Laubmischbeständen ist daher ein Ziel der Forstpolitik des Bundes und der Länder. Er ist Bestandteil der Waldbaurichtlinien vieler Landesforsten und wird im Nichtstaatswald seit Jahrzehnten mit erheblichen Mitteln gefördert«, heißt es in einer Broschüre des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, kurz BMEL, zu den Ergebnissen der dritten Bundeswaldinventur aus dem Jahr 2012. Neuere Zahlen liegen noch nicht vor, denn die vierte Inventur hat im April 2021 begonnen und wird voraussichtlich Ende 2024 Resultate liefern – die Prognose sieht jedoch alles andere als gut aus.

Zielsetzungen wie diese hören wir nicht zum ersten Mal. Doch allen Willensbekundungen und Finanzmitteln zum Trotz handelt es sich hierzulande immer noch bei der Hälfte aller Bäume um Fichten oder Kiefern, von denen 29 respektive 43 Prozent in Reinbeständen ohne andere Baumarten vorkommen – und selbst die ausgewiesenen »Mischbestände« enthalten gemäß der vom BMEL zugrunde gelegten Definition oft nur zwei Baumarten mit jeweils zehn Prozent Mindestflächenanteil. Besorgniserregend ist auch das Alter unserer Wälder. »Der Wald ist im Durchschnitt heute 77 Jahre alt und gegenüber 2002 damit viereinhalb Jahre älter«, heißt es in der BMEL-Darstellung. Bei der letzten Inventur waren demnach fast zwei Drittel (63,7 Prozent) der Gesamtwaldfläche mit Baumbeständen von 80 Jahren oder weniger bestockt; der Anteil an über 160 Jahre alten Bäumen lag bei lediglich 3,5 Prozent. Zum Vergleich: In Naturwäldern können beispielsweise Eichen 500 Jahre und mehr erreichen.

Gerade ältere bis sehr alte Bäume sind für eine Vielzahl von Insekten, Vögeln und Kleinsäugern unverzichtbar. So bietet ein Zunderschwamm, wie er nur dort wächst, bis zu 600 verschiedenen Arten von Gliederfüßern Nahrung und Lebensraum – welche ihrerseits zahlreichen Tieren als Beute dienen. Und mehr als 1 300 Käferarten – also rund ein Viertel aller in Deutschland nachgewiesenen Spezies – leben vom Holz unterschiedlicher Zerfallsstadien. Artenreiche Ökosysteme sind weniger diversen Lebensgemeinschaften in vieler Hinsicht überlegen, wie aufwendige Untersuchungen an Waldparzellen in Panama und China, aber auch an Grasländern in Deutschland zeigen: Sie produzieren mehr Biomasse, weisen eine höhere Resilienz gegenüber widrigen Umweltbedingungen auf und reagieren robuster auf Störungen.

Wie selten natürlich gealterte Bäume sind, offenbaren die erstmals erhobenen Daten zu »Biotopbäumen« – gemeint sind solche mit Stamm- und Asthöhlen oder Bruch- und Faulstellen – sowie »Totholz« – sprich vermoderndes Holz, das keineswegs »tot« ist, sondern von unzähligen Lebewesen bewohnt, genutzt und abgebaut wird. Zwar erfasst die Bundeswaldinventur rund 22 Millionen sogenannter Specht- oder Höhlenbäume, doch weist nur knapp eine Million von ihnen eine Markierung auf, die sie als solche kennzeichnet und dadurch langfristig schützt. Demnach kommt auf zehn Hektar Wald, bundesweit gemittelt über alle Eigentumsarten, gerade mal ein einziger markierter Biotopbaum. Auch natürlich entstandenes »Totholz« aus abgestorbenen stehenden oder liegenden Gehölzen ist in deutschen Wäldern ein rares Gut: Davon gibt es im Mittel 20,6 Kubikmeter pro Hektar, doch das Gros setzt sich aus vom Wind geworfenem Nadelholz oder nach der Holzernte im Wald belassenem Ast- und Wurzelwerk zusammen.

»Heute überwiegen im gesicherten Nachwuchs unserer Wälder mit Abstand die Laubbaumarten, weil dies von den aktuell für den Wald Verantwortlichen als richtig und notwendig angesehen wurde und wird«, behaupten die 74 Männer und 6 Frauen, die das Positionspapier des DVFFA unterzeichnet haben. In der Tat betrug der Anteil der Laubbäume an den unter 20 Jahre alten Exemplaren zum Zeitpunkt der letzten Inventur 57,8 Prozent. Allerdings bewertet dieselbe Erhebung die mit jungen Bäumchen unter vier Metern Höhe bestockten Bestände lediglich auf 51,3 Prozent der untersuchten Waldfläche als »naturnah« oder »sehr naturnah« – zumindest gemäß ihrer Artenzahl und -zusammensetzung. Im Umkehrschluss: Auf fast der Hälfte der Waldfläche ist der nachwachsende junge Wald heute immer noch nicht naturnah zusammengesetzt. Staats- und Körperschaftswälder schneiden nur unmerklich besser ab: Dort sind 58,4 Prozent des Jungwaldes naturnah gemischt.

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