Get Even More Visitors To Your Blog, Upgrade To A Business Listing >>

Superorganismus Honigbiene

Wussten Sie, dass Bienen ein Kurzzeit- und ein Langzeitgedächtnis haben? Dass in Ägypten Imker mit ihrem Bienenvolk sprechen können? Dass Bienen die absolute Temperatur messen können? Das und mehr lässt sich in dem außergewöhnlichen Buch „Bienengedanken“ von Bettina Thierig und Dorothea Brückner nachlesen. Die neun Kapitel – anfangen, kommunizieren, wimmeln, sammeln, nutzen, forschen, leben, bauen und fliegen – sind jeweils mit thematisch passenden Abbildungen, Gedichten, Texten, Bildern und Rasterelektronenmikroskop-Aufnahmen gestaltet, abgerundet mit wunderbaren „Honigfotografien“ von Michael Haydn.

Honigbienen gehören zu den staatenbildenden Insekten. Das einzelne Bienenvolk kann über 50 Tausend Individuen zählen, die in einer Baumhöhle oder einem Bienenstock eng zusammen leben. Das enge Zusammenleben der einzelnen Tiere erfordert besondere Eigenschaften, um ein gut funktionierendes Miteinander zu schaffen.

Welche Verhaltensweisen stehen den Bienen dafür zur Verfügung? Als Beispiel soll die Temperaturregulierung im Bienenvolk dienen. Bienen sind wie alle Insekten wechselwarme Tiere, deren Körpertemperatur mit der Umgebungstemperatur schwankt. Das Einzeltier ist daher von der Umgebungstemperatur abhängig. Als Bienenvolk können sie sich jedoch von der Umgebungstemperatur unabhängig machen und große Temperaturschwankungen kompensieren. Sie regulieren zum Beispiel die Brutnesttemperatur auf konstante 35 Grad Celsius – eine Temperatur, die für die normalen Entwicklungsabläufe ihrer Brut notwendig ist. Dies leisten sie einerseits durch die Produktion von Eigenwärme, indem sie ihre Flugmuskulatur aktivieren, andererseits durch Isolation zum Erhalt der Wärme. Mit ihren eigenen Körpern bilden sie eine dichte Schicht, die wie eine Decke um das Brutnest herum gebildet wird. So kann die geheizte Temperatur nicht in die Umgebung entweichen.

Bei drohender Überhitzung durch steigende Umwelttemperaturen steht ihnen aber auch eine Möglichkeit zur Kühlung des Bienenvolkes zur Verfügung: Einzeltiere fliegen aus, um Wasser in der Umgebung zu sammeln und dann im Bienenvolk damit aktiv Verdunstungskälte zu erzeugen. Sie breiten dazu das eingetragene Wasser zu einem dünnen Film aus, den sie selbst mit Flügelschwirren wie kleine Ventilatoren zur Verdunstung bringen. Das ist ein effektiver Kühlmechanismus.

So können viele Einzeltiere gemeinsam die Temperatur im Stock perfekt regulieren. Sie setzen dazu die gleichen physiologischen Mechanismen ein wie Wirbeltiere, die im Gegensatz zu Insekten gleichwarm sind.

Im Bienenvolk gibt es stets zwei  Ebenen zu erforschen: die des Einzeltiers und die des Zusammenschlusses aller Einzeltiere zum Superorganismus. Die einzelne Biene zeigt erstaunliche kognitive Leistungen bei der Futtersuche: So lernt sie die Farbe, die Form und den Duft einer nektarhaltigen Blüte erstaunlich rasch und speichert die Information dann in ihrem Langzeitgedächtnis. Beim Flug zur Futterquelle lernt sie die markanten Landmarken ihrer Umgebung und benutzt sie später als Orientierungshilfe im Gelände. Jede einzelne Biene macht auf diese Weise ihre spezifischen Erfahrungen im Gelände, die sich von denen einer anderen Biene unterscheiden.

Ihre visuellen Fähigkeiten sind enorm. Sie besitzt ein Farbensehen ähnlich dem des Menschen und die verschiedenen Blütenfarben der Blumen sind als Signale für ihre Farbwahrnehmung zu verstehen, denn Blüten brauchen Bienen zu ihrer Bestäubung. Sie locken ihre Bestäuber mit spezifischen Farben, Formen und Düften gezielt zu sich, und da die Bienen blütenstet in ihrem Verhalten sind, kommt es zu einem reichen Samenansatz bei der einzelen Pflanzenart, wenn sie erfolgreich gelockt hat.

Bienen fliegen weite Strecken, um Nektar zu sammeln, mehrere Kilometer weit, wenn es im näheren Bereich um den Bienenstock herum keine geeigneten Futterquellen gibt. Haben sie eine ergiebige Quelle gefunden, so kehren sie immer wieder dorthin zurück und sind sogar in der Lage, ihren Nestgenossinnen zu berichten, wo der Fundort liegt. Diese Kommunikation hat man Tanzsprache genannt, obwohl dabei nicht gesprochen wird – es handelt sich nur um eine Analogie zur menschlichen Kommunikationsform der Sprache.

Heimgekehrt laufen sie sogenannte Tanzformen im dunklen Inneren des Bienenstocks auf den senkrechten Waben. Die Tänze weisen zwei Grundformen auf, je nach Entfernung der Futterquelle vom Bienenstock. Mit dem Rundtanz wirbt die Tänzerin für eine Futterquelle, die im Umkreis von 100 Metern zum Stock liegt. Sie läuft dafür Auf Der Wabe einen engen Kreis, den sie mehrmals durchläuft, abwechselnd im Uhrzeigersinn und im Gegenuhrzeigersinn.

Mit dem Schwänzeltanz wirbt die Biene für Futterquellen in größerer Entfernung. Sie läuft auf Der Senkrechten Wabe geradeaus, kehrt in einem Bogen zur Ausgangsstelle zurück, wiederholt die gerade Strecke und läuft einen Bogen nach der anderen Seite. Während der geraden Strecke schwenkt die Tänzerin ihren Hinterleib in einer rhythmischen Schwänzelbewegung, gleichzeitig erzeugt sie mit ihrer Flugmuskulatur ein schnarrendes Geräusch, welches von den umstehenden Stockgenossinnen als Vibration wahrgenommen werden kann. Dann und wann unterbricht die Tänzerin ihre Bewegung, um den neben ihr stehenden Bienen Nektarproben abzugeben, dabei nehmen diese auch den Duft der besuchten Blüten wahr.

Die Entfernungsinformation ist im Tanztempo der Schwänzelstrecke codiert, der Tanz ist umso schneller, je näher die Futterquelle liegt. Wird die Schwänzelstrecke Auf Der Wabe nach oben hin getanzt, so liegt die Futterquelle in Richtung der Sonne. Wird ein Winkel zur Senkrechten getanzt, so liegt die Futterquelle im Gelände in diesem Winkel zur Sonne, wenn die Biene suchend ausfliegt. Sie muss also den Winkel von der senkrechten Wabe auf die horizontale Wegstrecke übertragen können, um das Futter zu finden. Die Tänzerin hat im Bienenstock eine abstrakte Information zur Wegstrecke erfolgreich mitgeteilt, wenn die Nestgenossin die Futterquelle im Gelände gefunden hat.

Diese wirklich erstaunliche Kommunikationsform wurde im 20. Jahrhundert von dem Biologen Karl von Frisch erkannt und intensiv erforscht. Später wurden noch zwei weitere Tanzkommunikationsformen im Bienenstock entdeckt: der Zittertanz und der Rütteltanz. Mit dem Zittertanz wirbt eine Sammlerin im Stock für weitere Sammelaktivität im Gelände. Sie läuft dafür auf der Wabe in der Nähe von gerade beschäftigungslosen Nestgenossinnen und zittert dort mit ihrem gesamten Körper, diese nehmen die Vibrationen des Zittersignals wahr und begeben sich rasch zum Flugloch, um auszufliegen und Nektar zu sammeln. Beim Rütteltanz ergreift eine Biene eine Nestgenossin mit den beiden Vorderbeinen und rüttelt sie, ein Signal, welches zur Arbeit als Nektarabnehmerin im Stock dient.

So organisiert sich die Gemeinschaft der Honigbienen mit vielen spezifischen Signalen und Kommunikationsweisen zu einem sehr effizient arbeitenden Gemeinwesen, dem Superorganismus. Wir Menschen profitieren von dieser Effizienz durch das Ernten von Honig, der in solchen Mengen im Bienenvolk produziert und eingelagert wird, dass man einen Teil entnehmen und gleichzeitig genug zurücklassen kann, um die erfolgreiche Überwinterung des Volkes zu gewährleisten.

Der Beitrag Superorganismus Honigbiene erschien zuerst auf Westend Verlag GmbH.



This post first appeared on Westendverlag, please read the originial post: here

Share the post

Superorganismus Honigbiene

×

Subscribe to Westendverlag

Get updates delivered right to your inbox!

Thank you for your subscription

×